In Ostafrika tragen die Leute T-Shirts, auf denen steht „Komm zu Klempner Karl, das ist die beste Wahl“, „Meine Frau weiß alles“, „Weltbester Liebhaber“ oder „Ich küsse keine Frösche“. Aus Deutschlands Altkleidersammlungen geraten solche Sujets auf die Märkte hier.
Doch im ostafrikanischen Staat Ruanda droht solch Heiterkeiten ein baldiges Ende. Als erstes und bislang einziges Land auf dem afrikanischen Kontinent hat Ruanda die Einfuhr von Second-Hand-Kleidung verboten, um den örtlichen Textilsektor zu schützen.
Eine gute Entscheidung. In Ostafrika, so hat eine amerikanische Studie ergeben, tragen 80 Prozent der Bewohner Altkleider aus Europa oder Amerika. Die Überschwemmung der Märkte hat in vielen Ländern die einheimische Textilbranche zerstört, nicht nur die mittelständischer Unternehmen, wie etwa in Simbabwe und Ghana. Abertausende von Afrikanern verdienen ihr Geld mit kleinen Nähstuben. Die getragene Fertigware aus Europa ist für sie eine Existenzbedrohung.
Auch Kenia, Uganda und Tansania, die Ruanda benachbarten Länder, wollten sich dem Verbot anschließen, machten jedoch einen Rückzieher, als US-Präsident Donald Trump ihnen mit Ausschluss aus dem Wirtschaftsabkommen AGOA drohte. Nur Ruanda blieb stur, nahm den Ausschluss hin. „Es ist auch eine Frage der Würde“, sagte Präsident Paul Kagame.
Kagame rief schon vor Jahren die „Made in Rwanda“-Initiative ins Leben, mit der er zum einen den Nationalstolz stärken, zum anderen die Wertschöpfungskette im Lande belassen will. Es ist sein Versuch, aus den Zwängen auszusteigen, die Globalisierung und vom Westen dominierte Handelsbedingungen den afrikanischen Ländern auferlegen.
In der Folge ließen sich in der Hauptstadt Kigali viele junge Designer nieder, produzierten Kleidung und Taschen. Diese aber werden hauptsächlich von Touristen gekauft. Junge Geschäftsmänner wie Eric Uwimana, der einen Job bei einem Telefonanbieter hat, wollen lieber Schuhe von Nike und Hemden von Boss. Auch seine Schwester, die in einem Büro arbeitet und dort Karriere machen möchte, will nicht auf ihre Second-Hand-Gucci-Tasche verzichten.
Auf dem Markt von Nymirambo, Kigalis wuseligstem Stadtteil, wo gebrauchte Kleidung auf großen Stapeln liegt und man ein T-Shirt für einen Euro, eine Jeans für drei und Sneaker für zehn Euro kaufen kann, sehen die Verkäufer das Verbot ebenfalls skeptisch. Die meisten „Made in Rwanda“-Stücke hätten nicht die Qualität und nicht den modernen Chic der westlichen Kleidung. Außerdem seien sie teurer. Niemand dort kann sich vorstellen, dass ein Verbot die Nachfrage vermindert. Wenn sie ihre Waren nicht mehr in Ruanda kaufen könnten, dann führen sie eben in die Nachbarländer und kauften da, sagen die Händler.
Ruandas Regierung will nun eine Sonderwirtschaftszone schaffen. Dort produzierte Textilien dürfen zollfrei ausgeführt werden. Ob diese Entscheidung dem Wunsch nach Selbstbestimmtheit entspringt, ist jedoch fraglich. In der Zone siedelt sich auch ein großes chinesisches Textilunternehmen an.
Kommentare 5
es fehlt die historische parallele zum weber-aufstand,
wo das proto-industrielle gewerbe unter den druck der
groß-kapitalen export-wirtschaft geriet
(damals die engl.textil-industrie vs. schlesische weber)
die nur-nationalen zoll-barrieren heute
bedeuten auch teuerungen für die armen,
die der kleidung bedürfen.
die bildung größerer eigenständiger wirtschafts-räume in afrika
bleibt not-wendig.
liebe A.J. ,als trägerin des T-W-P
ist Ihnen schleuniges dazu-lernen zu wünschen.
Die realität ist - wie fast immer - komplexer als ein kleiner artikel zu fassen vermag - das sei ausdrücklich zugestanden...
