Antisemitische NS-Verherrlichung durch Höcke?

Antisemitismus; Rassismus "Afrikanischer Ausbreitungstyp", "jüdisch-christlicher Antagonismus" - die Lektüre Landolf Ladigs könnte klären, was Björn Höcke (AfD) (aka "Landolf Ladig"?) damit meint.

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Die beiden letzten von Björn Höcke (AfD-Fraktionschef in Thüringen) einem größeren Publikum bekannt gewordenen Äußerungen zum "afrikanische Ausweitungstyp" und zum "jüdisch-christlicher Antagonismus" wurden von ihm verteidigt, deren Deutungen als Rassismus bzw. Antisemitismus als "Fehlinterpretation" dargestellt.

Zur Klärung der richtigen Interpretation könnte eine Lektüre des NPD-Autoren "Landolf Ladig" hilfreich sein. Björn Höcke steht unter dem Verdacht, der Autor hinter dem Pseudonym "Landolf Ladig" zu sein. Der alte AfD-Bundesvorstand unter Bernd Lucke wollte die Zusammenhänge klären, wurde dann aber durch einen neuen Bundesvorstand ersetzt. Die jüngsten Äußerungen von Höcke zeigen, warum die Klärung wichtig ist, ob Höcke 2011/2012 in seiner Zeit als Geschichtslehrer, also noch vor seiner Zeit als AfD-Politiker, unter dem Pseudonym "Landolf Ladig" für völkische Magazine Artikel verfasst hat.

Höcke vertritt wie "Ladig" den Ansatz einer "organischen Marktwirtschaft". Dieser Begriff findet sich im Internet außer bei Höcke und bei "Ladig" sonst nur noch einmal, nämlich in einer nationalsozialistische Schrift des Reichsnährstandes von 1936.

Ausgeführt wird dieses Konzept von "Landolf Ladig" in einem Artikel der völkischen Zeitschrift „Volk in Bewegung“ vom militanten Neonazi und NPD-Kader Thorsten Heise, einem Bekannten von Björn Höcke aus dem Thüringer Eichsfeld. "Landolf Ladig" hatte in dem entsprechenden Artikel von 2011 komplett einen Leserbrief von Björn Höcke aus dem Jahr 2008 übernommen, ohne dieses (Selbst?)Plagiat als Zitat kenntlich zu machen. Und "Ladig" preist in diesem Artikel wie Björn Höcke 2015 das Buch "Der deutsche Genius" von Peter Watson. Höcke und "Ladig" sprechen ehrfurchtsvoll vom "Opus Magnum" und "beide" nennen es fälschlicherwiese "Genius der Deutschen" statt "Der deutsche Genius". Diese und zahlreiche weitere an anderer Stelle ausgeführte Indizien sprechen dafür, dass "Landolf Ladig" Höckes Pseudonym ist. Das soll hier nicht weiter ausgeführt werden und für den Text ist es an dieser Stelle nicht relevant, ob Höcke als"Ladig" oder ob er eng mit ihm zusammen seit Jahren an einer völkischen Ideologie der "organischen Marktwirtschaft" bastelt.

"Ladigs" Konzept der "organischen Martkwirtschaft" liefert die Erklärung dafür, wie Höcke den "jüdisch-christlichen Antagonismus" und den "afrikanischen Ausweitungstyp" verstanden haben könnte. Es geht "Ladig" darum, Ökonomie und Ökologie in einer bestimmten Weise zu "versöhnen", er spricht - wie Höcke - an verschiedenen Stellen von "Selbstregulierung" bzw. "Homöostase" zwischen Mensch und Natur. Dazu gehört, das ökologische Konzept auf die Stammesentwicklung (Phylogenese) der Menschen auszudehnen, womit gemeint ist, nicht nur "Krötenhabitate" ökologisch zu schützen, sondern auch "Kulturräume", die sich "rassen"bezogen unterschiedlich entwickelt haben sollen; Ladig bezieht sich wörtlich auf das Rassenkonzept (und Höcke spricht mit "populationsökologischer Brille" vom "afrikanischem Ausbreitungstyp" versus "europäischem Platzhaltertyp"). Die GRÜNEN hätten in ihrem Ökologiekonzept die Ökologie der "Kulturräume" nicht berücksichtigt, wodurch es zu einem multikulturellen Machbarkeitswahn komme, zu Gesellschaftexperimenten des Multikulturalismus und des Gendermainstreaming, führt "Ladig" 2011/2012 aus (und Höcke fordert 2015 mit der "Erfurter Resolution", diese "Gesellschaftsexperimente" zu beenden). Die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie, von Mensch und Natur, setze ein ökonomisches Modell der Postwachstums voraus, eine Abkopplung vom "zinsbasierten Globalkapitalismus". Dies sei erstmals im Nationalsozialismus geschehen, wo sich eine "staatlich organisierte Antiglobalisierungsbewegung" prächtig entwickeln konnte. Leider seien dieser Volkswirtschaft nicht "genügend Friedensjahre gegönnt" worden, weil wie schon 1914 auch Ende der 1930er Jahre Deutschland von fremden Mächten überfallen wurde, um zu verhindern, dass sich das erfolgreiche Wirtschaftskonzept der Nazis auf andere Staaten ausdehne. Die Glut dieser erfolgreichen Bewegung sei aber noch in einer Avantgarde vorhanden, die als identitäre Systemopposition in der kommenden Revolution ihren Führungsanspruch durchsetzen müsse.

