Organisierte Kriminalität gibt es ja in vielen Bereichen. Deutsche Mercedes landen in Osteuropa, umgekehrt osteuropäische Mädchen in deutschen Bordellen, illegal geschlagenes rumänisches Holz bei schwedischen Möbelherstellern, Elfenbein in China und Drogen fast überall. Dass es aber selbst die Vanille treffen würde, jene dunkle Schote wohlriechenden Inhalts – wer hätte sich das denken können? Höchstens vielleicht Dr. Oetker, denn dessen Vanillin-Zucker kommt ja schon immer fast ohne Vanille aus.
Rund um die Pflanze, eine Orchideenart, spielt sich seit drei Jahren auf Madagaskar ein echter Umweltkrimi ab. Die ostafrikanische Insel ist der größte „Erzeuger“ von Vanille, fast 80 Prozent der Weltproduktion werden dort jedes Jahr geerntet. Ein Kilo der aromareichen Pflanze erbringt fast 700 Euro. Genauso viel wie Silber. Ein lukratives Business.
Schauplatz des organisierten Vanille-Verbrechens ist die Region Sava im Nordosten der Insel, wo 99 Prozent der Bevölkerung vom Vanille-Anbau und -Vertrieb leben. Im Kampf der Vanille-Bauern gegen die Diebe hat es bereits einige Tote gegeben, offenbar auf beiden Seiten. Bauern wurden erschossen, Diebe gelyncht. Um ihre Ernte zu schützen, engagierten die Bauern schließlich Wachpersonal und zahlen dafür rund 100 Euro pro Monat.
Doch in dem Konflikt geht es nicht nur um die Vanille. Die Banden haben es auch auf Palisanderholz abgesehen. Die Bäume aber sind vom Aussterben bedroht. Weil Vanille bargeldintensiv ist, werden beide Geschäfte miteinander vermischt, das eine deckt das andere. Geldwäsche und Erpressung blühen. Inzwischen ist auf der Insel der Export von Palisander verboten und Madagaskars Regierung versprach, mit aller Macht gegen Umweltkriminalität vorzugehen. Es fehlt ihr indes an Personal, zudem ist die Region waldig und bergig und eine flächendeckende Observation kaum möglich.
Aus Frustration oder um die Kosten für das Wachpersonal zu decken, bauen viele Bauern nun auch Cannabis an. Das ist auf der Insel zwar illegal, aber mit Blick auf die Zukunft vielleicht ebenso profitabel wie Vanille. Allerdings erwachsen so neue Probleme im Bereich der Kriminalität, denn auch hier versuchen Gangs, das Geschäft zu übernehmen. Außerdem trägt der Anbau zur Entwaldung bei. Umweltschützer beklagen, bereits 80 Prozent der Madagaskar-Wälder seien abgeholzt, das Land habe die höchste Entwaldungsrate der Welt, woraus wiederum große Verluste von Biodiversität folgten. Anzunehmen, dass auch diese Entwaldung von kriminellen Strukturen vorangetrieben wird. So bedingt eines das andere, wobei leicht der Überblick verloren geht, wie genau eigentlich. Es ist also nur klug, dass Dr. Oetker sich raushält und seinen Zucker mit Aromastoffen produziert.
Das Nebeneinander von Vanille und Cannabis jedoch wirft eine Frage auf: Was geschieht, wenn auch hier beide Geschäftszweige verknüpft werden? Wenn, vielleicht aus Versehen, im Vanillepulver auch Cannabis landet. Getrocknet und fein zermahlen? Coca-Cola ist einer der größten Abnehmer der Madagaskar-Vanille. Und macht das Getränk nicht auch irgendwie high?
Kommentare 7
"Das Nebeneinander von Vanille und Cannabis jedoch wirft eine Frage auf: Was geschieht, wenn auch hier beide Geschäftszweige verknüpft werden? Wenn, vielleicht aus Versehen, im Vanillepulver auch Cannabis landet. Getrocknet und fein zermahlen? Coca-Cola ist einer der größten Abnehmer der Madagaskar-Vanille. Und macht das Getränk nicht auch irgendwie high?"
Danke Andrea Jeska, für Ihren wertvollen Beitrag,
Vanille ist ein sehr begehrtes auch suchtaffines Gewürz. Ich liebe es. Mit der Abholzung der Wälder und dem dadurch verändertem Klima sind auch die Wachstumbedingungen für die Vanille ungünstig geworden. Es wird jährlich weniger geerntet, bei steigender Nachfrage. So wundert es nicht, dass Rivalitäten mit Gewalt ausgetragen werden.
