Bitte recht kreativ!

Bildergalerie Andrea Stappert fotografiert seit über 25 Jahren Künstler und hält damit ein Stück Kunstgeschichte fest. Begonnen hat alles mit ihrer Freundschaft zu Martin Kippenberger

Meine Arbeit ist es, Menschen mit der Kamera zu porträtieren – ich selbst lasse mich aber nie fotografieren. Ich finde es extrem unangenehm, wenn sich eine Kamera auf mich richtet. Freunde von mir sagen oft: „Gibt es wirklich kein Bild von dir? Lass endlich mal eins machen.“ Bisher ist es mir nicht gelungen, diese Abneigung zu überwinden.

Es mag komisch klingen, aber meine eigene Scheu vor der Kamera hilft mir bei meiner Arbeit. Weil ich dadurch einen großen Respekt davor habe, wenn sich jemand fotografieren lässt. Ich weiß, was es bedeutet, bei einem Porträt Nähe zuzulassen und sich zu öffnen. Dass ich mir dessen bewusst bin, vermittle ich meinem Gegenüber mit meiner Haltung, ohne dauernd explizit darüber zu sprechen.

Wenn ich mich mit jemanden treffe, um ihn zu porträtieren, geht es mir um die Auseinandersetzung, die in den zwei, drei Stunden stattfindet, in denen das Bild entsteht. Ich versuche, die Künstler aus ihren Ateliers zu locken und sie draußen in Bewegung zu bringen. Ich möchte, dass etwas passiert – etwas, das mein Gegenüber vielleicht auch überrascht. Wenn wir unterwegs sind, entscheide ich dann intuitiv, wann der richtige Moment zum Auslösen gekommen ist.

Bei einem guten Porträt geht es nicht darum, dass es ein „schönes Bild“ ist, dass die Person im technisch-fotografischen Sinne gut getroffen ist, sondern es geht um Wahrhaftigkeit – auch wenn das ein großes Wort ist. Das Foto muss das Wesen einer Person erfassen. Gleichzeitig hat ein gutes Porträt viel mit mir als Fotografin zu tun. Es zeigt meine persönliche Sicht auf die Person, das Ergebnis unserer Auseinandersetzung. Ich achte bei einem Porträt auch darauf, dass es immer etwas gibt, dass die Fotografierten bei aller Offenheit noch schützt. Dass ihnen auch noch ein Geheimnis bleibt, damit die Bilder nicht einfach konsumierbar werden. Sie sollen auf keinen Fall konsumierbar sein.

Intuition, Zufälle und Fehler

Ich wusste lang nicht, ob ich mich selbst als Fotografin sehe. Mit der Kamera bin ich Autodidaktin. In Hamburg habe ich Malerei studiert, aber als ich 1985 mit dem Studium fertig war, zweifelte ich, ob ich es aushalten würde, als Malerin zu leben – immer nur aus mir selbst heraus zu schöpfen, allein im Atelier zu arbeiten. Ich hatte das Gefühl, dass ich noch Zeit brauchte, um herauszufinden, was ich wirklich machen wollte. Dafür suchte ich die Nähe von anderen Künstlern. Deswegen zog ich nach Köln. Die Stadt war zu der Zeit der Ort, an dem sich Künstler trafen – so wie das heute Berlin ist.

Ich war erst wenige Tage in Köln, als ich Martin Kippenberger abends in einer Bar kennenlernte. Er war schon relativ bekannt, aber es gab bei weitem noch nicht diesen Hype um ihn, der nach seinem frühen Tod einsetzte. Er bat mich damals, ihn doch in seinem Atelier zu besuchen. Wir wurden Freunde. Kippenberger wollte sein Leben dokumentieren, deswegen forderte er mich auf, ihn zu fotografieren. Und so entstanden meine ersten Bilder von ihm.

Manche sagen heute, die Kippenberger-Porträts seien Ikonen geworden. Wenn das so ist, dann ist das etwas, was die Zeit mit diesen Bildern gemacht hat. Daran dachte ich damals, als sie entstanden, keine Sekunde. Meine Arbeit wurde durch die Kippenberger-Porträts zwar sehr bekannt, aber sie standen mir lange auch im Weg, weil ich immer nur mit Kippenberger assoziiert und auf diese Bilder festgelegt wurde. Ich musste mich davon erst mühsam wieder frei machen.

Meine Arbeit hat viel mit Intuition, nicht abzusehenden Zufällen und auch möglichen Fehlern zu tun, die ich dann gerne in meine Arbeit integriere. Im Gegensatz zur digitalen Fotografie habe ich mit meiner analogen Kamera keine wirkliche Kontrolle über das, was geschieht. Erst im Labor sehe ich die Ergebnisse. Ob ‚es‘ dabei ist, ob ich diesen besonderen Augenblick eingefangen habe, sehe ich dann erst auf den Kontakten. Das ist wohl der aufregendste Moment, weil es wieder um das Finden geht und um die Intuition das möglichst Authentischste herauszufiltern. Auf diesen Prozess würde ich nur sehr ungern verzichten. So kann ich mich immer ein bisschen selbst überraschen.

Protokoll: Jan Pfaff

Andrea StappertUnder the Radar Kerber Verlag 2011, 240 S., 58

Mehr unter: andrea-stappert.com

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