Nimm´s leicht

MEISTER RORTY Wie der gottlose Philosoph die Theologen ehrt

Er macht uns ratlos, dieser Mann. Die wichtigsten philosophischen Themen hat er am Wickel: Wahrheit, Vernunft, Sprache, Werte, Gemeinschaft - und immer, wenn es für andere schwierig wird, ist es für ihn ganz einfach. Richard Rorty, der in den letzten Wochen mit etlichen Vorträgen Berlin bereiste, wird als einer der derzeit bedeutendsten amerikanischen Philosophen gehandelt. Manchen in der Zunft allerdings gilt er als Windei, weil er Romane für genauso wichtig hält wie den theoretischen Traktat.

Rorty kehrt im Augiasstall der Philosophen die letzte Reste von Theologie und Metaphysik aus, er tut es unaufgeregt, gleichsam freundlich und mit ruhiger Hand, ohne die große Rebellengeste. Absolute Wahrheit, sagt er, gibt es nicht, von Begründungsansprüchen sollten wir uns verabschieden, Rationalität besteht höchstens innerhalb einer Sprachgemeinschaft, daher können wir mit der Kraft des Arguments andere nicht zwingend überzeugen, höchstens verführen können wir.

Die Auffassung, dass es keine absolut begründbaren Werte gebe, ist gegenwärtig auch für Rorty auf die Probe gestellt. Nach dem 11. September hatte er - der Linksliberale - Befürchtungen über einen "John-Wayne-Machismo" der USA geäußert und die mangelhafte Informationspolitik unter der Bush-Regierung scharf kritisiert. Gleichzeitig aber kam es bei einer Diskussion an der Berliner Schaubühne einem kleinen Skandal gleich, als Rorty zugab, er glaube nicht, dass der Westen von den anderen Kulturen etwas lernen könne. "Unser Ziel", sagte er, "sollte es vielmehr sein, den Planeten zu verwestlichen." Das hätte man von dem gemütlichen Pluralisten nun doch nicht erwartet.

Eigenartig mutet an, dass Rorty offenbar die Seiten trennt und das amerikanische Vorgehen als innenpolitisches kritisiert, aber außenpolitisch für tolerabel hält, eigenartig mutet auch die imperiale Geste an. Mit welcher Begründung würde der Relativist den Export der westlichen Werte fordern können? Rorty aber denkt anders, er will nicht in einem strengen Sinne begründen, er hält, so scheint es, Kultur nicht für ein politische Kategorie und muss sich als Pragmatist ja auch nicht alles gefallen lassen. "Multikulturalismus", sagt er, sei "ein akademisches Phänomen", man müsse andere Kulturen nicht notwendig respektieren. Ende der Durchsage. Wenn irgendetwas an dem Mann verblüfft, dann ist es die Coolness, mit der er theoretisch verzwickte Fragen beantwortet - take it easy. Man kann sich diesen weißhaarigen Philosophen mit der quadratischen Brille im nahezu quadratischen Gesicht nur zu gut im Gartenstuhl vorstellen, in kurzen Hosen, oder gemütlich am Ranchzaun Blumen gießend.

Nun hat Rorty am vergangenen Montag den erstmals von der "Identity Foundation" gestifteten Meister-Eckhart-Preis erhalten. Hinter der gemeinnützigen Stiftung steckt eine Unternehmensberatung und der mit 50.000 Euro üppig dotierte "Prestige-Preis", soll künftig alle zwei Jahre vergeben werden. Beim Festakt mühten sich die Laudatoren redlich - einschließlich Jürgen Habermas -, Unterschiede und Gemeinsamkeiten des Mittelaltermystikers Eckhart mit dem Atheisten Rorty zu konstruieren. Doch der einzige, der wirklich elegant mit der ungleichen Brüderschaft umgehen konnte, war Rorty selbst. Was andere in eine Schublade zu zwängen suchen, steckt er in zwei, das ist sein Trick und so kann Unvereinbares nebeneinander gut bestehen. Der Preisträger ergriff den Anlass, über die Religion zu sprechen. Er vertrat einerseits die Auffassung des politischen Säkularisten, dass kirchliche Einrichtungen demokratische Gesellschaften gefährden, "und zwar so sehr, dass es am besten wäre, wenn sie endlich verschwinden würden". Unter schärfste Polemik fiel auch die neue "christliche Nation" Amerika.

Andererseits aber schloss Rorty Frieden mit einer an Gianni Vattimo orientierten "privatisierten Religion". Theismus und Atheismus - sie sind in diesem Sinne keine relevanten Gegensätze mehr, und die Rede endete mit der Idee einer "globalen Zivilisation, die mehr oder weniger ausschließlich unter dem Gebot der Liebe steht." Da haben wir sie, Atheisten und Theologen, Richard Rorty und Meister Eckhart - oder George Bush und Osama bin Laden? - die sich als Nachbarn beim Blumengießen tolerant und freundlich grüßen. Obwohl sie einander nie verstehen werden. Eine eigenartig schöne Vorstellung.

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