NachDenkSeiten & Hans-Olaf Henkel United

Rechtspopulismus Mit einer massiven Kampagne versuchen marktradikale und antifeministische Netzwerke, Wikipedia-Autorinnen einzuschüchtern. Die NachDenkSeiten sind daran nicht unschuldig.

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Hans-Olaf Henkel sieht in Wikipedia das Grundgesetz außer Kraft gesetzt. "Liberale" Zeitschriften wie eigentümlich frei würden diffamiert, so schrieb er in seiner Montagskolumne im Handelsblatt. Hans-Olaf Henkel greift hier zu einer reißerisches Rhetorik:

Im Internet ist die Pressefreiheit besonders bedroht. Neuerdings ist Wikipedia das Schlachtfeld perfider Anschläge auf die Pressefreiheit. Ideologen geht es dabei nicht mehr nur um Einflussnahme auf Presseorgane, sondern um ihre Vernichtung. Zurzeit versuchen sie, das intellektuell anspruchsvolle, der Freiheit verpflichtete Magazin „Eigentümlich Frei“, über Manipulationen von Wikipedia sturmreif zu schießen.

Hintergrund ist, dass in einem Wikipedia-Artikel auf die Analysen der Rechtspopulismus-Forscherin Karin Priester zurückgegriffen wurde, die der marktradikalen Zeitschrift eigentümlich frei eine Nähe zum Rechtsextremismus unterstellt. Zurückgegriffen wurde im Wikipedia-Artikel auf einen Beitrag der Bundeszentrale für Politische Bildung, wo es zur eigentümlich frei heißt:

Das Grundübel sehen sie im "Sozialdemokratismus", von dem auch die CDU unter dem Vorsitz von Angela Merkel befallen sei. Libertarier sind gegen die von den Grünen geschürte "öko-alarmistische Klimaangst", gegen Feminismus und "Genderterror", gegen die "gutmenschlich" auftretenden Kirchen, gegen die "Diktatur der political correctness",[25] gegen den Sozialstaat und den "Gleichheitskult". Seit 2007 sucht der Herausgeber von "eigentümlich frei", André Lichtschlag, der ein Bündnis radikal libertärer und nationalkonservativer Kräfte anstrebt, auch die Nähe zum RE. Neben dem NPD-Vorsitzenden Udo Voigt und dem Nationalanarchisten Peter Töpfer kam Angelika Willig, bis 2009 Chefredakteurin von "Hier & Jetzt", der Theoriezeitschrift der sächsischen NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten und Vordenkerin eines grundsätzlichen Systemwechsels, zu Wort. Als ideologisches Bindeglied zwischen Libertarismus und RE fungiert der Sozialdarwinismus als Ideologie der naturgewollten Überlegenheit der Starken gegenüber den Schwachen, der Elite gegenüber der Masse.

Wikipedia soll neutral berichten. Das heißt, dass auf wissenschaftliche Quellen zurückgegriffen werden soll. Karin Priester ist eine renommierte Rechtspopulismus-Forscherin. Es besteht kein Grund, an ihrer Einschätzung zu zweifeln, vor allem dann nicht, wenn man sich die Zeitschrift eigentümlich frei ansieht. Marktradikale sind nicht zwingend rechtspopulistisch. Indem sie aber die soziale Ungleichheit verschärfen, auf der anderen Seite aber Antidiskriminierungsrichtlinien abschaffen wollen, fördern sie indirekt Diskriminierungen. Im Fall von eigentümlich frei wird nicht nur diese indirekte Förderung von Diskriminierung billigend in Kauf genommen, sondern es wird auch die Nähe zu Rechtsextremisten gesucht. Paläoliberatismus wäre hier wohl die richtige Zuordnung und Karin Priesters Analyse scheint völlig korrekt zu sein. Perfide ist nun, dass Wikipedia-Autor_innen angegriffen werden, weil sie Karin Priesters Analysen zitieren. Wikipedia-Autor_innen derart anzugreifen ist als Versuch der politischen Einflussnahme deutlich zurückzuweisen. Hans-Olaf Henkel unterstützt mit seiner Kolumne eine Kampagne von eigentümlich frei, die dazu aufruft, Hintergründe, bspw. die Klarnamen von Wikipedia-Autor_innen herauszufinden. Diese Kampagne gegen einzelne Wikipedia-Autor_innen muss dringend beendet werden.

Arne Hoffmann, regelmäßiger Kolumnist der eigentümlich frei, weist wohlwollend auf die Kampagne mit dem irreführenden Titel "Rettet Wikipedia" hin, die nahtlos an seine eigene Kampagne anschließt. Vor wenigen Monaten haben er und Michael Klein eine antifeministische Kampagne gegen die Wikipedia-Autorin Fiona Baine gestartet. Nachdem Internetportale wie Netzfeminismus und Femgeeks den Fall bekannt gemacht hatten, griff der deutsche Verein Wikimedia ein und problematisierte die Angriffe von Arne Hoffmann/ Michael Klein. Darauf hin riefen Arne Hoffmann und Michael Klein zum Boykott von Wikipedia auf.

Auch beim Thema Antifeminismus ging es um die politische Einordnung. Arne Hoffmann ist bemüht, sich als "links" darzustellen. Hierzu nimmt er eine generelle Linksverschiebung vor: die extrem rechte Junge Freiheit, für die er Artikel schrieb, gilt ihm als "konservativ", die rechts-libertäre eigentümlich frei als "liberal" und er selbst sieht sich als "links-liberal".

