Voreilig geschürte Erwartungen

NPD Bund und Länder treiben ein neues Verbotsverfahren gegen die NPD voran. Die Erfolg ist äußerst fraglich, der Sinn ebenfalls

Ende letzten Jahres schien plötzlich alles so einfach. Die sogenannte Zwickauer Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) war aufgeflogen, drei mutmaßlichen Rechtsterroristen wurden die Morde an neun Migranten und einer Polizistin zur Last gelegt. Die Ermittler fanden heraus, dass NPD-Funktionäre zumindest in der Anfangszeit das im Januar 1998 in den Untergrund gegangene braune Trio unterstützt hatten. Einer soll sogar Waffen für die drei besorgt haben. Anfang Dezember 2011 kündigte Generalbundesanwalt Harald Range recht forsch an, er rechne im Verlauf der NSU-Ermittlungen mit weiteren Belegen für die Nähe der Terrorzelle zur NPD.

Die NSU als bewaffneter Arm der NPD? Eine rechte Mördertruppe als Vollstrecker einer auf Rassismus und Antisemitismus basierenden nationalsozialistischen Parteiprogrammatik? In einem solchen Fall wäre ein Verbot der NPD wohl nur noch Formsache gewesen. Aber dieser Traum ist ausgeträumt. Nach vier Monaten intensiver Ermittlungsarbeit räumte der Generalbundesanwalt jetzt ein, „nach heutigem Erkenntnisstand“ könne man wohl nicht davon sprechen, dass die NSU eine Art „Armee der NPD“ gewesen sei. Die personellen Verflechtungen zwischen einigen mutmaßlichen NSU-Unterstützern und der NPD seien nur Einzelfälle. Zwar hätten die Verdächtigen und die NPD eine gemeinsame ideologische Basis. Aber „das allein ist noch nicht strafbar“, sagte Range.

Furcht vor Radikalisierung

Die Politik will es dennoch wissen und treibt trotz aller Unwägbarkeiten ein neuerliches Verbotsverfahren voran. Dabei wird bislang nur über den Abzug von V-Leuten aus der NPD diskutiert und die Frage, ob man auch ohne die staatlichen Spitzel genug Argumente für ein Verbot der Partei zusammenbekommt. Die Kernfrage wird aber nicht gestellt: Was bringt es eigentlich, die NPD loszuwerden?

Nicht viel.

Zunächst einmal ist die NPD mit ihren rund 5.900 Mitgliedern eine Partei mit zerrütteten Finanzen. Ihre Wahlerfolge sind anhaltend marginal. Zwar sitzen Mitglieder der Partei in zwei Landtagen – Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen – sowie in mehreren Kommunalparlamenten; und nach einem Verbot verlöre die NPD alle diese Mandate, ihre Abgeordneten müssten ausscheiden. Auswirkungen auf die öffentliche Wirkung der NPD hätte das aber kaum, denn ihre Arbeit in den Parlamenten wird schon jetzt kaum publik.

Breit ist in Deutschland hingegen die ideologische Basis, die alle Rechtsextremen eint, ob sie nun NPD-Mitglied sind oder nicht. Diese Ideologie verschwindet mit einem NPD-Verbot nicht, die Gefahr für die demokratische Gesellschaft bleibt und wächst dann vielleicht sogar noch. Einzelne NPD-Mitglieder und -Anhänger könnten sich durch das Verbot ihrer Partei radikalisieren und – nach dem Vorbild des NSU – zu einem aus dem Untergrund heraus geführten Kampf gegen das System übergehen.

Denn bei allen Vorbehalten gegen die ohne Zweifel verfassungsfeindliche NPD darf man ihre teilweise disziplinierende Wirkung auf die rechte Szene nicht unterschätzen. Vor allem mit ihren – regionalen – Wahlerfolgen der letzten Jahre hat sie bei einem nicht zu kleinen Teil dieser Szene erreicht, den friedlichen parlamentarischen Weg als Handlungsalternative zum militanten Kampf gegen das System zu etablieren.

