Es ist falsch zu sagen, Höcke sei kein Nazi

NS-Verherrlichung Alle Indizien sprechen dafür, dass Björn Höcke 2011/2012 den Nationalsozialismus verherrlichte, eine nationale Revolution befürwortete und zur NPD-Wahl aufrief.

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Toralf Staud schrieb im Oktober 2015 für ZEIT-ONLINE einen Artikel "Höcke ist kein Nazi". Einleitend heißt es dort: "Vieles, was der Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Höcke sagt, klingt absonderlich. Doch wer ihn in die Nazi-Ecke stellt, hat ihn nicht verstanden – sondern hilft ihm nur."

Toralf Staud weist dort nach, dass viele Positionen von Höcke aus der Ideologie der "Neuen Rechten" stammen, die sich auf die demokratiefeindliche "Konservative Revolution" der Weimarer Republik bezieht. Tatsächlich hat Björn Höcke enge Kontakte zu Götz Kubitschek vom "Institut für Staatspolitik" in Sachsen-Anhalt.

Staud fordert "also genau hinhören und detailliert reagieren" und hat damit recht.

Es ist falsch, Menschen, die sich irgendwie ungewöhnlich rechts äußern, als Nazis zu bezeichnen. Mit dem Nazi-Vorwurf muss sehr vorsichtig umgegangen werden.

Allerdings wäre es auch falsch, Neonazis nicht als Neonazis zu bezeichnen, nur weil Neonazis sich aktuell auch der Rhetorik der Neuen Rechten bedienen. Bei Björn Höcke ist es nicht klar, dass er kein Neonazi ist. Etliche Indizien (zusammenfassend, umfassend, zuletzt) weisen darauf hin, dass Björn Höcke 2011 und 2012 unter dem Pseudonym "Landolf Ladig" NS-verherrlichende Texte geschrieben hat.

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Der AfD-Bundesvorstand unter Bernd Lucke forderte Höcke auf, diese Vorwürfe auszuräumen. Höcke lehnte dies ab, es kam zu einem Amtsenthebungsverfahren. Allerdings musste Lucke die Partei verlassen und André Poggenburg beendete das Amtsenthebungsverfahren gegen Björn Höcke. Seither sind viele weitere erhebliche Indizien zulasten Höckes aufgedeckt worden.

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Dass Höcke und "Ladig" zwei verschiedene Personen sein sollen, erscheint aufgrund der vorliegenden Indizien nicht plausibel erklärbar zu sein. Dies würde aber heißen, dass Höcke zwischen 2011 und 2012 den Nationalsozialismus verherrlichte und dazu aufrief, in der vermeintlich kommenden Revolution den Führungsanspruch einer rassistischen Bewegung durchzusetzen, die sich der Wirtschaftspolitik des NS-Regime verpflichtet fühlt.

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Dagegen ist der Aufruf von "Ladig" von 2012, die NPD zu wählen, noch harmlos. Thorsten Heise, der Herausgeber der "Ladig"-Texte und ein Bekannter von Höcke, ist eben auch nicht einfach "nur" ein NPD-Kader, sondern ein militanter mehrfach vorbestrafter Neonazi mit engen Kontakten zum "Thüringer Heimatschutz". Heise könnte aufklären, wer "Ladig" ist, das heißt aber auch, Heise könnte Höcke erpressen, wenn Höcke "Ladig" sein sollte, um eine AfD-Politik im Sinne des rechten Flügels der NPD umzusetzen. Höcke sitzt übrigens für die AfD im NSU-Untersuchungsausschuss in Thüringen, auch das könnte für Heise oder Heises Umfeld interessant sein. Die Frage ist, ob Heise Höcke überhaupt erpressen muss oder ob Höcke nicht von sich aus bereits eine entsprechende Politik betreibt. Auf letzteres deutet Höckes Verhalten hinsichtlich des NS-Sprachgebrauchs hin. Höcke scheint systematisch an der Enttabuisierung und Wiederherstellung der Nazisprache zu arbeiten. Auch das unterscheidet ihn übrigens von der Neuen Rechten, die eher im elitären Duktus der "Konservativen Revolution" spricht.

Um klar zu stellen: Hier wird nicht gesagt, dass Höcke ein Neonazi ist. Allerdings ist die Indizienlage erdrückend. Die Aussage "Höcke ist kein Nazi" ist aufgrund der vorliegenden Hinweise und aufgrund der Weigerung der AfD und von Thorsten Heise, dutzende von Überzufälligkeiten aufzuklären, aktuell nicht begründbar. Dass die AfD sich weigert, die Causa "Ladig" aufzuklären, heißt allerdings, dass die AfD potentielle Neonazis in Führungspositionen duldet.

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Geschrieben von

Andreas Kemper

Ich arbeite als Soziologe kritisch zu Klassismus, Organisiertem Antifeminismus und die AfD

Andreas Kemper

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