Lernen heimliche Staatsfeinde in der Bundeswehr-Eliteeinheit „Kommando Spezialkräfte“ (KSK) das Kämpfen? Darauf gibt es, mal wieder, deutliche Hinweise – und die Politik ist, mal wieder, aufgeschreckt. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) will „mit eisernem Besen“ durch die Truppe kehren und schließt auch eine Auflösung des KSK nicht mehr aus. Die neue Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl (SPD), reist an den Standort des Kommandos im schwäbischen Calw. Eine Arbeitsgruppe des KSK bastelt an tiefgehenden Reformen für die tausendköpfige Spezialeinheit, Ende Juni soll ein Bericht präsentiert werden.
Es ist also Feuer unterm Dach, und es brennt jetzt deshalb so lichterloh, weil die Verantwortlichen in Bundesregierung und Bundeswehr seit Jahrzehnten den braunen Rauch, der aus dem KSK aufstieg, ignorierten. 1996 war der vor allem aus Fallschirmjägern und Gebirgsjägern geformte Verband in Dienst genommen worden, um riskante Kampfeinsätze im Ausland, aber auch Spezialaufklärung und Geiselbefreiungen durchzuführen. Die Einheit sei bei Kämpfen in Afghanistan, zur Festnahme von Talibanführern sowie zur Ergreifung von serbischen Kriegsverbrechern der Balkankriege eingesetzt gewesen, heißt es offiziell. Weitere Details der KSK-Einsätze erfährt man nicht, was wohl auch daran liegt, dass es bei solch heiklen Operationen nicht immer um Fairness und Augenmaß geht, dafür aber fast immer ums Überleben. Entsprechend hart ist dann auch die Ausbildung der Elitekämpfer, politische Bildung steht eher hintan. Hauptsache, das KSK erledigt seine Drecksarbeit, lautet das Berliner Motto.
In den letzten 24 Jahren hat es rund um das KSK immer wieder aufsehenerregende Zwischenfälle gegeben. Es ging um Verherrlichung des Nationalsozialismus, die Verwendung rechtsextremer Symbole, rassistische Äußerungen, menschenverachtende Rituale, aber auch um Waffendiebstahl und die Beteiligung an rechten Untergrundnetzwerken. Zuletzt wurde Mitte Mai auf dem Privatgrundstück eines sächsischen KSK-Ausbilders, der seit zwanzig Jahren der Eliteeinheit angehört, ein Waffenlager ausgehoben – dabei eine Kalaschnikow, mehrere Tausend Schuss Munition, zwei Kilo Sprengstoff und weiteres Material zum Bombenbauen. Die Diebstähle des Mannes aus Bundeswehrbeständen waren zuvor ebenso wenig aufgefallen wie seine rechtsextreme Einstellung – trotz mehrfacher charakterlicher und psychischer Eignungsprüfung.
Bewaffnet für den Bürgerkrieg
Der Fall erinnert an die noch immer laufenden Ermittlungen des „Hannibal“-Netzwerks: Unter diesem Decknamen koordinierte ein Kampfsoldat mutmaßlich ein bundesweites Netzwerk paramilitärischer Untergrundgruppen, die sich auf einen politischen Systemwechsel mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen vorbereitet haben sollen. Ihm sollen vor allem aktive und ehemalige KSK-Kämpfer angehört haben.
Erneut in den Fokus geriet das KSK in den vergangenen Wochen nun, weil verdeckte Ermittlungen des MAD in der Elitetruppe 20 Verdachtsfälle auf Extremismus zutage förderten. Fast ausschließlich ging es dabei um rechtsextremistische Umtriebe, nur in einem Fall wurde ein KSK-Angehöriger wegen islamistischer Aktivitäten aus dem Verband entlassen. Im Vergleich zur Gesamttruppe der Bundeswehr sei die Zahl der Extremisten in der Eliteeinheit damit fünfmal höher, sagte Christof Gramm, Präsident des MAD.
