Arbeiterkinder sprechen

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Lange Zeit waren Begriffe wie "Klasse" oder "Arbeiterkinder" tabuisiert. Die Mentor_innen-Organisation Arbeiterkind.de, Arbeiterkind-Rapper Sinan, das Magazin "The Dishwasher" stehen für eine neue klassenbewusste Politik der ersten Person Plural.

Der Begriff "Arbeiterkinder" scheint an Attraktivität zu gewinnen.

So hat die 2008 von Katja Urbatsch gestartete Initiative Arbeiterkind.de etliche Preise gewonnen, ein ungewöhnlich hohes Medienecho erzeugt und kann auf über 1.300 Mentor_innen in zahlreichen Hochschulstädten zurückgreifen. Der Name "Arbeiterkind" scheint dem Medienhype keinen Abbruch getan zu haben, im Gegenteil.

2009 brachte Sinan, ein deutsch-türkischer Rapper aus Berlin sein Album "Sinan - Sohn seiner Klasse" heraus. Er singt von sich als Arbeiterkind und von der Klassengesellschaft. Sein älterer Bruder ist der bekannte Rapper Cool Savas. Aber ebenso geprägt ist er von der Erfahrung seines Vaters, der fünf Jahre in einem türkischen Knast saß, weil er Flugblätter druckte.

Seit Januar geben wir, das "Referat für finanziell und kulturell benachteiligte Studierende" im AStA der Uni Münster, das Magazin "The Dishwasher - Magazin für studierende Arbeiterkinder" heraus. Neben der Papierausgabe haben wir einen Blog gebastelt, der gut frequentiert ist und mit dem sich viele Ideen realisieren lassen. Das Web 2.0 erlaubt uns eine reflexive Identitätspolitik, eine schnelle Rückversicherung und eine plötzliche Medienaufmerksamkeit. Verschiedene Medien brachten bereits längere Beiträge über dieses neue Magazin und wir konnten unsere Kritik an der Antidiskriminierungsstelle des Bundes in einer größeren Zeitung platzieren. So berichtete die Frankfurter Rundschau über das Forschungsprojekt "Diskriminierung an Hochschulen", welches Soziale Herkunft nicht angemessen berücksichtigt, nur weil Soziale Herkunft kein Diskriminierungsgrund im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ist. Wir bleiben an dem Thema dran und werden ausführlich darüber berichten.

Ein weiteres Projekt, welches wir realisieren wollen, ist die Sammlung von Erfahrungsberichten von "Arbeiterkindern" (wir benutzen diesen Begriff sehr weit und meinen damit auch Nicht-Akademikerkinder oder "finanziell benachteiligte" Lernende). Aus unserer Arbeit, beispielsweise aus unserer Beratungspraxis, kennen wir viele Fälle von studierenden Arbeiterkindern, die durch alle Netze fallen. Und wir kennen spannende Geschichten, traurige und Hoffnung machende. Falls Ihr also selber "Arbeiterkinder" im weiteren Sinne seid, könnt ihr uns gerne Eure Erfahrungen im Bildungsystem mitteilen. Kurzbiografien, nette Anekdoten, typische oder atypische Unverschämtheiten, Glücks- und Unglücksfälle.

Ihr könnt uns Eure Geschichten auch gerne anonym zuschicken:

asta.fikus@uni-muenster.de

Liebe Grüße

Andreas

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andreas Kemper

Ich arbeite als Soziologe kritisch zu Klassismus, Organisiertem Antifeminismus und die AfD

Andreas Kemper

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden