Zubin Mehta (83) & Berliner Philharmoniker

Konzertkritik Über zwei überbreit geratene Strauss/Beethoven- und Bruckner-Großkonzerte

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Zubin Mehta (83) kann nicht mehr gut laufen. Als ich ihn hier in Berlin im Herbst 2017 (mit den Wiener Philharmonikern im Staatsoper-Konzertzimmer) zuletzt gesehen hatte, brauchte er noch keinen Stock zum Gehen, und er musste auch noch nicht im Sitzen dirigieren; wie sich alles innerhalb von grade mal zwei Jahren so verändern kann, ja und wenn man das jetzt so überraschend sieht, wird einem schlagartig bewusst, wie hinfällig so'n kurzes Menschenleben ist und wie das physische Gebrechen eines Anderen sich schmerzlich im Bewusstsein des ihn zufällig Beobachtenden niederschlägt, aber so ist es halt nun mal, wir alle sind nur endlich...

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Mit zwei nicht gerade unanstrengenden Programmen (Don Quixote von Strauss mit Beethovens Eroica sowie Bruckners Achte solo) werden die Berliner Philharmoniker & Mehta ab kommendem Mittwoch eine Woche lang in Japan sein. Vorab gab es die zwei Konzerte, jeweils dreifach, im Scharoun-Bau zu erleben:

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Mehta zelebrierte die drei von ihm ausgewählten Werke allesamt so derart breit, dass man sich (nicht allein an einem der zwei Abende) mehr irritiert als ratlos fragte: ja warum denn eigentlich?

Allein beim Don Quixote machte das, wenn auch nicht an allen illustrierten Stellen dieser kandiszuckerierten Partitur, einen gewissen Sinn; mag sein, dass mir, dem Liebhaber einer so mild-mediterranen Referenz-Einspielung wie derjenigen mit Rudolf Kempe und der Staatskapelle Dresden, ausgerechnet jener laue "Sound" mit jenem lichten "Tempo" nicht aus der Erinnerung geraten mag und meine diesbezügliche Voreingenommenheit hier wahrlich fehl am Platze wäre - allerdings: Wie Ludwig Quandt mit seinem Cello mehr noch als abrupt das Heldensterben der so tragikomischen Gestalt glissandisch abzubrechen in der Lage war, erzeugte schlussendlicherweise bei mir Gänsehaut.

Ja und Eroica?

Mit dem Chefstabwechsel von Sir Simon an Kirill Petrenko geht selbstredend auch eine neu auszurichtende "Verordnung" aller Sinfonien Beethovens einher; was das fürs deutsche Vorzeigeorchester ansatzweise so bedeuten kann und konnte, durfte man vor ein paar Wochen mit der Neunten live erleben! Dahingehend musste man sich wundern, jetzt und hier die Dritte so gehört zu haben wie als wäre man in einer Zeitkapsel um paar Jahrzehnte 'rückgeschleudert worden - wir empfehlen (während der neu auszurichtenden "Verordnungsphase") vorerst keinen Beethoven mehr außer unter Leitung Kirills aufzuführen. Irgendwie will man ja eindeutig erkennen wollen, wohin eigentlich die Reise geht, nein oder nicht??

Und Bruckners Achte klang in summa sehr, sehr, sehr, sehr überraschungslos, d.h. durchgängig viel zu langatmig, durchgängig viel zu laut, um nicht viel mehr als zwei Aspekte des in Gänze völlig läppisch sich verausgebenden "Interpretationsansatzes" stichworthaft benannt zu haben. Pure Scheingefühlszonen.

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Die Sympathiebekundungen für den die beiden Großkonzerte professionell bestritten habenden Altmeister waren freilich überschwänglicher Natur, wahrscheinlich vollkommen zurecht.

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 07.11.2019.]

BERLINER PHILHARMONIKER (Philharmonie, 02./06.11.2019)
Strauss: Don Quixote
Beethoven: Symphonie Nr. 3 Es-Dur op. 55, Eroica
Bruckner: Symphonie Nr. 8 c-Moll (2. Fassung von 1890)
Amihai Grosz, Viola
Ludwig Quandt, Violoncello
Berliner Philharmoniker
Dirigent: Zubin Mehta

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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