Klempner Karls imperiale Hegemonie ist vorbei

Zwischen Durban und Dakar Unsere Autorin begrüßt Ruandas Importverbot für Second­-Hand­-Kleidung
Ausgabe 26/2019
Einer der wenigen übrigen Märkte in Kigali, Ruanda, die noch importierte Altkleider verkaufen
Einer der wenigen übrigen Märkte in Kigali, Ruanda, die noch importierte Altkleider verkaufen

Foto: Jaques Nkinzingabo/AFP/Getty Images

In Ostafrika tragen die Leute T-Shirts, auf denen steht „Komm zu Klempner Karl, das ist die beste Wahl“, „Meine Frau weiß alles“, „Weltbester Liebhaber“ oder „Ich küsse keine Frösche“. Aus Deutschlands Altkleidersammlungen geraten solche Sujets auf die Märkte hier.

Doch im ostafrikanischen Staat Ruanda droht solch Heiterkeiten ein baldiges Ende. Als erstes und bislang einziges Land auf dem afrikanischen Kontinent hat Ruanda die Einfuhr von Second-Hand-Kleidung verboten, um den örtlichen Textilsektor zu schützen.

Eine gute Entscheidung. In Ostafrika, so hat eine amerikanische Studie ergeben, tragen 80 Prozent der Bewohner Altkleider aus Europa oder Amerika. Die Überschwemmung der Märkte hat in vielen Ländern die einheimische Textilbranche zerstört, nicht nur die mittelständischer Unternehmen, wie etwa in Simbabwe und Ghana. Abertausende von Afrikanern verdienen ihr Geld mit kleinen Nähstuben. Die getragene Fertigware aus Europa ist für sie eine Existenzbedrohung.

Auch Kenia, Uganda und Tansania, die Ruanda benachbarten Länder, wollten sich dem Verbot anschließen, machten jedoch einen Rückzieher, als US-Präsident Donald Trump ihnen mit Ausschluss aus dem Wirtschaftsabkommen AGOA drohte. Nur Ruanda blieb stur, nahm den Ausschluss hin. „Es ist auch eine Frage der Würde“, sagte Präsident Paul Kagame.

Kagame rief schon vor Jahren die „Made in Rwanda“-Initiative ins Leben, mit der er zum einen den Nationalstolz stärken, zum anderen die Wertschöpfungskette im Lande belassen will. Es ist sein Versuch, aus den Zwängen auszusteigen, die Globalisierung und vom Westen dominierte Handelsbedingungen den afrikanischen Ländern auferlegen.

In der Folge ließen sich in der Hauptstadt Kigali viele junge Designer nieder, produzierten Kleidung und Taschen. Diese aber werden hauptsächlich von Touristen gekauft. Junge Geschäftsmänner wie Eric Uwimana, der einen Job bei einem Telefonanbieter hat, wollen lieber Schuhe von Nike und Hemden von Boss. Auch seine Schwester, die in einem Büro arbeitet und dort Karriere machen möchte, will nicht auf ihre Second-Hand-Gucci-Tasche verzichten.

Auf dem Markt von Nymirambo, Kigalis wuseligstem Stadtteil, wo gebrauchte Kleidung auf großen Stapeln liegt und man ein T-Shirt für einen Euro, eine Jeans für drei und Sneaker für zehn Euro kaufen kann, sehen die Verkäufer das Verbot ebenfalls skeptisch. Die meisten „Made in Rwanda“-Stücke hätten nicht die Qualität und nicht den modernen Chic der westlichen Kleidung. Außerdem seien sie teurer. Niemand dort kann sich vorstellen, dass ein Verbot die Nachfrage vermindert. Wenn sie ihre Waren nicht mehr in Ruanda kaufen könnten, dann führen sie eben in die Nachbarländer und kauften da, sagen die Händler.

Ruandas Regierung will nun eine Sonderwirtschaftszone schaffen. Dort produzierte Textilien dürfen zollfrei ausgeführt werden. Ob diese Entscheidung dem Wunsch nach Selbstbestimmtheit entspringt, ist jedoch fraglich. In der Zone siedelt sich auch ein großes chinesisches Textilunternehmen an.

Andrea Jeska, Trägerin des Theodor-Wolff-Preises, veröffentlicht u. a. im Freitag Reportagen aus aller Welt

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