Bronze, Prunk und Bonzen

Nordmazedonien Nach der Namensänderung will das Land schnell in die EU. Die Korruptheit seiner Politiker ist atemberaubend
Ausgabe 08/2019
Zudem gibt es jede Menge Löwen zu bewundern: vor Brücken und Toren und auch sonst reichlich
Zudem gibt es jede Menge Löwen zu bewundern: vor Brücken und Toren und auch sonst reichlich

Foto: Robert Atanasovsk/AFP/Getty Images

Es sollte den Nationalstolz schüren, dem Patriotismus Vorschub leisten und den Anspruch des Landes auf historische Größe untermauern: das Projekt „Skopje 2014“. Ein paar Jahre Bauzeit und gut eine halbe Milliarde Euro später hatte dessen Ausführung die Hauptstadt der Republik Nordmazedonien, die seinerzeit noch Mazedonien hieß, in einen pseudoklassizistischen Freizeitpark verwandelt. Es fanden sich öffentliche Gebäude mit Säulen und Schnörkeln, dazu überdimensionale Statuen, die einem vermeintlich historischen Erbe Tribut zollten. Man sah Alexander den Großen, 23 bronzene Meter hoch, und es gab jede Menge Löwen, das Symbol der rechtsnationalen Partei Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation – Demokratische Partei für Mazedonische Nationale Einheit (VMRO-DPMNE), vor Brücken, Toren, eigentlich überall. Reitende Helden, still leidende Frauenfiguren nach Art der Pieta und sonstiger in Bronze gegossener Größenwahn überstrahlten die graue Architektur der Stadt.

Exodus der Jugend

Es soll Menschen gegeben haben, die den verquast patriotischen Attitüden der Regierung aufsaßen und die Bauten, die mehr Pomp als solider Putz waren, für ein Zeichen mazedonischer Herrlichkeit hielten. Ein großer Teil der Bevölkerung aber stand dem Billigprunk schon damals skeptisch gegenüber und fragte sich, wie um alles in der Welt die Regierung von Premier Nikola Gruevski das aus dem Budget eines armen Staates finanziert hatte, dessen Bevölkerung durchschnittlich weniger verdient, als ein deutscher Sozialhilfeempfänger im Monat erhält. Diesem Land fehlt es seit der Staatsgründung 1991 an Geld für Infrastruktur, Gesundheitswesen, Bildung, Löhne und Renten. Seine Jugendarbeitslosigkeit liegt konstant bei 50 Prozent, sodass den 20- bis 30-Jährigen nichts anderes übrigbleibt, als in Scharen aus dem Land zu fliehen und anderswo ihr Glück zu suchen.

Die Antwort auf die Frage nach den Finanzen für die verkitschte Historisierung einer Kapitale war schnell gegeben. Was dabei veruntreut oder verschwendet wurde, hat in jahrelanger Sisyphusarbeit eine Sonderkommission der Generalstaatsanwaltschaft (SJO) herausgefunden. Dazu veröffentlichte das Portal für investigativen Journalismus OCCRP jüngst ein Exzerpt aus der Anklageschrift gegen Ex-Regierungschef Gruevski (er regierte das Land von 2006 an elf Jahre lang) sowie fünf seiner Mitarbeiter. Was in diesem Dossier zu lesen ist, offenbart, was jeder kritisch denkende Bewohner des Landes schon immer wusste, in seiner Größenordnung aber kaum abschätzen konnte: „Skopje 2014“ war ein riesiges Geldwäscheprojekt und diente hauptsächlich dazu, die Verbindungen zwischen Politik und Geschäftswelt zu zementieren.

Glanzstück des damaligen Bauwahns war der Sitz der Partei VMRO-DPMNE, der sogenannte „Weiße Palast“, ein neunstöckiger Zuckerbäckerbau mit Türmchen. Wie die Ermittlungen der SJO zeigten, wurde dieses Gemäuer von einem privatisierten Unternehmen erbaut, das schon jahrelang den Zuschlag für staatliche Bauaufträge erhalten hatte.

Exil bei Viktor Orbán

Als Eigentümer firmiert Mincho Jordanov, einer der reichsten Geschäftsmänner Nordmazedoniens, dem neben jener Baufirma auch ein Stahlwerk, die älteste Tageszeitung des Landes, Nova Makedonija, ein Krankenhaus und ein Weingut gehören. Jordanov zeigte sich stets erkenntlich, wenn der Staat ihm gewogen war, rang sich zu einem Preisnachlass von 6,9 Millionen Euro für das bewusste Parteigebäude durch und ließ der VMRO-DPMNE eine Spende von 2,1 Millionen Euro zukommen. Im Gegenzug erhielt er mit den Jahren weitere gut dotierte Aufträge für das „Skopje 2014“-Projekt.

Im Vorjahr geriet die inzwischen abgelöste Regierungs- und Staatspartei in Finanznöte und wollte prompt ihren überdimensionierten Parteisitz verkaufen. Was wiederum die Staatsanwaltschaft veranlasste, diesen Bau wie 69 weitere Immobilien zu beschlagnahmen. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, da Nikola Gruevski wegen Amtsmissbrauchs bereits zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden war, lediglich der erste Richterspruch in einer Reihe von Gerichtsverfahren, denen sich der Ex-Premier und einige seiner Minister und Mitarbeiter zu stellen hatten. Zur Anklage gebracht wurden Korruption, Wahlbetrug und das illegale Abhören von Oppositionspolitikern. Als diese Vergehen ruchbar geworden waren, hatte Gruevski Ende 2016 zurücktreten müssen. Tagelange Massenproteste und die sogenannte „Bunte Revolution“ ließen ihm keine Wahl. Eine Haftstrafe freilich trat er nie an. Im November 2018 gelang ihm auf undurchsichtigen Wegen die Flucht nach Ungarn, wo ihm Ministerpräsident Viktor Orbán Asyl gewährte.

Heute reklamiert die Sozialdemokratische Liga Nordmazedoniens (SDSM) mit ihrem Ministerpräsidenten Zoran Zaev den Bruch mit einer misslichen Vergangenheit. Wer ernsthaft glaubte, nun habe es sein Bewenden mit der ausufernden Korruption, sah sich getäuscht. Zaev muss sich inzwischen ebenfalls vor Gericht verantworten, weil er als Bürgermeister Bestechungsgelder in Höhe von 160.000 Euro angenommen haben soll. Fast zeitgleich mit der Anklage gegen Zaev publizierte die investigative Organisation Scoop eine Auflistung der Besitztümer aller Politiker, die zeigt, dass die sieben reichsten Minister – auch Zaev ist darunter – zusammen 35 Millionen Euro besitzen und Immobilien, Ländereien, Kunst und teure Autos ihr Eigen nennen. Angeführt wird das Ranking von Vizeregierungschef Kocho Angjushev, der 2018 vor einem niederländischen Gericht erscheinen musste, als ihm von einem großen Unternehmen die illegale Aneignung von Boden vorgeworfen wurde. Gemeinsam mit dem israelischen Geschäftsmann Beny Steinmetz soll er Landbesitz jener Firma in Nordmazedonien widergesetzlich konfisziert haben. Dabei war Steinmetz den Gerichten kein Unbekannter. Der schwerreiche Unternehmer saß bereits in seiner Heimat Israel wegen Schmiergeldzahlungen im Gefängnis, hatte er sich doch in Guinea den Zugriff auf Rohstoffe sichern wollen. Mit anderen Worten, die zweifelhafte Reputation seiner Politiker dürfte Nordmazedonien auf Jahre in die Warteschleife der EU verdammen.

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