Gebrüll

Linksbündig Das Abendland schlägt zurück: Geert Wilders´ Internetfilm "Fitna"

Am Donnerstag letzter Woche, pünktlich zur Prime Time, ging die Bombe also hoch, die seit Monaten von der Öffentlichkeit abwechselnd mit gestresster Besorgnis oder gerechtem Furor antizipiert worden war. Der niederländische Parlamentarier und extrovertierte Islamkritiker Geert Wilders veröffentlichte sein knapp fünfzehnminütiges Amateurfilmchen Fitna im Internet und läutete so die nächste Runde der mancherorts bereits als "Wilders West Show" betitelten Farce ein. Seit Wochen war die niederländische Regierung damit beschäftigt, den Schaden einzudämmen, den die Ankündigung von Wilders Anti-Koran-Film international verursacht hatte. Ihren Diplomaten hatte sie sogar angeordnet, den geistigen und politischen Führern der islamischen Welt die Vorzüge abendländischer Errungenschaften wie der Meinungsfreiheit zu erläutern. Um Meinungsfreiheit aber ging es Wilders schon lange nicht mehr, nur noch ums Rechthaben.

Künstlerisch betrachtet erzeugt Fitna allenfalls ein unheilvolles Zischeln; wie viel politische Sprengkraft der als Aufklärungsfilm camouflagierte Videoclip dagegen bereithält, wird sich zeigen. Innerhalb einer Stunde hatten weltweit über eine Million Menschen den Film gesehen, und schnell gaben erste Kritiker Entwarnung. Nichts Neues hatte der notorische Provokateur mit seiner großspurig ankündigten Generalabrechnung zu vermelden. Man muss sich gar fragen, welche Umstände die Veröffentlichung von Fitna so lange verzögert haben. Kreative Erwägungen sind als Grund jedenfalls auszuschließen.

Formal erinnert Wilders Film an die unzähligen Videobotschaften, mit denen Osama Bin Laden die westliche Welt versorgte: dramatische Bilder, tausendmal gesehen (brennendes World Trade Center, Mohammed-Karrikaturen, Hassprediger, Enthauptungen), lieblos hintereinander geschnitten, darüber klassische Musik von Grieg und Tschaikowski (das Abendland schlägt zurück!), beigemischt Koranverse und panische Statistiken. Fertig ist der anti-islamische Aufklärungsfilm. Die Enttäuschung war kaum zu verhehlen. Nach allem Aufhebens um das Projekt wäre etwas mehr Sorgfalt wünschenswert gewesen. Selbst der Fauxpas, statt eines Fotos des Theo-van-Gogh-Attentäters Mohammed Bouyeri das des Rappers Salah Edin zu verwenden, fällt kaum mehr ins Gewicht. Fitna ist im Internet bestens aufgehoben; hier reiht er sich ein in die Werke Tausender anonymer Geltungssüchtiger.

Der Film Fitna illustriert erneut, dass Geert Wilders, der sich mit ein paar markigen Sprüchen ins politische Rampenlicht gedrängt hat, nicht mehr ist als ein eitler Dampfplauderer. Und wie so viele westliche Politiker begeht er den Fehler, seine Islamkritik kulturalistisch zu denken. In einem gesellschaftlichen Klima, in dem der Begriff "Islamkritik" zusehends durch die Verwendungsform "Islamophobie" ersetzt wird, verfehlt dieser Ansatz aber den Kern des Problems. Im europäischen Multikulturalismus-Diskurs, der durch die EU-Beitrittsbemühungen der Türkei in Gang gehalten wird, fungiert Hollands "Politiker des Jahres 2007" damit nur als Fähnlein im Wind. Man darf seine internationale Bedeutung keinesfalls überschätzen, auch wenn er gerade für einige Wochen die europäischen Schlagzeilen beherrscht hat. Die Causa Wilders muss im Ausland zuallererst als spezifisch niederländisches Phänomen verstanden werden, in einer Traditionslinie mit Pim Fortuyn und dem Filmemacher Theo van Gogh, der seinen islamkritischen Film Submission 2004 mit dem Leben bezahlte. In den Niederlanden, die jahrzehntelang als Modell eines europäischen Einwanderungslandes galten, hat sich in den vergangenen fünfzehn Jahren eine Integrationsdebatte entfacht, die nach einer einfachen Regel ausgefochten wird: Wer am lautesten brüllt, hat Recht. Mit Fitna hat Wilders zumindest in dieser Hinsicht internationales Format bewiesen.

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