Es war in den Neunzigern, da gab es das satirische Politmagazin Zack mit Friedrich Küppersbusch. In jeder Sendung traten Politikerpuppen auf wie im Kasperltheater. Ein bräsiger Helmut Kohl prügelte dabei stets auf die christdemokratische DDR-Altlast Lothar de Maizière ein, der immer irgendwie nutz- und ahnungslos im Wege stand. Gäbe es Zack heute noch, würde der Prügelknabe in der Puppenshow Lockenkopf und Brille tragen und Innenminister sein: Hans-Peter Friedrich ist der am meisten überforderte Ressortchef im Kabinett von Angela Merkel.
Das zeigt sich einmal mehr durch sein Agieren in der Abhöraffäre, die der frühere NSA-Techniker Edward Snowden ausgelöst hatte. Am Anfang schimpfte Friedrich nicht etwa auf die US-Lauschbehörde NSA, sondern auf deren Kritiker, denen er „Antiamerikanismus gepaart mit Naivität“ vorwarf. Dann, als die Lauschoperationen gegen die EU und europäische Botschaften bekannt wurden, reagierte der CSU-Politiker schon kleinlauter: Das gehe natürlich nicht, sagte er und forderte eine Entschuldigung aus Washington, wenn denn die Vorwürfe zuträfen. Im Übrigen würden deutsche Geheimdienste so etwas wie die NSA nicht tun.
Jetzt, nachdem der Spiegel über die Abhörkumpanei zwischen NSA und BND berichtet hat, ist Friedrich ganz verstummt. Dafür fliegt er in dieser Woche nach Washington, weil die bereits zum Wochenanfang entsandten Unterabteilungsleiter nach außen hin vielleicht doch etwas zu popelig wirken, um die vermeintliche deutsche Empörung deutlich zu machen.
Er wollte kein Innenminister werden
Die Amerikaner werden sich auf die Schenkel klopfen. Sie wissen, gut informierte Unterabteilungsleiter sind weit unangenehmere Gesprächspartner als ein Minister, der auch nach fast zweieinhalb Jahren im Amt noch mit staunenden Augen durch die Welt der Geheimdienste und Polizeibehörden tapst.
Auch ohne NSA-Hilfe wird es Washington nicht verborgen geblieben sein, dass es Friedrich bis heute nicht gelungen ist, seinem Ministeramt Profil zu verleihen. Der CSU-Politiker, der sich als Abgeordneter jahrelang mit Wirtschafts- und Verkehrspolitik befasste, hatte nie einen Plan, ein Konzept für sein Ressort. Es scheint so, als wolle der 56-Jährige nur sein Amt überstehen. Schließlich habe er ja kein Innenminister werden wollen, wie er selbst einräumt.
Er ist es aber geworden, weil CSU-Chef Horst Seehofer 2011 keinen anderen für den Ministerposten, der seiner Partei zustand, gewinnen konnte. Bestens damit leben können seitdem die Strippenzieher in der Ministerialbürokratie und den Sicherheitsbehörden. Nach dem nervigen Otto Schily, dem nörgelnden Wolfgang Schäuble und dem korrekten Thomas de Maizière haben sie mit Hans-Peter Friedrich endlich einen Minister bekommen, der ihren Einflüsterungen folgt und den sie nach ihrer Pfeife tanzen lassen können. Bärchen nennen sie ihn wegen seiner freundlichen Art hinter vorgehaltener Hand, aber sie meinen: Tanzbär.
Kapitulation vor den Ländern
Dabei hatte der Minister doch alle Möglichkeiten, in seinem Amt Akzente zu setzen. Nach dem Auffliegen der rechten Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ und dem offenbar gewordenen Versagen der Sicherheitsbehörden hätte es ein starker Minister nicht bei personellen Bauernopfern belassen, sondern strukturelle Konsequenzen gezogen. Friedrich aber kapitulierte vor dem Widerstand aus den Ländern und gab sich statt der 2012 noch vollmundig angekündigten Reform des Verfassungsschutzes mit kosmetischen Korrekturen weniger Arbeitsabläufe zufrieden.
Auch in der Personalpolitik wählt Friedrich den Weg des geringsten Widerstands und entscheidet sich im Zweifel lieber für Loyalität statt Kompetenz. Er besetzte die Spitzenposten von Bundespolizei und Bundesamt für Verfassungsschutz mit Technokraten aus seinem Ministerium, die keine Erfahrung in Polizei- und Geheimdienstarbeit hatten.
Wie sehr der Minister in seinem Amt ein Getriebener ist, machen auch seine Volten im Fall des NPD-Verbotsantrags deutlich. Im vergangenen Dezember redete er noch den 16 Landesinnenministern ins Gewissen und versuchte, sie von seinen Zweifeln an einem erfolgreichen Verfahren in Karlsruhe zu überzeugen. Vergeblich, die Minister votierten einstimmig für einen Verbotsantrag des Bundesrats.
Drei Monate später verblüffte der CSU-Politiker im Bundestag mit der Aussage, nun müssten auch Bundesregierung und Bundestag den Antrag der Länder unterstützen. Kanzlerin Merkel war not amused über den plötzlichen Sinneswandel ihres Ministers, hatte sie sich doch von ihm Rückhalt in ihrer skeptischen Haltung zum NPD-Verbot versprochen. Friedrich bekam eine Privataudienz bei Merkel und ruderte prompt zurück. Jetzt war auch er wieder gegen den Verbotsantrag.
Muslime unter Generalverdacht
Ungeschickt und unsensibel agiert er auch in der Deutschen Islamkonferenz. Die war 2006 vom damaligen Innenminister Schäuble als Dialogforum ins Leben gerufen worden, um das Zusammenleben zwischen islamisch geprägten Einwanderern und der deutschen Bevölkerung zu verbessern. Friedrich sieht das Gremium hingegen vor allem als einseitiges Steuerungsinstrument der Sicherheitspolitik.
Indem er aber die Islamkonferenz zu einer Informationsrunde über Sicherheitsfragen degradiert, stellt er die Muslime unter den Generalverdacht, sie seien potenzielle Straftäter. Mehrere muslimische Verbände stellen inzwischen den Sinn der Konferenz infrage und rücken von ihr ab.
Innenminister Hans-Peter Friedrich hat viele Probleme und unaufgeräumte Baustellen geschaffen. Man kann es aber auch positiv sehen: Sein Nachfolger wird sich ab Herbst über einen Mangel an Gestaltungsmöglichkeiten nicht zu beklagen brauchen.
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