Zwei Stiftungen buhlen um sie – aber noch hat sich die AfD nicht festgelegt, welche der beiden sie nutzen will: Sowohl die Desiderius-Erasmus- als auch die Gustav-Stresemann-Stiftung dienen sich bei der rechtspopulistischen Partei an. Immerhin winken ab 2021 staatliche Gelder von rund 75 Millionen Euro pro Jahr für das Stiftungsbudget. Die künftige AfD-Stiftung soll mit Seminaren und Veranstaltungen die eigenen Parteimitglieder klar auf Linie sowie das völkisch-rassistische Gedankengut der Partei unters Volk bringen.
Mit welchem Ziel das geschehen soll, hat die Desiderius-Erasmus-Stiftung im vergangenen Jahr in einem internen Konzept skizziert, aus dem jetzt NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung zitierten. Demnach soll die künftige AfD-Stiftung „die bestehende Ausgrenzung, Diskursblockaden, Berührungsängste und Tabuisierungen“ in der Öffentlichkeit abbauen. Geplant sind rund 300 Tagungsstätten bundesweit, in denen jährlich bis zu 500 Seminare und Diskussionsveranstaltungen abgehalten werden, und zwar sowohl für Funktionäre als auch für politische Neulinge.
Worum es bei alldem geht, machte erst vergangene Woche der sächsische Verleger und Vordenker der Neuen Rechten, Götz Kubitschek, bei einer Diskussion über Meinungsfreiheit in Dresden deutlich. Bei der Veranstaltung hatte der Autor Uwe Tellkamp (Der Turm) zuvor einen „Gesinnungskorridor“ in Deutschland beklagt und behauptet, dass 95 Prozent der Migranten nicht vor Krieg und Verfolgung nach Deutschland flohen, sondern nur deshalb, um die Segnungen der hiesigen Sozialsysteme in Anspruch zu nehmen. Reinstes AfD-Gewäsch also, das seitdem in Feuilletons heftig debattiert wird, weil sich Tellkamp damit – bewusst oder ungewollt – in eine Reihe mit Leuten wie Kubitschek stellt, dessen Antaios-Verlag wie das Institut für Staatspolitik (IfS) als eine Art Propaganda-(Mini-)Ministerium der Neuen Rechten und Schnittstelle zwischen AfD, Pegida und Identitärer Bewegung fungieren. Kubitschek, der an der Veranstaltung in Dresden als Zuhörer teilnahm, äußerte sich in der Diskussion dann auch zufrieden mit Tellkamps Äußerung. Die Sprache müsse sogar noch deutlicher werden, sagte er und forderte, „dass der Riss noch tiefer wird“.
Radikale Schmuddelkinder
Mit dieser Wortwahl machte Kubitschek – bewusst oder ungewollt – deutlich, worum es der Neuen Rechten geht: um eine Nationalistische Front, die der demokratischen und toleranten deutschen Gesellschaft den Kampf ansagt. Denn das, was Kubitschek euphemistisch als Riss bezeichnete, soll in Wahrheit der Graben werden, aus dem heraus rechte Populisten, Radikale und Extremisten den Stellungskrieg um ein neues, völkisches Deutschland führen wollen.
Zu diesem Zweck bündelt die Neue Rechte derzeit ihre Kräfte und führt die einzelnen, noch vor der Bundestagswahl sorgfältig getrennten Flügel zusammen. Die unter Ex-AfD-Chefin Frauke Petry offiziell ausgerufenen – aber nie konsequent umgesetzten – Kooperationsverbote der Partei zur Straßenbrigade Pegida und zu den rechtsextremistischen Identitären werden weiter aufgeweicht und sind – zumindest im Falle Pegida – bereits aufgehoben worden. Rechte Medien à la Compact und Denkfabriken wie Kubitscheks IfS schaffen mit erstaunlich hohem finanziellen Aufwand einen zunehmend wirkungsvollen Propagandaapparat, indem sie soziale Medien in einer geschickten braunen Melange aus mal plump formulierten, mal intellektuell verbrämten Texten zur Verbreitung ihrer völkischen und rassistischen Ideen nutzen.
Teil dieser Nationalistischen Front wollen auch Anhänger von NPD und anderen rechtsextremistischen Parteien wie Der III. Weg und Die Rechte sein. Selbst die sogenannten Freien Kräfte, welche sich häufig in neonazistischen Kameradschaften zusammenschließen, sehen sich auf der gleichen Seite der Front wie die Neue Rechte, obwohl diese – auch um die Anhänger in der bürgerlichen Mitte nicht zu verschrecken – die radikalen Schmuddelkinder auf Distanz hält. Man trifft sich bislang nur auf der Straße, entweder bei Pegida, bei fremdenfeindlichen Aufmärschen wie in Cottbus oder auf AfD-Wahlveranstaltungen. Dabei bestehen längst inoffizielle Kontakte und Informationskanäle, schließlich haben nicht wenige Protagonisten aus der Neuen Rechten eine Vergangenheit in der Alten – sie waren früher entweder bei der NPD, der Heimattreuen Deutschen Jugend oder in Nazi-Kameradschaften aktiv.