Soweit "Landolf Ladig", entweder ein Pseudonym von Björn Höcke, oder aber eine unbekannte Person, die seit Jahren aufs engste mit Höcke zusammenarbeitet (ersteres halte ich für plausibler).

"Ladig" bedient hier nicht nur eine verkürzte Kapitalismuskritik, wenn er vom "zinsbasierten Kapitalismus" spricht, die mit einem strukturellen Antisemitismus einhergeht, da hier die antisemitische Unterscheidung zwischen "raffenden jüdischen" und "schaffenden deutschen Kapital" immer schon mitschwingt. Wenn er von der staatlich organisierten Antiglobalisierungsbewegung im Nationalsozialismus spricht, die ein derartiges Erfolgsmodell gewesen sein soll, dass fremde Mächte angeblich Deutschland überfallen mussten, dann bezieht er sich auch konkret auf ein Wirtschaftssystem, welches die "Arisierung" jüdischen Eigentums mit einschloss. Der Zweite Weltkrieg begann im September 1939 mit dem Überfall auf Polen. Seit 1933 fand bereits eine "Arisierung" jüdischen Kapitals statt (Enteignungen, "Reichsfluchtsteuer", etc.), 1938 wurde die "Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben" erlassen usw. Die "Arisierung" bzw. Enteignung jüdischen Eigentums war ein wichtiger Bestandteil der nationalsozialistischen "organischen Wirtschaft". Diese "organische Marktwirtschaft" ("Ladig"/ Höcke) zu feiern ist deutlich völkisch-antisemitisch und passt sehr gut zur Aussage, das Christentum und das Judentum seien antagonistisch.

Um Höckes Aussagen über den "afrikanischen Ausbreitungstyp" und den "Antagonismus von Judentum und Christentum" richtig interpretieren zu können ist daher zu klären, in welcher Beziehung "Ladig" und Höcke stehen, bzw. ob Höcke 2011/2012 unter dem Pseudonym "Landolf Ladig" schrieb, wofür alle Indizien sprechen. Solange der AfD-Bundesvorstand diese Klärung weiterhin nicht vornimmt, muss die sogenannte „inhaltliche Distanzierung“ des Bundesvorstandes von Höcke als Lippenbekenntnis, bzw. als Form einer differenzierten Zusammenarbeit interpretiert werden.

Der alte Bundesvorstand um Bernd Lucke hatte bereits im Frühjahr 2015 von Björn Höcke verlangt, eine eidesstattliche Erklärung abzugeben, dass er nicht als „Landolf Ladig“ geschrieben hat, und er hatte verlangt, dass Höcke mich für meine Aussagen bezüglich „Landolf Ladig“ anzeigen solle. Beides hatte Höcke nicht gemacht. Ein Amtsenthebungsverfahren gegen Björn Höcke wurde unter dem neuen Bundesvorstand eingestellt. Der AfD-Funktionär und JA-Vorsitzende Sven Tritschler teilte mir mit, dass es die Strategie der AfD sei, mich zu ignorieren. Vor der Bekanntmachung der Ladig-Höcke-Überschneidungen hatte Höcke in seinen Vorträgen noch minutenlang Diffamierungen zu meiner Person geäußert, die in der Forderung mündeten, „Kemper in die Produktion“. Seit meinen Veröffentlichungen zur Causa „Ladig“ gilt die von Tritschler dargestellte Strategie und sie funktioniert.

Die kritischen Medien durchleuten durchaus die Höcke-Kubitschek-Verbindung zur Neuen Rechten; sie ignorieren weitgehend die Höcke-Heise-Verbindung zum Neonazismus. Der AfD-Vorstand sollte von der Öffentlichkeit so weit unter Druck gesetzt werden, dass er Höcke vor die Wahl stellt, die ganzen "Zufälligkeiten" in der Causa "Ladig" plausibel zu erklären oder die AfD zu verlassen. Von selber wird der AfD-Vorstand dahingehend nicht tätig werden sondern es bei Lippenbekenntnissen belassen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andreas Kemper

Ich arbeite als Soziologe kritisch zu Klassismus, Organisiertem Antifeminismus und die AfD

Andreas Kemper

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