Leider hat er hierbei Unterstützung von Jens Berger erhalten, der den Blog Spiegelfechter betreibt und auch bei den NachDenkSeiten zentral mitarbeitet. Jens Berger überließ Arne Hoffmann einen Gastbeitrag auf den Seiten des Spiegelfechter für seinen Artikel "Eckpfeiler einer linken Männerpolitik". Hier benutzt Hoffmann linkes Vokabular, um seinen Antifeminismus als links erscheinen zu lassen. Deutlich wird dies bspw. an dem Abschnitt:

Linke Männerpolitik solidarisiert sich mit sexuellen Minderheiten wie den Schwulen,
Transgendern und SMern. Homophobie lehnt sie ab, gleich ob sie vom rechten Flügel der Männerbewegung oder der feministischen Fraktion ausgeht.

Hier wird der Heterosexismus des von Arne Hoffmann mitaufgebauten rechtspoulistischen Forum wgvdl.com gleichgesetzt mit einem vermeintlichen Heterosexismus von Ilse Lenz. Jens Berger verteidigt diesen Unsinn. "Linke Männerpolitik" solidarisiert sich mit "Schwulen" heißt hier übrigens: Solidarisierung mit Schwulen, soweit sie von Lesben unterdrückt werden. Solidarisierung mit Transgender sieht bei Arne Hoffmann folgendermaßen aus. Unter der Überschrift "Ideologisches Onanieren in Graz" schreibt er über die wohl renommierteste Männerforscherin und Transsexuelle Raewyn Connell (ehemals Bob Connell):

Einen der Vortragenden muss man unbedingt vorstellen: den Sozialforscher Robert Connell. Er beschäftigte sich so intensiv mit der feministischen Lehre, dass er sich zum Schluss selbst kastrierte und seinen Penis (das Instrument der Unterdrückung, das er so sehr zu hassen begonnen hatte) schlicht abschnitt. Seitdem fühlt er sich als Frau und nennt sich mit Vornamen Raewyn. Das ist NICHT Monty Python - sondern Realität. Dass dieser Typ direkt neben Thomas Gesterkamp auftritt wird niemanden überraschen. Die beiden passen gut zusammen.

Einen derartigen Dreck über Transsexuelle liest man eher in rechtsextremen Blogs. Aber es geht hier auch nicht um Solidarität mit Mann-zu-Frau-Transsexuellen. Arne Hoffmann scheint so männerverbohrt zu sein, dass seine Solidarität nur antifeministischen Frau-zu-Mann-Transsexuellen gilt, genauso wie Schwule, die von Lesben unterdrückt werden, nicht aber etwa Lesben Solidarität verdienen.

Die NachDenkSeiten (verantwortlich: Jens Berger), verlinkten dorthin. Kritik daran wurde kaum zugelassen. Ines Fritz Kommentare wurde entfernt, da sie ein lebenslanges Kommentarverbot beim Spiegelfechter habe. Aber auch moderate Kommentare wurden entfernt: Seiten ohne Nachdenken. Die NachDenkSeiten wurde mehrfach angeschrieben, es gab allerdings keine Antwort. Innerhalb der Linken ist der Antifeminismus eben auch weit verbreitet, was jedoch nicht den Rückschluss zulässt, dass Antifeminismus links sei. Eher setzt bei vielen Linken das kritische Nachdenken aus, wenn es um Genderfragen geht. So greift z.B. Roberto J. De Lapuente in seinem Blog Ad Sinistram ganz weit in die Müllkiste, um einen Artikel von Jens Berger zur Seite zu springen:

Das verweise ich nur gerne auf Schwanitz' großartigen Roman Der Campus. Der umreißt den Elfenbeinturm des universitären Feminismus trefflich.

Dass Der Campus die rechtskonservative Position der campus-wars in den Vereinigten Staaten in Deutschland wirkfähig machen wollte, sollte sich durch die Lektüre selbst erschließen. Es ist so ziemlich der ekelhaftestete Roman der letzten zwanzig Jahre. Wenn Linke diesen Roman "großartig" finden, dann hat das Nachdenken grundsätzlich ausgesetzt. Es hat ausgetzt, denn sowohl Roberto J. De Lapuente als auch Jens Berger haben sehr gut recherchierte und kluge Beiträge geschrieben, wenn es um den Klassenkampf von oben ging.

Wie rechts Arne Hoffmann sich positioniert, zeigt sich darin, dass er die eigentümlich frei Kampagne unterstützt. Es mag ja ehrenwert sein, wenn Jens Berger hoffte, durch einen Gastbeitrag beim Spiegelfechter Arne Hoffmann die Chance zu geben, sich von seinem rechtspopulistischen Netzwerk zu lösen. Sollte dies die Motivation von Jens Berger gewesen sein, dann muss er nun anerkennen, dass dies gescheitert ist.

Da weder die NachDenkSeiten noch Ad Sinistram auf meine Anfragen/ Hinweise antworteten, nutze ich nun den Blog beim Freitag für eine mehr öffentlichkeitswirksame Konfrontation. Diese Kampagnen der Antifeministen/ Marktradikalen um Michael Klein/ Arne Hoffmann/ André Lichtschlag sind nicht harmlos. Die NachDenkSeiten sollten sich hier ihrer Verantwortung nicht weiter entziehen. Davon abgesehen ist es auch gar nicht möglich, den Klassenkampf von oben der Marktradikalen zu analysieren und ihren Antifeminismus außen vor zu lassen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andreas Kemper

Ich arbeite als Soziologe kritisch zu Klassismus, Organisiertem Antifeminismus und die AfD

Andreas Kemper

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