Um sich für die Neue Rechte aufzuhübschen, gibt es unter den Alt-Rechten nun Versuche, auf den Wandel in der Szene zu reagieren und Veränderung anzustoßen. Moderner, weniger rückwärtsgewandt will man sich präsentieren, mehr Höcke, Gauland und Sarrazin, weniger Hitler und Goebbels sozusagen. Die eigene Radikalität soll dabei aber als identitätsstiftende Komponente erhalten bleiben. Ziel ist es, sich den Neu-Rechten als akzeptabler Ansprechpartner anzubieten, ohne deren intellektuellen und ideologischen Führungsanspruch in Frage zu stellen oder gar ein Konkurrenzprodukt zu schaffen.
So liest sich jedenfalls ein Thesenpapier, das eine Gruppe um den NPD-Bundesvize Thorsten Heise mit dem Ziel verbreitet, der an Mitgliederschwund und leeren Kassen leidenden NPD einen inhaltlichen Neustart zu verpassen. Die Gruppe mit dem Namen „Völkischer Flügel“ will aus der siechen Partei eine „politische Kampfgemeinschaft“ machen, die keine kurzfristigen Wahlerfolge erzwingen, sondern die NPD „zu einer wirklichen Weltanschauungsorganisation und Bewegung … gestalten (soll), anstatt sie weiter … systemaffinen Politikjongleuren zu überlassen“. Zu diesem Zweck strebe die Gruppe, die sich als „nationalistisch und völkisch orientiertes Bündnis innerhalb der NPD“ definiert, laut einer im Internet verbreiteten „Proklamation“ eine „parteiübergreifende Zusammenarbeit mit anderen, gleichgesinnten Organisationen und Personen an“. Damit reichen die Unterzeichner auch neuen rechten Konkurrenzparteien wie Der III. Weg und Die Rechte die Hand zur Kooperation.
Entgegen der bisherigen Parteilinie bemühen sich die im „Völkischen Flügel“ vereinten NPD-Funktionäre und parteilosen Kräfte damit um einen Schulterschluss im rechtsradikalen Lager. Bislang hatte die NPD stets versucht, sich von extremistischen Kräften fernzuhalten, um einerseits für gemäßigte Rechte wählbar zu bleiben und andererseits keine Argumente für ein Parteienverbot zu liefern. Nachdem das zweite Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert ist, wollen Heise und seine Mitstreiter offenbar die bisherige Abgrenzungspolitik aufgeben.
Eine Absage erteilt der „Völkische Flügel“ dabei – zumindest vorerst – dem in der radikalen Szene ohnehin seit Jahren umstrittenen parlamentarischen Weg. Die NPD soll vielmehr „in einer Zeit des Umbruchs, in einer Periode in der zumindest Teile der Bevölkerung mit dem herrschenden System brechen oder wenigstens selbiges in Frage stellen“, ein Sammelbecken rechter radikaler Kräfte werden, die „an langfristigen, möglichst zeitlosen und existenziellen Kampagnen und Themen im Überlebenskampf unseres Volkes“ arbeiten. Auf eine Abgrenzung von der AfD verzichten die Verfasser des Appells. Offenbar streben Heise und Co. keine Konkurrenzsituation zu der rechtspopulistischen Partei an, sondern wollen die NPD vielmehr als eine Art radikale Ergänzung entwickeln.
Straße der Bewegung
Zu den Erstunterzeichnern der „Proklamation“ gehören neben Heise bislang nur zwei weitere Mitglieder des NPD-Bundesvorstands. Nicht mit dabei ist NPD-Chef Frank Franz, der aus der Sicht der „Völkischen“ wohl zu den verhassten systemaffinen Funktionären gehört. Unterschrieben haben den Appell sechs Vorsitzende westdeutscher Landesverbände, aber noch kein weiterer Landeschef aus dem Osten.
Die selbst ernannten NPD-Rebellen werden auf einem zweitägigen Politik-, Musik- und Kampfsportfestival in der Oberlausitz für ihre Positionen werben. Das Festival mit dem Titel „Schild & Schwert“ wird am 129. Geburtstag Adolf Hitlers am 20. April auf einem Hotelgelände in Ostritz, unmittelbar an der polnischen Grenze, beginnen. Heise und weitere Erstunterzeichner der „Proklamation“ sind als Redner gemeldet. Auch der Europa-Abgeordnete Udo Voigt, ein NPD-Urgestein, sowie Vertreter der Partei Die Rechte werden an Diskussionen teilnehmen. Szeneprominente Nazi-Rockbands aus dem Dunstkreis der militanten internationalen Nazibewegung „Blood&Honour“ treten auf. Das B&H-Netzwerk, das bei der Unterstützung der Rechtsterroristen vom NSU eine entscheidende Rolle spielte, wirbt bereits europaweit für das Event.
Interessant dürfte nicht nur sein, wie der „Völkische Flügel“ innerhalb der NPD die von ihm angestrebte inhaltliche Neuausrichtung der Partei in den politischen Diskussionen auf dem Festival erläutern wird, sondern auch, welche Protagonisten aus der Neuen Rechten in Ostritz dabei sein werden. Die für den Debattenort auf dem Festivalgelände auserkorene Bezeichnung „Straße der Bewegung“ dürfte jedenfalls nicht zufällig gewählt worden sein – die Neuen und Alten Rechten sind schon auf dem Marsch.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.