Keine andere Pflanze hat die Landschaft der mittelamerikanischen Nation Costa Rica so sehr verändert wie der Bananenbaum. Wo einst tropischer Regenwald immer neue Pflanzenarten hervorbrachte, wachsen heute nur noch Bananen. Ehemalige Brutgebiete großer Vogelschwärme sind zu öden Steppen verkommen. Korallenriffs, in denen sich früher bunte Fischschwärme tummelten, sind pestizidverseucht.
Das kleine Land ist nach Ecuador der zweitgrößte Bananenexporteur der Welt. Seit 1982 fördert die Regierung im Rahmen einer vom Internationalen Währungsfonds verordneten Strukturanpassung eine Ausweitung der Plantagenproduktion. Die Kreditvergabe an Kleinbauern wurde eingestellt und der Bewegungsspielraum der Gewerkschaften vermindert. Gleichzeitig haben die großen Fruchtkonzerne in der Provinz Limón die letzten Ländereien gekauft, die noch im Besitz kleiner und mittlerer Produzenten waren. Das Anbaugebiet der Monokultur ist an der Atlantikküste Costa Ricas von 37.000 Hektar auf 55.000 Hektar gewachsen - Millionen Bananenbäume in Reih und Glied, unterbrochen nur von Straßen, Arbeitersiedlungen und Verpackungshallen. Die Konzerne haben ihre eigene Welt geschaffen, in der die Natur im Dienst der Banane steht.
Auf Costa Ricas Bananenplantagen werden jedes Jahr pro Hektar durchschnittlich 45 Kilo Pestizide eingesetzt - mehr als zehnmal soviel wie in einem konventionellen deutschen Landwirtschaftsbetrieb. Einige der Gifte sind hierzulande verboten. Von dem übermäßigen Chemie-Einsatz profitiert auch die deutsche Industrie. Zum Beispiel hat die Firma Bayer jahrelang große Mengen der hochgiftigen Substanz Nemacur geliefert. Doch mit der Zeit werden viele Insektenarten resistent gegen die Schädlingsbekämpfungsmittel. Deshalb müssen immer neue Chemikalien eingeführt werden. Unbrauchbare Gifte verrotten in schlecht gesicherten Lagerhallen.
Die Plantagenarbeiter in Costa Rica kommen täglich mit den Pestiziden in Berührung. Der Pflücker Julian Obandos berichtet: »Das Zeug juckt furchtbar auf der Haut, die Augen schmerzen, und die Lippen brechen auf. Wenn du ordentlich Luft holst, wirst Du ganz rot im Gesicht, rot wie ein Krebs.« Julian Obando arbeitet in der Nähe von Siquirres, einem Ort, dessen Wirtschaft weitgehend von dem Geschäft mit der Banane abhängig ist. Auch die Bewohner der umliegenden Gemeinden sind den Chemikalien oft ungeschützt ausgesetzt. Bei ungünstigen Windverhältnissen werden die Gifte in die Küchen der Hütten geweht. Die Zahl der Fehlgeburten in der Region ist außergewöhnlich hoch. Die gesunde Frau Mari Cenid hat zwei kranke Kinder zur Welt gebracht. »Mein vier Jahre alter Sohn ist Epileptiker. Der andere, der Kleine, leidet unter chronischem Asthma. Seine Bronchien sind nicht in Ordnung. Der Doktor sagt, das läge an den Chemikalien.«
Der Lohn auf den Bananenplantagen ist im Vergleich zu anderen Bereichen der Landwirtschaft relativ hoch. Deshalb setzen viele Familien ihre Gesundheit aufs Spiel. Mari Cenid klagt: »Manchmal kommt mein Mann ganz blaß nach Hause und muß sich übergeben. Seine Vorgesetzten interessieren sich nicht für uns. Wenn die Flugzeuge das Gift versprühen, geben sie den Männern auf dem Feld nicht einmal Gesichtsmasken.«
Solche Anschuldigungen hält der Rechtsberater des Früchtekonzerns Dole, Juan Carlos Rojas, für übertrieben. Er versichert, sein Arbeitgeber habe für die Umweltverträglichkeit der Produktionsausweitung gesorgt: »In Bezug auf die Pflanzenschutzmittel arbeiten wir mit einer umweltfreundlichen Vorgehensweise. Wir haben alles absolut unter Kontrolle. Die Arbeiter wissen genau, wie sie die Substanzen zu behandeln haben.«
Doch das Trinkwasser in den Brunnen vieler Arbeitersiedlungen ist häufig so verseucht, daß es in Deutschland nicht einmal als Viehgetränk genutzt werden dürfte. Diese Umweltverschmutzung nehmen die Konzerne in Kauf, obwohl es durchaus möglich wäre, den Pestizideinsatz deutlich zu verringern. Das hat der deutsche Plantagenbesitzer Volker Ribniger eindrücklich bewiesen. Seine Finca »Río Sixaola« in der Region Talamanca ist mit zahlreichen Umweltpreisen ausgezeichnet worden. Eine der Änderungen zu dem üblichen Anbaustil ist, daß Volker Ribniger auf seinen 108 Hektar Land keine Unkrautvertilgungsmittel einsetzt. Die Kräuter und Blumen zwischen den Bananenpflanzen werden entweder mit der Machete geschnitten, oder sie wachsen einfach wild zwischen den Stauden.
