Der dritte Mann

Porträt Thomas Haldenwang soll oberster Verfassungsschützer werden. Bisher fiel an ihm auf, dass er nicht auffällt
Ausgabe 46/2018
Er verkörpert den Typus des braven Beamten. Ob ihn das schon zum Anti-Maaßen macht, ist die Frage
Er verkörpert den Typus des braven Beamten. Ob ihn das schon zum Anti-Maaßen macht, ist die Frage

Foto: imago/Reiner Zensen

Diesen Freitag dürfte es im Europasaal des Bundestages in Berlin besonders voll werden. Dann wird das ansonsten geheim tagende Parlamentarische Kontrollgremium in einer öffentlichen Sitzung die drei deutschen Geheimdienstchefs anhören. Was den Informationsgewinn betrifft, sollte man keine großen Erwartungen in diese Veranstaltung setzen. Viel wichtiger ist für die Beobachter ohnehin etwas anderes – erstmals wird sich Thomas Haldenwang in der Öffentlichkeit präsentieren, der neue Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz.

Für viele außerhalb des Geheimdienstes und des Innenministeriums ist der 58-jährige Jurist noch ein unbeschriebenes Blatt. Bei öffentlichen Auftritten stand der in Wuppertal geborene Karrierebeamte stets respektvoll einen Schritt hinter seinem Chef Hans-Georg Maaßen. Anders als dieser verzichtete Haldenwang auf politische Statements und versteckte Spitzen gegen Parlamentarier und Politiker, die dem Verfolgungs- und Überwachungswahn des Kölner Amtsleiters kritisch gegenüberstanden. Als zurückhaltend, unbeirrbar freundlich, stets um einen sachlichen Ton bemüht und einigermaßen uneitel beschreiben Abgeordnete denn auch den neuen Verfassungsschutzchef, einen Mann mit grauem Bürstenhaarschnitt und rheinischem Zungenschlag. Kein Wunder, dass der Spiegel ihn schon zum „Anti-Maaßen“ ausrief. Aber Stil und Auftreten sind das eine. Viel wichtiger wird die Frage sein, ob der Neue, der wie Maaßen CDU-Mitglied ist, vieles anders machen wird im Amt als sein Vorgänger. Versteht er sich als Umgestalter, gar als Reformer? Oder wird er das Erbe des rechtslastigen Maaßen fortführen, der den Inlandsgeheimdienst in den fünf Jahren seiner Regentschaft zunehmend als politisches Kampfinstrument gegen eine libertäre und bürgerrechtsorientierte Gesellschaft missverstanden hat?

Eine Antwort darauf hängt ganz entscheidend davon ab, wie sehr die von Maaßen ausgebrachte geistige Saat bereits gefruchtet hat im Kölner Amt. Denn der Neue an der BfV-Spitze mag ein ausgewiesener Behördenprofi und kreuzbraver Beamter sein. Aber in einer von Korpsgeist und Seilschaften geprägten klandestinen Behörde braucht man zum Durchgreifen den Stallgeruch des Geheimdienstlers, der Haldenwang nie war. Sein Vorgänger war zwar auch nicht vom Fach, aber Maaßen galt als kompromissloser Law-and-Order-Fanatiker, der zudem als langjähriger Antiterrorbeauftragter im Innenministerium unter Verfassungsschützern einen Ruf als harter Hund hatte. Umso willkommener und akzeptierter war er dann auch im Apparat.

Nun aber kommt Haldenwang: Abitur in Wuppertal, Wehrdienst bei der Marine, Jura-Studium in Marburg, Referendariat am Oberlandesgericht Düsseldorf. Danach hat er vor allem Personal- und Verwaltungsaufgaben erfüllt. Von 1991 bis 2000 arbeitete er als Referent in der Dienstrechtsabteilung und dann als Personalreferent im Bundesinnenministerium. Zur Jahrtausendwende übernahm er im Bundesverwaltungsamt die Zuständigkeit für Themen wie Unterhaltsansprüche, Entschädigung, Jugendsekten und Psychogruppen. 2006 kam er zurück ins Bundesinnenministerium, wo er dem Referat Laufbahnrecht und dem Bundespersonalausschuss vorstand. Ins Bundesamt für Verfassungsschutz wechselte Haldenwang 2009. Aber auch dort war er zunächst mit Verwaltungs- und Personalfragen befasst, leitete bis Ende 2012 die Zentralabteilung im BfV. Erst vor fünf Jahren machte ihn Maaßen zu seinem Vizepräsidenten.

Nun ist Haldenwang Chef des Dienstes. Wie tief er tatsächlich in die nachrichtendienstliche Materie eingedrungen ist, ist fraglich. Als Vize vertrat er Maaßen oftmals auf Auslandsreisen. Ab und an leitete er auch das operative Geschäft im Bundesamt und steuerte die Geheimdienstabläufe, wofür aber vor allem der zweite BfV-Vize, Ernst Stehl, zuständig war. Es ist für Außenstehende kaum zu überblicken, welchen Einfluss Maaßen ihn tatsächlich auf die operative Tätigkeit des Geheimdienstes nehmen ließ, ob es zwischen den beiden gar gegensätzliche Auffassungen über die Arbeitsweise gab. Dafür fällt auf, dass sich Haldenwang all die Jahre offenbar nicht am ausgeprägten Ego seines Chefs stieß und diesem auch nicht in den Arm fiel, als seine Anmaßungen immer größer wurden. Das kann man Loyalität nennen oder Kadavergehorsam.

Auf jeden Fall funktionierte Haldenwang: Als Sonderermittler nach den Snowden-Enthüllungen über eine mögliche Kooperation von NSA und Verfassungsschutz stützte er Maaßens Argumentation, die Vorwürfe seien aus der Luft gegriffen und Snowden vermutlich ein russischer Agent. Als Ansprechpartner im BfV zum Thema Cyber-Spionage malte er mit seinem Chef das Schreckgespenst russischer Einflussnahme auf die Bundestagswahl 2017 an die Wand, was das Bundesamt später kleinlaut als Fehleinschätzung zurücknehmen musste. Und natürlich deckte er als Vizepräsident die jahrelange Vertuschungspraxis seines Amtes in der NSU-Affäre.

„Herr Haldenwang ist ein ausgewiesener Fachmann und genau der Richtige für diese Aufgabe“, pries Innenminister Horst Seehofer seinen Kandidaten an. Damit hat der Noch-CSU-Chef recht, wenn er die Aufgabe des Neuen auf die Bewahrung eines gewissen Status quo im BfV beschränkt. Denn Haldenwang soll das Bundesamt nicht etwa transparenter, innovativer und effektiver machen. Zuvorderst soll er das zerrüttete Verhältnis zu den Landesämtern befrieden, was bislang an Maaßens Arroganz scheiterte. Und er soll das Image der Behörde verbessern. Vom Äußeren passt das schon mal: Ein biederer Beamter mit Kassengestell kommt öffentlich allemal besser an als ein Selbstdarsteller mit Maßanzug und goldener Nickelbrille.

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