Aber solche aussagen wie "dort produzierte Textilien dürfen zollfrei ausgeführt werden" lassen doch ein erhebliches missverständnis der lage offenbar werden. Denn es geht doch nicht um die zollfreie ausfuhr, sondern um die zollfreie einfuhr in den ländern, in denen die von chinesischen firmen in Rwanda produzierten textilen abgesetzt werden sollen! Und da spielt AGOA schon eine rolle, weil die "strafen" Trumps genau das, den zollfreien zutritt zum US-markt, verhindern werden.
Auch geht es den afrikanier*innen nicht anders als den sachsen*innen - die letzteren fahren über die grenze nach Tschechien und kaufen dort nachgemachte markenware zu erschwinglichen preisen - und warum soll es die afrikaner*in anders machen? Der schein bestimmt in dieser gesellschaft, wer mensch ist - nicht umsonst ist theaterspielen für die abi-note heute wichtiger als die noten in mathe oder physik...
*****!
Anzufügen wäre nur noch, dass ein wirtsch. Erfolg chin. Export-Textilproduktion in Ruanda von der Abschottung der Altkleiderimporte zunächst ziemlich unabhängig sein dürfte. Ob die Trump-Strafen wegen dem Altkleider-Verbot ausgesprochen wurden bleibt ohne Beleg oder auch nur belegähnlichem Hinweis.
Hingegen ist bekannt, dass ausländische Industrien in - gegenüber entwickelten Ländern einfuhrzollbefreiten - Entwicklungs- u. Schwellenländern ihre Produktion aus nicht-befreiten Ländern gern über solche Länder "ziehen", um die für sie eigentlich geltenden Einfuhrzölle zu umgehen. Das zu verhindern setzt ein kompliziertes System der Kontrollen voraus, in dem "Ursprungszeugnisse", die den Grad der Wertschöpfung im Land, aus dem importiert wird, in Relation zum endlichen Exportgut bezeichnen, qua Prüfungen eine m. o. w. valide Bedeutung haben.
Zu oft haben sich solche scheinbar gut begründeten Beschränkungen/Verbote - nicht nur, aber besonders - in Afrika lediglich als neue Pfründe für Korruption, Schmuggel usw. entpuppt, - ohne je die angestrebte wirtschaftliche Wirkung zu entfalten. Und das Autarkie-Modell - jeder spinne, webe, nähe, färbe sich sein Zeug selber, errichte große Tierhaltungen zu seiner Ernährung, Faserproduktion usw. - hat sich von der Individual- bis zur Staats-Ebene eben nicht bewährt bzw. ist illusionär ...
So war die zollfreie Einführ von Hühnerresten nach Westafrika/Ghana mitnichten europ. "Bedingung" in den Verhandlungen zur Freistellung von Importzöllen westafrik. Waren, sondern ein als Entgegenkommen verkauftes Angebot Ghanas, das andernfalls sich einer erheblichen Teuerung, Mangel und den entsprechenden Aufständen/Abwahlen der Regierung/ gegenüber gesehen hätte.
Den – mittels lustiger Zitate zur Allgemeinerscheinung deklarierten – schlechten Geschmack, den deutsche Spender(innen) nach Ostafrika transferieren (und den dort »die« – also wohl alle ?? – Leute tragen) mal außen vor gelassen: Wem ist mit einem Importverbot geholfen – wenn die Autorin selbst schreibt, dass die heimische Textilproduktion nicht (bzw. nur von Touristen) nachgefragt wird und die Menschen vor Ort stattdessen heiß sind auf westliche Markenware?
Offensichtlich ist die Problemlage nicht ganz so einfach. Abkapseln und lokale Eigenproduktion mögen zwar ihren Teil zur politischen Sinnstiftung westlicher Antikolonialist(inn)en beitragen. Dass dieser Form der Abkoppelung von Weltmarkt wenig Glück beschieden sein wird und sie im schlimmsten Fall eine bekleidungstechnische Zwei-Klassen-Gesellschaft produziert (wobei die Bessergestellten auf OK-Imitate oder echte Markenartikel für teuer Geld umswitchen, während die Masse der Bevölkerung mit der minderwertigen heimischen Ware vorlieb nimmt), scheint mir bei dem Ganzen ausgemacht.