Im KSK sei eine Art Sonderbewusstsein herangewachsen, konstatiert Klaus Naumann, Militärhistoriker und Mitglied des Beirates für Fragen der Inneren Führung des Bundesverteidigungsministeriums. Auch deshalb, weil die „Schrumpfperiode“ in der Ausstattung der Bundeswehr nahezu spurlos am KSK vorbeigegangen sei. „Im Gegenteil, das Ausstattungs- und Ausbildungsniveau des Kommandos ist beständig gewachsen“, sagte Naumann im Deutschlandfunk. „Man hat eine gute Personalstärke, eine große Führungsdichte, sie genießt in Ausstattung, Ausbildung, Verweildauer, Binnenstruktur einen Sonderstatus innerhalb der Bundeswehr. Das wirft aber andrerseits Probleme auf, etwa die Isolierung von der übrigen Truppe und ein Elitedenken.“
Hinzu kommt das Selbstverständnis, das dem Verband von der Führung vorgegeben wird. Klare Worte dazu hatte der zeitweilige KSK-Chef, Brigadegeneral Reinhard Günzel, gefunden. Günzel hatte das Kommando von 2000 bis 2003 geleitet, bevor ihn der damalige Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) feuerte, weil er auf Bundeswehr-Briefpapier eine von antisemitischen und völkischen Stereotypen durchsetzte Rede des CDU-Abgeordneten Martin Hohmann gelobt hatte. 2006 berichtete Günzel im Bildband Geheime Krieger offen vom Wehrmachts-Traditionsbewusstsein seines ehemaligen KSK. „Das Selbstverständnis der deutschen Kommandotruppen hat sich seit dem Zweiten Weltkrieg nicht geändert“, schrieb Günzel in dem von einem rechten Verlag veröffentlichten Buch. So würden sich die Elitekämpfer des Kommandos Spezialkräfte vor allem in der Tradition der – an zahlreichen Kriegsverbrechen beteiligten – Sondereinheit „Brandenburger“ sehen: „Die Kommandosoldaten des KSK wissen genau, wo ihre Wurzeln liegen. Die Einsätze der ‚Brandenburger‘ (...) gelten in der Truppe als geradezu legendär.“ Mit der Mitgliedschaft im KSK sei zudem ein „Ordensgedanke“ verbunden, vergleichbar dem Selbstverständnis der SS als Eliteorden, als „eingeschworener Männerbund“.
Funk den Adolf Hitler
Der vor Kurzem bekannt gewordene Brandbrief eines KSK-Hauptmanns lässt den Schluss zu, dass sich seit Günzels Zeiten wenig an diesem Selbstverständnis des Calwer Kommandos geändert hat. In dem zwölfseitigen Schreiben an das Verteidigungsministerium beschreibt der angehende Kommandosoldat eine „aggressiv-nationalkonservative Stimmung“ in der Truppe. Einer seiner Ausbilder habe als Funkkennzeichen immer die Bezeichnung Y-88 benutzt, wohl wissend, dass es sich bei „88“ um den von Neonazis verwendeten Code für „Heil Hitler“ handelt. Nachfragen dazu seien „mit einem Schulterzucken beantwortet“ worden.
Anschaulich schilderte der Hauptmann, wie die Ausbilder die Rekruten drangsalieren und mundtot machen. Es sei eine „toxische Verbandskultur“ entstanden, und es gebe eine „symptomatische und chronische Unterwanderung“ des Kommandos durch Rechtsextreme. Rechtsradikale Verhaltensweisen würden hingenommen, ein Kartell des Schweigens verhindere, dass etwas nach draußen dringe. Die Führung des Verbandes sei über die realen Umstände entweder im Unklaren oder mit deren Eindämmung überfordert.
Der Vorwurf geht an den amtierenden KSK-Kommandeur, Markus Kreitmayr. Der hatte zuletzt öffentlich auf die problematische Situation in seiner Einheit aufmerksam gemacht. An die in seiner Kommandotruppe versteckten Neonazis richtete er per offenen Brief die Warnung: „Wir werden Sie finden und entfernen.“
Ministerin Kramp-Karrenbauer hat den Hauptmann übrigens für seinen mutigen Brandbrief gelobt. Er habe damit eine „Mauer des Schweigens“ durchbrochen. Das mag stimmen. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass ihr Ministerium diese Schweigemauer jahrzehntelang hingenommen hat. Nun ist es an der Ministerin, sie zu durchbrechen.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.