Nicht zuletzt zwingen Existenz und Präsenz der NPD auch die demokratische Zivilgesellschaft zu einer offensiven inhaltlichen Auseinandersetzung mit rechter Ideologie. Diese Auseinandersetzung eint die überwiegende Mehrheit der Gesellschaft in ihrer – zumindest öffentlich vertretenen – Ablehnung dieser Ideologie, was bislang auch Wahlerfolge rechtspopulistischer Parteien verhinderte. Nach einem Verbot der NPD aber könnte sich eine Nachfolgepartei gründen, die sich ein bewusst unschärferes und weniger radikales Programm gibt und damit jenen rechtslastigen Teil der Gesellschaft anspricht, der die NPD zu extrem war.

Derzeit werden allerdings weniger die möglichen Folgen eines NPD-Verbots diskutiert als seine Erfolgschancen. Doch auch darum steht es nicht zum Besten. Zwar wollen die Innenminister der Länder nun den ersten Schritt tun und die angeblich mehr als 20 V-Leute in den Führungsgremien der Partei abschalten. Die bloße Willensbekundung wird aber nicht reichen. Das Bundesverfassungsgericht, das über ein neues Verbotsverfahren befinden müsste, dürfte auch Beweise dafür sehen wollen. Was bedeutet, dass die Verfassungsschützer wohl die Klarnamen ihrer Quellen offenlegen müssen. Und nicht nur das: Einzelne der Zuträger müssen auch damit rechnen, in Karlsruhe als Zeugen gehört zu werden.

Teure Informanten

Schon regt sich dagegen entschlossener Widerstand beim Geheimdienst. Bereits nach dem ersten gescheiterten Verbotsverfahren, in dessen Verlauf insgesamt 30 V-Leute aus den NPD-Führungsgremien aufflogen, war es den Verfassungsschützern schwergefallen, neue Spitzel anzuwerben. Sollte sich nun Ähnliches wiederholen, würde das die Arbeit mit V-Leuten in der rechten Szene weiter erschweren.

Aber wie lässt sich vor dem Bundesverfassungsgericht die aktiv-kämpferische Haltung der NPD belegen, wenn man – wie es Karlsruhe 2003 gefordert hat – auf die Informationen der V-Leute verzichten muss? Natürlich gibt es den einen oder anderen rassistischen Ausfall eines NPD-Funktionärs in der Öffentlichkeit. Es existieren Positionspapiere, aus denen sich das Streben der Partei nach einer Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung herauslesen lässt. Und nicht zuletzt lassen sich diverse Strafverfahren gegen einzelne Parteimitglieder wegen Volksverhetzung, Körperverletzung, illegalen Waffenbesitzes oder Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole anführen. Auch kann man mit der „Wesensverwandtschaft“ der NPD mit gewalttätigen Neonazi-Kameradschaften und einer Terrorgruppe wie dem NSU argumentieren.

Doch ob es reichen wird, mit diesen weitgehend aus offenen Quellen stammenden Einzelfällen die innere verfassungsfeindliche Einstellung der Gesamtpartei nachzuweisen, bleibt ungewiss. Zumal die NPD bei einer Niederlage in Karlsruhe den Europäischen Gerichtshof anrufen könnte und dieser sehr hohe Maßstäbe an ein Parteienverbot anlegt.

Sicherer wäre es deshalb, könnte man Informationen aus den inneren Kreisen der extremistischen Partei hinzufügen. Diese aber unterliegen, weil sie in der Regel von Spitzeln des Verfassungsschutzes stammen, möglicherweise einem Verwertungsverbot: Verbotsanträge dürfen nicht „in erheblichem Umfang“ auf Äußerungen von Parteimitgliedern gestützt werden, „die nachrichtendienstliche Kontakte mit staatlichen Behörden unterhalten oder unterhalten haben“, hatten die Verfassungsrichter im ersten NPD-Verbotsverfahren vor neun Jahren deutlich gemacht. Allerdings könnte man es trotzdem wagen, dieses Material zu verwenden, denn die Entscheidung von 2003 hat „keine Bindungswirkung“ für spätere Verbotsverfahren, wie das Gericht seinerzeit ausdrücklich feststellte.

Ein riskantes Unterfangen bleibt ein neues NPD-Verbotsverfahren so oder so. Gleichwohl werden die Ministerpräsidenten die Vorbereitungen nun wohl auf den Weg bringen. Denn der Erwartungshaltung, die sie nach dem Auffliegen des NSU voreilig geschürt haben, entkommen die Parteien ohne Gesichtsverlust nun nicht mehr.

Andreas Förster hat sich als freier Journalist auf Themen der inneren Sicherheit spezialisiert

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