Fuck Tati

Jenseits der Hügel beginnt in Cristian Mungius gleichnamigem Film eine andere Zeitrechnung. An diesen Ort hat sich die junge Voichita in ein Kloster zurückgezogen, das auch innerhalb der Kirche einen Außenposten besetzt. Die Isolation wird durch die Ankunft der Freundin Alina gestört. Beide Frauen sind als Waisen in derselben Familie aufgewachsen, doch ihre emotionalen Bezugspunkte haben sich zwischenzeitlich verschoben.

Für Voichita fungiert Tati, der „Vater“ ihrer ausschließlich weiblichen Klostergemeinschaft, als autoritäre Instanz. Alina hingegen ist so sehr auf ihre einzige Freundin fixiert, dass sie bald einen Nervenzusammenbruch erleidet. Die Pflege erweist sich als Herausforderung: Weil die Schwestern über keine Begriffe für Alinas instabilen mentalen Zustand verfügen, fällt das Urteil des „Vaters“ unmissverständlich aus: Es muss das Werk des Teufels sein. Alina ist besessen.

Daraus entsteht eine neue Dynamik. Während der „Vater“ das geistige Wohl seiner Gemeinde im Blick hat, wollen die Frauen Alina retten. Ihre Furcht vor den Mächten des Bösen und die apokalyptischen Prophezeiungen des „Vaters“ lassen die Gemeinschaft schließlich zu drastischen Mitteln greifen.

Jenseits der Hügel, Mungius dritter Film, ist das Komplementärstück zu seinem Abtreibungsdrama 4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage, für den er 2007 mit der Goldenen Palme in Cannes ausgezeichnet wurde. Beide Filme handeln – wie öfter im neuen rumänischen Kino – von Gesellschaftsentwürfen, die sich post-kommunistischen Begebenheiten anpassen müssen. Wo in 4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage bereits in den letzten Tagen Ceaușescus eine kapitalistische Ausbeutungslogik die Menschen zusammentreibt, greifen in Jenseits der Hügel moralische Kategorien nicht, weil die Menschen im Rahmen ihrer beschränkten Möglichkeiten nach bestem Gewissen handeln. Das Gesetz sieht für ein solches Fehlverhalten klare Richtlinien vor. Ein Filmemacher hat dagegen die Freiheit, den Begriff der Schuld in alle Richtungen zu wenden.