Die Geheimdienstchefin

Porträt Martina Rosenberg soll Annegret Kramp-Karrenbauer helfen, Rechtsextreme aus der Bundeswehr zu entfernen
Ausgabe 46/2020

Erneut sind Hinweise auf rechtsextreme Vorfälle in der Bundeswehr-Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK) bekannt geworden. So sollen mindestens drei KSK-Soldaten bis 2017 einer Chatgruppe angehört haben, in der einschlägige Kurznachrichten und Kommentare geteilt sowie Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen benutzt worden sein sollen. Das geht aus dem Zwischenbericht von Generalinspekteur Eberhard Zorn hervor, der vergangene Woche im Verteidigungsausschuss des Bundestages diskutiert wurde. Seit Ende Juli hätten zudem rund 40 Vernehmungen von KSK-Angehörigen weitere Ansatzpunkte für Ermittlungen gegen mutmaßliche Rechtsextremisten innerhalb des Eliteverbandes erbracht.

Eine wesentliche Rolle bei dem Versuch, das skandalgeschüttelte KSK wieder in demokratische Bahnen zu lenken, kommt dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) und seiner neuen Leiterin Martina Rosenberg zu. Sie soll nach den Worten von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zusammen mit den Mitarbeitern des MAD ein Programm zur Modernisierung und zur Stärkung des Kampfes gegen Rechtsextremismus in der gesamten Bundeswehr vorlegen. Die CDU-Politikerin macht keinen Hehl daraus, dass sie von der neuen MAD-Chefin vor allem Initiativgeist, Tempo und Effizienz erwartet. Parameter also, die Kramp-Karrenbauer bei Rosenbergs etwas behäbigem Amtsvorgänger Christof Gramm offenbar vermisste, weshalb sie seine Abberufung mit den Worten begründete, das Vorgehen gegen Rechtsextremismus erfordere jetzt „zusätzliche Anstrengungen und Dynamik“.

Die Juristin Rosenberg, 50, ist die erste Frau an der Spitze eines Nachrichtendienstes des Bundes. Sie ist Zivilistin, wie ihr Amtsvorgänger, wenngleich nicht ohne Stallgeruch: Als Bundeswehr-Disziplinaranwältin war sie zuletzt für die 29 Wehrdisziplinaranwaltschaften im gesamten Bundesgebiet zuständig. Damit gingen alle gerichtlichen Disziplinarverfahren, die gegen Soldaten geführt wurden, über ihren Tisch, und zwar von den Vorermittlungen bis zum Urteil und seiner Vollstreckung.

Öffentlich ist die neue MAD-Chefin bislang kaum in Erscheinung getreten. Entsprechend spärlich sind die Informationen über sie, selbst ihr genaues Geburtsdatum ist offiziell gar nicht bekannt. Nach ihrem Jurastudium fing sie Ende der 1990er-Jahre zunächst als Dezernentin beim Geheimschutzbeauftragten des Streitkräfteamtes in Köln an. Im Oktober 2000 wechselte sie in die Bundeswehrverwaltung und wurde verbeamtet. Sie war nun als Rechtslehrerin und Geheimschutzbeauftragte tätig, bevor sie eine Stelle als Rechtsberaterin bei der 7. Panzerdivision in Düsseldorf antrat. Kurz zuvor war die Bundeswehr für Frauen geöffnet worden. „Damals griff man gern auf mich als weibliche Rechtsberaterin zurück, da es teilweise noch Unsicherheiten beim Umgang mit Soldatinnen gab“, sagte Rosenberg in einem Gespräch mit dem Bundeswehr-Magazin.

2006 wechselte sie ins Bundesverteidigungsministerium. Dort war sie erst Referatsleiterin für Beamtenrecht und Gleichstellung, leitete anschließend das Parlaments- und Kabinettsreferat. Am 28. Mai 2018 konnte sie schließlich die rote Richterrobe der Bundeswehr-Disziplinaranwältin beim Bundesverwaltungsgericht anziehen. Ihre Dienststelle in Leipzig hat nur 14 Mitarbeiter, ist aber direkt der Verteidigungsministerin unterstellt. Man kann davon ausgehen, dass Kramp-Karrenbauer mit Rosenberg eine Person ihres Vertrauens für den sensiblen Posten ausgewählt hat. Sie schätzt die Juristin nach eigenen Worten als „fachlich sehr versiert, kommunikativ und durchsetzungsstark“.

Eigenschaften, die Martina Rosenberg in ihrem neuen Amt sehr gut gebrauchen kann. Denn zum einen muss die Chefin des Dienstes natürlich die juristischen Tücken des Wehrdisziplinarrechts kennen. Nur so kann sie die Ermittlungsmethoden des MAD schärfen und verbessern, damit gerichtsfeste Erkenntnisse des Dienstes „die Grundlage für klare juristische und disziplinare Konsequenzen bilden“, wie Kramp-Karrenbauer es fordert. Damit könnten dann künftig auch schneller als bisher Extremisten auf juristischem Weg aus der Truppe entfernt werden.

Darüber hinaus aber wird es für Rosenberg nicht leicht werden, den kleinsten und öffentlich am wenigsten bekannten Geheimdienst des Landes für die neuen Herausforderungen zu modernisieren. Ihr Vorgänger Gramm, der 2015 aus dem Justizministerium kam, scheint jedenfalls mit seinen Reformbemühungen an einem Offiziersapparat im Dienst gescheitert zu sein, der noch zu oft den Geist der Kameradschaft über die nachrichtendienstliche Professionalität stellte. So hatte es auch der damalige Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Nachrichtendienste, der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster, gesehen, als er im vergangenen Juni ein neues „Mindset“ beim MAD anmahnte. Es sei entscheidend, „wie selbstbewusst und offensiv das gesamte nachrichtendienstliche Instrumentarium genutzt wird“, sagte er und meinte damit, dass der Dienst seine Augen und Ohren viel mehr öffnen müsse als bisher. Anlass für seine Kritik war der kurz zuvor veröffentlichte MAD-Jahresbericht für 2019, in dem der Dienst konstatierte, er habe gerade mal 14 Rechtsextreme in der Bundeswehr aufgespürt – 0,1 Promille aller Soldatinnen und Soldaten.

Die nicht nur von Schuster vorgetragene Kritik hat Wirkung gezeigt. Aktuell geht der MAD über 700 rechtsextremistischen Verdachtsfällen nach, darunter gut zwei Dutzend innerhalb des KSK, wo sich auch Hinweise auf ein rechtsextremes Netzwerk ergeben haben. Ministerin Kramp-Karrenbauer hatte angesichts einer Reihe von rechtsradikalen Vorfällen eine Null-Toleranz-Linie gegenüber Extremisten ausgerufen. Martina Rosenberg und der MAD sollen ihr dabei zur Seite stehen.

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