Bis vor zwanzig Jahren war Volker Ribniger bei dem Pharmaunternehmen Merck in Darmstadt angestellt. Dann ist er ausgestiegen, um in Mittelamerika seine Vorstellungen alternativer Produktion in die Tat umzusetzen. Als Plantagenbesitzer ist ihm die Gesundheit seiner Angestellten wichtiger als der Profit. Deshalb verzichtet er auch auf die Anwendung von Nervengiften, mit denen die Pflanzen vor Wurzelfressern geschützt werden: »Mit den Nematiziden muß man sehr vorsichtig sein. Wir setzten sie überhaupt nicht ein, um jedes Risiko zu vermeiden. Aber was hat das für eine Folge? Auf unseren Feldern leben viele Fadenwürmer, und die sorgen für mindestens dreißig Prozent Ernteausfall.«
Bisher ist die Finca »Río Sixaola« mit ihren dreißig Angestellten ein reines Verlustgeschäft für Volker Ribniger. Im Laufe der Jahre mußte er einige seiner Vorstellungen korrigieren: »Heute weiß ich: Wenn man Bananen anpflanzen will, sollte man sich zuerst ein Schiff kaufen, auf das 150.000 Kartons passen. Wenn ich dann noch eine Finca mit 3.000 Hektar hätte, könnte ich das Schiff jede Woche beladen. Dann hätte ich einen richtigen Zyklus für das Bananengeschäft.«
Volker Ribniger hat es sich zur Aufgabe gemacht, Alternativen zu den Geschäftspraktiken der großen Konzerne aufzuzeigen. Chiquita, Dole und Del Monte kontrollieren siebzig Prozent des weltweiten Bananengeschäfts. Sie bestimmen die Preise, setzen Regierungen unter Druck und formulieren die Bedingungen in der Zusammenarbeit mit unabhängigen Produzenten. Doch das größte Hindernis für einen nachhaltigen Bananenanbau sieht Volker Ribniger nicht in der Macht der Multis, sondern in den Einstellungen der Verbraucherinnen und Verbraucher. »Sie wollen eine schöne, gelbe, makellose Banane. Die ist um den halben Erdball gereist, fünfzehn Tage lang auf dem Schiff, dreißigmal in die Hand genommen, und dann kommt der Verbraucher und sagt: 'Die hat aber 'ne Druckstelle'.«
Die meisten Bananen von Volker Ribnigers Plantage haben einen braunen Fleck. Das liegt daran, daß er seine heranwachsenden Bananen nicht mit blauen, von innen mit Insektiziden beschichteten Beuteln einhüllen läßt, sondern mit weißen Beuteln ohne Gifte. So kommen die Bananen mit vielen Insekten in Berührung, unter anderem mit den sogenannten Trips. Die stechen in die grüne Schale, so daß Latex ausläuft. Die weiße Flüssigkeit oxydiert an der Luft und wird braun. In diesem braunen Fleck sieht Volker Ribniger ein Zeichen für besondere Qualität und niedrigen Chemieeinsatz: »Ich glaube, in zehn Jahren haben wir es geschafft, daß alle Bananen einen Fleck haben. Aber dazu gehört eine Aufklärungskampagne. Wenn die Konzerne wollten, könnten sie dem Verbraucher mit ihren Werbemitteln ruckzuck klarmachen, was der Fleck bedeutet.«
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