Warum mich der Adel anekelt

Antifeminismus Kurze Replik auf Ronja Larissa von Rönnes "Warum mich der Feminismus anekelt"

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Zu Ronja Larissa von Rönne, verwandt und verschwägert mit den Adeligen von der Osten, von Kanne, usw. hätte ich geschwiegen, wäre in ihrem Aufsatz "Warum mich der Feminismus anekelt" nicht der Satz aufgetaucht:

Mittlerweile ist der Feminismus eine Charityaktion für unterprivilegierte Frauen geworden, nur noch Symptom einer Empörungskultur, die sich fester an die Idee der Gleichheit klammert als jedes kommunistische Regime.

Es gibt keine "Unterprivilegierung". Es gibt auch keine "Überbenachteiligung". Es gibt Privilegierung und Benachteiligung. Privilegiert ist Ronja Larissa von Rönne. Sie kommt aus dem Adel, trägt diesen Titel noch vor sich her, hat als Model gearbeitet, akademisch geprägtes Elternhaus, Geldsorgen kennt sie ebenfalls nicht, schreibt mit Anfang zwanzig Artikel für die WELT.

Ronja Larissa von Rönne braucht den Feminismus nicht.

Ach?

Er ekelt sie an. So ist das mit dem Adel und dem Ekel und der Gleichheit.

Der Antifeminismus wird in Deutschland vor allem vom Adel vorangetrieben. Herzogin Beatrix von Storch ist hier zu nennen und ihre Mitarbeiterin Baronin Hedwig von Beverfoerde. Mir ist nicht bekannt, welchen Titel Ronja Larissa von Rönne führt, aber es ist sicherlich noch ein Platz frei in Beatrix von Storchs Ziviler Koalition. Falls nicht, gäbe es weitere sehr effektive antifeministische Adelsgemeinschaften. Eine Speerspitze der Ungleichheit ist die Gesellschaft zum Schutz von Tradition, Familie und Privateigentum, die in Deutschland von Mathias von Gerstorff angeführt wird und auf europäischer Ebene von Paul von Oldenburg, dem Cousin von Beatrix von Storch. Da kann Ronja Larissa von Rönne leider nicht mitmachen, ihre Herkunft gleicht in diesem Fall ihre Unterprivilegierung qua Geschlecht durch eine Überbenachteiligung qua Adel nicht aus. Doch bei den Heeremans gäbe es z.B. Möglichkeiten. Sylvester Freiherr Heereman ist sowas wie der Chef der Legionäre Christi, seine Mutter ist beim päpstlichen Rat für die Familie aktiv und sein Vater leitet die Kirche in Not, alles Garanten für Antifeminismus. Der Orden Legionäre Christi arbeitet sogar mit Bürgerlichen wie Birgit und Klaus Kelle zusammen, da wird eine Adelige niederen Standes doch erst recht eine Chance haben. Im Orden selber kann man zwar als Frau nicht direkt mitmachen. Doch es gibt die "Gottgeweihten Frauen" bei Regnum Christi - das wäre doch was, falls Ronja von Rönne Gleichgesinnte suchen sollte.

Sarkasmus off.

Mich widert dieser Adel an. Die Selbstgefälligkeit, das Ständedenken, die Unfähigkeit, sich in andere hineinzudenken. Natürlich bekämpft der Adel den Feminismus. Insbesondere legt der Adel großen Wert auf die traditionelle Familie. Schließlich ist man was, weil man Adel ist und Adel ist Familienherkunft. Eine Homoehe lässt sich gar nicht nicht richtig in den Familienstammbaum einfügen, wie soll das denn gehen? Okay, Sarkasmus sollte doch eigentlich off sein.

Frei nach Nina Hagen "Antifeminismus ist ne geile Tat, wenn man einen Adel und eine Kreditkarte hat" lässt sich ein Artikel 2015 über den noch immer arroganten Adel nicht ohne Sarkasmus schreiben. Daher revidiere ich meine Überschrift: Der Adel ekelt mich nicht an, das wäre eine falsche Gefühlsbeschreibung. Es erstaunt und empört mich gleichermaßen, dass diesem Mist, der auf den Müllhaufen der Geschichte gehört, noch immer so viel mediale Aufmerksamkeit geschenkt wird. Und diese Empörungskultur gehört gepflegt und ausgebaut, bis der Adel endlich die Klappe hält.

Nachtrag 10.04.2015 17:48 Uhr:

Der Adel wird selbstverständlich auch von den öffentlich-rechtlichen Medien hofiert. Michaela Freifrau Heereman tritt am Dienstag bei Frau Maischberger im Ersten Programm auf. Noch heftiger dürfte allerdings das Auftreten von Björn Höcke sein, der ideologisch zur fundamentalistischen Neuen Rechten gehört und Fraktionsvorsitzender der AfD im Thüringischen Landtag ist. Er hat versprochen, die "Geisteskrankheit" Gender-Mainstreaming aus den Schulen und Hochschulen zu "vertreiben". "Dekadente", "perverse" "Gesellschaftsexperimente" wie die Homo-Ehe könnten wir uns schon aus "bevölkerungspolitischen" Gründen nicht leisten, da Deutschland "organisch gewachsen" sei mit einem eigenen "Werte-, Sitten- und Normengefüge" und daher "Fremde" bestensfalls in Einzelfällen "assimilieren", keinesfalls aber integrieren könne, da z.B. der Islam den Deutschen "wesensfremd" sei. Wir bräuchten daher statt einer Einwanderung eine "aktive Bevölkerungspolitik", die "Drei-Kinder-Familie". Aber nicht nur aus "naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten" verbietet sich die Homo-Ehe. Schwulen und Lesben ginge es nämlich nur um Sex, während die "Synthese von Frau und Mann", die "gelebte Polarität" als "Keimzelle der Höherentwicklung des Menschen dient". Dem "Gender-Totalitarismus" als "Fehlgeburt des Behaviorismus" gelte es daher "die Stirn zu bieten". Das sei die "historische Aufgabe der AfD" und das sei "die letzte evolutionäre Chance" für Deutschland.

Wer will, kann Höckes Positionen weiterhin "konservativ" oder auch "nationalkonservativ" nennen - ich finde solche Bezeichnungen verharmlosend und selbst "Freifrau" Heereman noch symphatischer.

Frau Maischberger, muss Björn Höcke, dem selbst von Hans-Olaf Henkel "völkisches Gedankengut" indirekt unterstellt wird, wirklich eine Plattform in der ARD geboten werden? Sie würden doch auch keinen NPD-Sprecher einladen. Wo ist der Unterschied?

Nachtrag 11.04. 17:05

Es gibt inzwischen eine Antwort von Ronja von Rönne auf diesen Artikel und eine Antwort von mir auf diese Antwort.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andreas Kemper

Ich arbeite als Soziologe kritisch zu Klassismus, Organisiertem Antifeminismus und die AfD

Andreas Kemper

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