Mit dem Cannabis Business können vielleicht kurzfristig verloren gegangene Margen ersetzt werden, aber es wird den Bauern jedoch keine Alternative bringen. Es gibt schon einen gewaltigen Markt für Cannabis. Und weil immer mehr Länder die hohe Nachfrage mittels nationaler Legalisierung selber bedienen wollen, wird der Schwarzmarkt zunehmend ausgetrocknet. Zumal das Kraut überall gedeiht ist der Eigenbedarf dort ja wenigstens gesichert, aber trotzdem sollte für die Bauern in Madagaskar ein anderer Weg beschritten werden. Es geht darum die Diversität zu fördern bzw zu erhalten.
"Und macht das Getränk nicht auch irgendwie high"
Nicht nur irgendwie, sondern enorm high, ist sonst allerdings keine Droge an der man sterben kann. Die Gefahr auf Madagaskar sehe ich eher darin, dass rivalisierende Banden das noch lukrativere Business mit Kokain (das ist der Renner unter den Drugs, derzeit) an sich ziehen und damit eine Welle der Gewalt auf der Insel inszenieren. Wie es sich in Kolumbien als auch Mexiko seit vielen Jahren so darstellt.
"Coca Cola ist einer der grössten Abnehmer der Madagaskar-Vanille."
Ja Coca Cola bastelt seit einiger Zeit daran, eine (CCC) Cannabis Coca Cola auf den Markt zu bringen.
ade
Meines Erachtens nach, sind Pflanzen wertvoller als alles Gold der Welt. Unser Leben hängt unmittelbar von diesen Geschöpfen ab. Überall auf der Welt geht es unseren pflanzlichen Freunden an den Kragen. Bevor die Menschen überhaupt diese Lebewesen kennen- und schätzen gelernt haben. Damit verschwinden die Geheimnisse der Natur für immer. Das ist der eigentliche Verlust für uns Alle.
Das macht traurig
Wirklich traurig ist das, u n d ein weiteres Armutszeugnis dieses Welt- und Wertesystems, unseres kurzfristigen partikularen und materiellen Denkens und Handelns, und der scheinheiligen Anteilnahme dafür verantwortlicher Regierungen, Ministerien und Handelsbeauftragter.
Und das wird ins Auge gehen - eher früher als später...!
Zitat: "Meines Erachtens nach, sind Pflanzen wertvoller als alles Gold der Welt."
Da ist was dran, wenn man bedenkt, dass im Gold fast keine Nährstoffe enthalten sind.
In Abwandlung eines Spruches aus den 1970er und 1980er Jahren könnte man auch sagen: Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Gold zwar essen kann, aber trotzdem verhungert.
Vielen Dank für diesen Artikel, Andrea Jeska.
Man sollte dieses Geschehen einmal über mehrere Jahre exemplarisch weiterverfolgen, und alle Teilaspekte ausloten.
Kommt die Madagaskar-Vanille nicht aus Zentral-Amerika?
Was geschah, damit Madagaskar eine solche Bedeutung im Vanille-Anbau gewann?
Wie sind die Verhältnisse zwischen Produzent und Händler geregelt?
Wo und wer sind die Landbesitzer?
Wie werden Landbau-Produkte aus Madagaskar weltweit finanziert und vermarktet?
Was sind die Gründe für die enorme Preissteigerung der letzten Jahre?
Was ist mit dem Palisander passiert?
Was, konkret, sind die angedeuteten ökologischen Folgen im Norden des Landes?
Was ist im Norden anders, oder gleich, wie im Süden? Gibt es da Zusammenhänge?
... nur laut gedacht.
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… wir lagen vor Madagaskar, und hatten die Pest an Bord …
"Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Gold zwar essen kann, aber trotzdem verhungert."
Richtig, in dem Buch "Bury my heart at Wounded Knee" heisst es:
"Erst wenn der letzte Wald gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann!"
Dee Brown (Weissagung der Cree)
lg
Schönes Bild von der Vanilleernte. Einen Zusammenhang von Vanille und Holz, Cannabis, Dr.Oetker bis hin zu Coca Cola herzustellen finde ich aber sehr seltsam. Die Autorin hat meines Erachtens kein wirkliches Verständnis von den Verhältnissen in Madagaskar und dem Handel der verschiedenen Güter.