Abstrakt apokalyptisch

Spielfilm Wie klug man von der deutschen Vernichtungsmaschinerie erzählen kann: László Nemes’ oscarprämierter „Son of Saul“
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 10/2016

Ob die Welt 31 Jahre nach Claude Lanzmanns Shoah, dem definitiven Zeugnis der industriellen Vernichtung der europäischen Juden, einen Film wie Son of Saul braucht – diese Frage ist durchaus berechtigt. Sind ästhetische und ethische Strategien überhaupt denkbar, die die Erfahrung der Shoah in eine dramaturgische Form überführen könnten? Und ist nicht jedes Bild, das sich nachfolgende Generationen von den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten zu machen versuchen, eine Anmaßung? Eine abschließende Antwort fällt auch nach der 107-minütigen Tour de Force, die der ungarische Regisseur László Nemes seinem Publikum zumutet, schwer. Sein Regiedebüt ist einer (auch formal) radikalen Blicklogik unterworfen; dafür gab es