Medien verschlafen interne rechte Vorwürfe

AfD-NPD-Kontakte Die Massenmedien werden als "linke Lügenpresse" diffamiert. Tatsächlich sind sie - bezogen auf den rechten Rand der AfD - zu wenig investigativ aktiv.

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Die Thüringische Allgemeine brachte am 31.10.2014 einen sehr guten Artikel über den Landesfraktionsvorsitzenden der AfD in Thüringen, Björn Höcke. Dort wurden die direkten Kontakte zum militanten Neo-Nazi Thorsten Heise aufgedeckt:

Thorsten Heise ein Familienvater aus Höckes Nachbardorf im Eichsfeld, dessen Kinder in dieselbe Schule wie die eigenen gehen. Andererseits ist Heise ein vorbestrafter Neonazi (schwere Körperverletzung, Volksverhetzung und Landfriedensbruch, unter anderem), der auf Platz 2 der NPD-Landesliste kandidierte, einen rechtsradikalen Versandhandel betreibt und dessen Name im NSU-Prozess in München regelmäßig fällt. Was also tun, wenn man Heise trifft, etwa auf dem Sommerfest der Schule? Für Höcke kein Problem. Die Familie mache einen guten Eindruck, sagt er, "da gibt man sich natürlich die Hand und kommt ins Gespräch" - "auch über Politik." Ob er nicht wisse, wer Heise sei? "Natürlich, das ist ja ein bekannter Mann im Eichsfeld." Aber eine Nähe zur NPD ließe sich damit nicht herbei konstruieren. Heise beschreibt die "kurzen, höchstens zehnminütigen Gespräche" als angenehm und teilt mit, dass er es gut finde, dass "Herr Höcke ernst meint, was er sagt" - und "bedauerlich, dass er in der AfD ist und nicht bei uns".

Hätten die Medien dort nicht nachhaken müssen? Ein Landesfraktionschef mit direkten Kontakten zur militanten Neo-Nazi-Szene?

Spätestens seit Höcke der Wortführer eines wachsenden Flügels in der AfD ist, dem sich zwei Landeschefs der AfD angeschlossen haben (Ploggenburg (Sachsen-Anhalt) und Gauland (Brandenburg)), hätte doch dieser Spur nachgegangen werden müssen.

Ich hatte darauf verwiesen, dass in einem Artikel von Heises NPD-Magazins Eichsfeld-Stimme (Nr. 8, 2012) direkt Bezug genommen wird auf das Wohnhaus von Björn Höcke. In diesem Artikel findet sich die politische Phrase "organische Marktwirtschaft", die sich laut Google nur dort findet - und bei Höcke.

In der Eichsfeld-Stimme Nr. 9 (2012/2013) findet sich die politische Phrase "Werte-, Sitten- und Normengefüge". Auch diese Phrase findet sich laut Google-Suchmaschine ausschließlich in diesem Neo-Nazi-Magazin und in den Reden von Höcke.

Ich habe zahlreiche weitere Überschneidungen gefunden. Doch bleiben wir bei diesen beiden Fundstücken.

Wäre es vielleicht noch denkbar, dass sich Höcke 2014 eine politische Phrase ausdenkt, die sich wortgleich 2012 in der Eichsfeld-Stimme findet, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass er sich gleich zwei politische Phrasen ausdenkt, die wortgleich zwei Jahre zuvor erschienen sind, so gering, dass dies ausgeschlossen werden kann. Zumal es sehr viel mehr Überschneidungen gibt und Höcke den Herausgeber dieses Blättchens persönlich kennt.

Wenn Höcke 2014 und 2015 zwei politische Phrasen von sich gibt ("organische Marktwirtschaft", "Werte-, Sitten- und Normengefüge"), die sich laut Google ausschließlich in der Neo-Nazi-Postille "Eichsfeld-Stimme" befanden, dann ist eine naheliegende Erklärung, dass Höcke von diesem NPD-Blatt abgeschrieben hat, dass er politische Phrasen und damit verbundene politische Positionen der NPD salonfähig zu machen gedenkt. Es läge dann vor, was die NPD bereits 2013 von sich gab. Aus "NPD-Sicht" komme

der Initiative „Alternative für Deutschland“ eine lobenswerte Eisbrecher- und Türöffner-Funktion zu. Sie verfügt – nicht zuletzt durch ihre angesehene Professoren-Riege – über den Medienzugang, den die NPD noch nicht hat.

Dies wäre noch eine sehr wohlwollende Interpretation der vielfältigen Überschneidungen zwischen Texten aus Heises NPD-Magazinen und Höckes Reden.

Erschreckender wäre nämlich eine andere Möglichkeit: Dass Höcke nicht von der NPD abgeschrieben hat, sondern dass die Texte von ihm sind.

Nachdem selbst das AfD-Parteimitglied Hans-Olaf Henkel auf das "völkische Gedankengut" seines Parteikollen Höcke hingewiesen hat, wäre es die Aufgabe der Medien gewesen, dem nachzugehen.

Natürlich gäbe es noch eine dritte Möglichkeit, dass zum Beispiel Höcke und NPD von einer dritten Quelle abgeschrieben haben, die online nicht gefunden wird. Gibt es diese Quelle nicht, scheidet diese Möglichkeit aus und es bliebe bei den beiden vorherigen Möglichkeiten: Höcke macht gezielt NPD-Propaganda oder schlimmer: Höcke war für die NPD aktiv und verbreitet seine ehemaligen Thesen nun als AfD-Fraktionsvorsitzender.

Der Medien-Wissenschaftler Michael Haller hatte bereits während der Sarrazin-Debatte die Medien für deren zu wenig reflektierten Umgang kritisiert. Auch damals wurden die rassenhygienischen Quellen zu wenig untersucht und statt einer Spurensuche gab es eine "hippe" Berichterstattung. In Frankreich steht die Front National gerade bei 30%. Gerade in Deutschland können es sich die Medien nicht leisten, mit dem rechten Auge zu schlafen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andreas Kemper

Ich arbeite als Soziologe kritisch zu Klassismus, Organisiertem Antifeminismus und die AfD

Andreas Kemper

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