Die Wende von Revine Lago

Italien Lega Nord und CasaPound protestieren gemeinsam gegen die Regierung von Matteo Renzi. Schnittmenge ist die Migrationspolitik - und ein neuer Kurs der Neofaschisten.

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Die Wende von Revine Lago

Foto: TIZIANA FABI/AFP/Getty Images

Die Rede ist von 200 Bussen und vier Sonderzügen, mit denen die AnhängerInnen der rechtsseparatistischen Lega Nord nach Rom gebracht werden, zur Großkundgebung "Renzi nach Hause!". Wie groß sie wirklich war, das scheint keine Rolle zu spielen, der Auftritt von Matteo Salvini vor Tausenden Anhängern auf dem "Platz des Volkes" ist ein Medienereignis - und vorläufiger Höhepunkt eines radikalen Wandels im rechten Lager, der nach der Niederlage bei den Parlamentswahlen im Februar 2013 eingesetzt hat.

Italien statt Padanien

Nur mehr 4,1% holte damals die Lega Nord (2008: 8,3%), 21,6% die Berlusconi-Partei (37,4%). Danach überschlugen sich die Ereignisse: Im August wird Berlusconi erstmals letztinstanzlich zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt, im November spaltet sich die Partei. Ein Monat später wird der 41-jährige Matteo Salvini zum Parteiführer der Lega Nord gewählt.

Mittlerweile wird Salvini als neue Galionsfigur der italienischen Rechten gehandelt, in den Umfragen liegt die Lega Nord gleichauf mit der Berlusconi-Partei. Keine Rede mehr von den Korruptionsskandalen, vom "räuberischen Süden" und von Abspaltung: Salvini setzt auf eine gesamtstaatliche, nationalistische Politik, Vorbild ist Le Pen in Frankreich. "Wir haben Fehler gemacht.", zeigt sich der neue Parteiführer entsprechend reumütig.

Diese Neuausrichtung gestaltet sich freilich schwierig: Die Vorbehalte im Norden sind groß, die Skepsis im Süden ebenso. Nach einer großspurig angedachten "Lega Nazionale" oder "Lega dei Popoli" präsentiert sich die Partei im Süden nun unter dem Namen "Wir mit Salvini". Die Wahl der "Piazza del Popolo" in Rom für die gestrige Kundgebung ist daher kein Zufall.

Im Gleichschritt mit den Neofaschisten

Die zweite Neuerung ist der Bruch mit Berlusconi und das Bündnis mit der neofaschistischen Bewegung CasaPound, die auch am Samstag in Rom mit dabei war und vor allem in Mittel- und Süditalien stark ist. Mehrere gemeinsame Aktionen in den vergangenen Monaten wurden auf lokaler Ebene durchgeführt, beispielsweise in Mailand oder am Brenner. Schnittmenge: Migrationspolitik.

Es ist das Resultat einer einjährigen Annäherungspolitik. Schon bei den Wahlen im Mai vorigen Jahres lässt sich der Lega-Nord-Funktionär Mario Borghezio mit den Stimmen von CasaPound ins Europaparlament wählen. Heute unterstützen die Neofaschisten mit der neugegründeten Vereinigung "Sovranitá" offen "die Kämpfe von Matteo Salvini", wie es in der Selbstdarstellung heißt. Das unmissverständliche Motto: "Zuerst die Italiener!"

Auch die Neofaschisten sind 2013 untergegangen, mit einem Wahlergebnis von unter einem Prozent. Die neue Strategie heißt demnach Bündnispolitik statt Alleingänge und offener Rassismus statt leiser Töne. Die Positionierung der Partei beim Thema Migration - ein ethnopluralistischer Nationalismus - hat sich zwar nicht substantiell geändert. Wohl aber ist das Thema, bei dem sich die Bewegung bisher gemäßigt gab, seit März 2014 im Zentrum einer neuen Kampagne unter obengenanntem Motto. Vorausgegangen war dem ein Jahr, das von den Fluchtkatastrophen im Mittelmeer, den Debatten um das Ius Soli und den rassistischen Pöbeleien gegen die Integrationsministerin Céline Kyenge geprägt war.

Die Wende von Revine Lago

In diesem aufgeheizten Klima hielten Adriano Scianca, Vordenker der Bewegung, und Simone di Stefano, der Vizepräsident, im Herbst 2013 eine richtungsweisende Rede: Auf dem dreitägigen Nationalfest der Bewegung, das unter dem Schlagwort "Richtung Revolution" im norditalienischen Revine Lago bei Treviso abgehalten wurde, präsentierten sie ein Grundsatzpapier. Dort heißt es: "Es ist unser Volk, unsere Kultur, unsere Zivilisiertheit, die vom Aussterben bedroht sind." Neues Feindbild: "Ausländer".

Auch wenn dabei nichts Neues artikuliert wurde: Der neue Schwerpunkt war gesetzt. Mitte März 2014 erscheint dann auf der Homepage ein Sujet mit den Worten: "Haus, Arbeit, Sozialstaat: Zuerst die Italiener!" Seidem rollt die Kampagne gegen illegale Einwanderung und Kriminalität, gegen die Verwahrlosung von Stadtteilen, gegen Sozialhilfen für Geflüchtete, "Nomaden" und "Zigeuner". CasaPound setzt auf Banneraktionen, Demonstrationen und den Schulterschluss mit Gleichgesinnten - und das heißt, mit Matteo Salvini.

Schwierige Allianz

Das neue Bündnis stößt vor allem in der Lega Nord vielen sauer auf: Wie der Fatto Quotidiano berichtete, fand das traditionelle Kürbisfest der Partei Ende Oktober 2013 gleich in zwei Ausgaben statt: Auf der einen Seite Salvini, auf der anderen der ehemalige Parteichef Umberto Bossi. Grund für den Zwist: CasaPound. Während Salvini keine Berührungsängste hat, erklärte der nie um einen rassistischen Sager verlegene Bossi: "Die Lega wurde mit den Werten des Antifaschismus geboren."

Auch bei der Demonstration in Rom bekräftigte Bossi das "vorübergehende Bündnis" aus der Not der Stunde - am Rande stehend, von CasaPound-Fahnen umgeben. Salvini hat sich klar durchgesetzt, der Erfolg gibt ihm recht. Noch jedenfalls.

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