Das fünfte Fass ist angeschlagen

Klimawandel Eine enorme Menge Erdöl hat die Menschheit bis heute verbraucht - und ein Ende ist nicht in Sicht. Das Umdenken beginnt am Bodensee.

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https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/4/4d/Bodensee_Bregenz.jpg/640px-Bodensee_Bregenz.jpgWer schon einmal am westlichen Ufer des Bodensees gestanden hat, war gewiss beeindruckt von den enormen Wassermassen, die sich da von den Vorarlberger Alpen bis ins 60 Kilometer entfernte Ludwigshafen erstrecken. Die wissen auch, dass es von dort aus nicht möglich ist, das andere Ufer zu sehen: Die Erdkrümmung macht uns einen Strich durch die Rechnung, so weit zieht sich das Gewässer.
Wenn der weltweite Erdölverbrauch in diesem Jahr wieder einen neuen Höchstwert knacken wird, sollten wir uns an diesen Moment zurückerinnern. Denn seitdem die Menschen vor 200 Jahren begannen, mithilfe fossiler Energieträger das Angesicht des Planeten zu verändern, wurden allein an Erdöl rund 170 Milliarden Tonnen zu Tage gefördert, 4 Milliarden kommen mittlerweile jährlich hinzu. Ausgeschrieben ist das eine 17 mit zehn Nullen, oder aber: Vier Mal der Bodensee, randvoll gefüllt mit schwarzbraun glänzender Flüssigkeit. Vier Mal das beeindruckende Fassungsvermögen von 48 km3 Volumen. Vier Mal ein enormer C02-Ausstoß, wenn die Verbrennungsprodukte dieses Ölmeeres in die Atmosphäre gelangen.
Denn nach wie vor wird fast das gesamte aus dem Erdboden geförderte Öl zu Kraftstoffen weiterverarbeitet, die dann, über alle Welt verbreitet, in Abermilliarden von Fabriken, Haushalten und Fahrzeugen verbrannt werden. Die dabei freigesetzte Bewegungs- und Heizenergie setzt die Welt am Tag in Gang und erhellt sie in der Nacht: Kohle, Erdöl und Erdgas kommen für drei Viertel des globalen Energiebedarfs auf, der in den nächsten zwanzig Jahren nochmal um ein Drittel zulegen wird.
Dazu hat die Menschheit gerade das fünfte Ölfass in Bodensee-Größe angeschlagen, und auch dieses soll verheizt werden. Doch mit jedem Mal sind die Kosten gestiegen: energetisch, finanziell und ökologisch. Vor 150 Jahren sprudelte das schwarze Gold noch fast ohne Zutun aus dem texanischen Boden. Mittlerweile muss es mittels millionenteuren Offshore-Anlagen, in unwirtlichen Gegenden wie der Arktis oder mit energieintensiven Methoden aus kanadischem Ölsand gewonnen werden. Dieses "Ende des billigen Öls" ist der Wendepunkt in einer Geschichte, die eigentlich noch gar nicht so lang ist: Bei einem Verbrauch wie dem diesjährigen wäre das gesamte bisher geförderte Erdöl schon in 42 Jahren aufgebraucht gewesen.
Diese Geschichte ganz zu beenden hat absolute Priorität. Doch vor wenigen Wochen ist wieder einmal ein Klimagipfel zu Ende gegangen, auf dem "fast nichts erreicht" wurde. Nachdem hunderte VertreterInnen von Umwelt-NGOs symbolisch die Konferenz verlassen hatten, ist nicht auszuschließen, dass es der letzte dieser Art gewesen ist. Auch ein Hoffen auf die nächste Wirtschaftskrise kann es nicht sein; wohl zeigt aber der leichte Rückgang des weltweiten Energieverbrauchs von 2008, wie viel und vor allem wo etwas getan werden muss. Der Bodensee lässt grüßen.
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