Michael Lauber hatte allen Grund zum Strahlen, als er kürzlich in Bern vor die Presse trat. Gerade hatte ihn das Schweizer Parlament für die nächsten vier Jahre als Bundesanwalt bestätigt – mit 195 von 215 gültigen Stimmen. Ein sensationell gutes Ergebnis für den obersten Strafverfolger der Eidgenossenschaft und seine Behörde, von der Deutschland viel lernen kann. Das fängt mit ihrem Chef an. Michael Lauber, 50 Jahre alt, ist ein freundlicher, dynamischer Mann von jungenhaftem Charme, der sich auch auf den Umgang mit den Medien versteht. Er hat die Arbeit seiner Behörde transparenter gemacht, zu aufsehenerregenden Strafverfahren äußert sich der Chef nicht selten persönlich. Und er ist ein Mensch, mit dem man auch über berufsfremde Themen angenehm plaudern kann.
Der deutsche Typus des Chefanklägers ist ein ganz anderer: Kurt Rebmann, Alexander von Stahl, Kay Nehm, Monika Harms – sie wirkten stets verkniffen und latent unzufrieden. Nicht selten hinterließen sie den Eindruck, überfordert zu sein mit dem ständigen Changieren zwischen eigenem Anspruch als Ermittler und den einengenden Maßgaben ihrer politischen Weisungsgeber. Gleiches gilt auch für den derzeitigen Amtsinhaber, Harald Range.
Lauber wirkt da deutlich selbstbewusster. Das dürfte viel zu tun haben mit seiner Stellung im gesellschaftlichen System der Schweiz. Denn nach diversen Skandalen um politische Einflussnahmen und verkorkste Ermittlungen wird der schweizerische Bundesanwalt seit 2011 vom Parlament gewählt, der Vereinigten Bundesversammlung. Seitdem untersteht die Bundesanwaltschaft auch nicht mehr dem Eidgenössischen Justizdepartement, sondern ist eine unabhängige Strafverfolgungsbehörde. Sie muss sich lediglich der Kontrolle einer Aufsichtsbehörde aus Richtern und juristischen Experten stellen, die über die Einhaltung von Unabhängigkeit und Rechtmäßigkeit wacht und ihrerseits vom Parlament beaufsichtigt wird.
Damit ist die Schweiz in puncto Rechtsstaat deutlich weiter als Deutschland. Hierzulande ist der Generalbundesanwalt noch immer ein politischer Beamter, der von der Bundesregierung ausgewählt und vom Bundespräsidenten ernannt wird. Er gehört der Exekutive an, womit er den Weisungen der Bundesregierung und deren sicherheitspolitischen Prämissen unterliegt. Wer sich da quer stellt, riskiert sein Amt, denn ein Generalbundesanwalt kann jederzeit vom Justizminister in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Legendär sind etwa die rüden Zurechtweisungen, die der oberste Strafverfolger Kay Nehm im Zuge der 9/11-Ermittlungen vom damaligen Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier einstecken musste. Nehm hatte sich seinerzeit unter Verweis auf die Gesetzeslage geweigert, bestimmte Ermittlungen gegen einen mutmaßlichen Verdächtigen zu führen, musste sich dann aber fügen.
Vorbild für die Karlsruher Behörde
Viel mehr als in der Schweiz muss der deutsche Bundesanwalt dann auch in einem Spannungsfeld aus gesetzlichen Erfordernissen und politischen Vorgaben agieren. Dadurch wird es schwieriger, Verfahren zu führen, durch die politische Interessen der Bundesregierung berührt werden könnten. Das betrifft etwa Ermittlungen gegen Angehörige von US-Geheimdiensten wegen Agententätigkeit oder der Tötung von Terrorverdächtigen. Es betrifft aber auch Korruptionsfälle wie die vor 15 Jahren bekanntgewordene Leuna-Affäre, in die hochrangige Politiker und Parteien verstrickt waren, und nicht zuletzt das NSU-Verfahren. Dort wurde die Bundesanwaltschaft im Sommer 2012 von Berlin erheblich unter Druck gesetzt, endlich Anklage gegen Beate Zschäpe zu erheben, obgleich die Ermittlungen damals noch längst nicht abgeschlossen waren.
Der Schweizer Bundesanwalt Lauber würde zwar kaum behaupten, dass nicht auch er sich politischer Einflussnahme zu erwehren hat. Seine Unabhängigkeit macht es ihm jedoch leichter, zu widerstehen. Und sie erlaubt es ihm auch, seine schon recht angestaubte und eingefahrene Behörde nach seinen eigenen Vorstellungen umzustrukturieren und effizienter zu gestalten. Was Lauber in den vergangenen drei Jahren bereits energisch angegangen ist und durchaus ein Vorbild auch für die Karlsruher Behörde sein könnte.
So hat Lauber ein Verfahrenscontrolling eingeführt, das die Ermittlungsverfahren durch eine straffe Arbeitsorganisation deutlich verkürzt hat. Das ist auch notwendig, weil die schweizerischen Bundesanwälte für viel mehr Delikte zuständig sind als ihre deutschen Kollegen. So übernehmen sie auch die Strafverfolgung in komplexen Fällen organisierter Kriminalität sowie Wirtschaftskriminalität und Börsendelikte. Prominentester Fall ist derzeit das Verfahren gegen den Weltfußballverband Fifa, wobei es um den Straftatverdacht der untreuen Geschäftsführung und Geldwäscherei geht.
Lauber sagt gern, er komme aus der Privatwirtschaft und sehe sich deshalb als eine Art Manager, der seine Behörde leistungsfähiger machen will. Tatsächlich war er vor seiner Zeit als Bundesanwalt fünf Jahre lang Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbandes. Und doch ist ihm das Ermittlermetier nicht unbekannt: Nach dem Abschluss seines Jurastudiums 1992 hat Lauber jahrelang als Untersuchungsrichter und polizeilicher Ermittlungsleiter in der Schweiz und Liechtenstein gearbeitet. Es ist vielleicht diese Mischung aus Stallgeruch und Unternehmertum, mit der Lauber frischen Wind in die oberste Strafverfolgungsbehörde der Schweiz gebracht hat. Ein Wind, von dem man wünscht, dass er auch mal über die Alpen hinüberweht und das deutsche Rechtssystem durchpustet.
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