WikiLove - Anerkennung für Wikipedia-AutorInnen

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Ab dem 29. Juni gibt es in der englischsprachigen Wikipedia einen neuen Button: WikiLove. Mit diesem Button, der auf den AutorInnen-Seite zu finden ist, kann man den AutorInnen seine Anerkennung mitteilen. Der Hintergrund: den Wikipedias gehen die AutorInnen flöten. Eine Analyse ergab, dass es für Neulinge in Wikipedia härter geworden ist: Verwarnungen, Kritik und Belehrungen haben zwischen 2005 und 2011 zugenommen, während Dank und Anerkennung abgenommen hat.

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Grafik unter CC-Lizenz

Link zur Wikipedia-Foundation-Seite

Diese Neuerung kommt von der Foundation. Es stellt einen kleinen Paradigmen-Wechsel dar. Noch vor wenigen Jahren betonte der Wikipedia-Gründer Jimbo Wales, dass das Mitschreiben bei Wikipedia ein Hobby sei, Wochenend-Kicker erwarten ja schließlich auch nicht ein Gehalt wie das von Beckham. Noch deutlicher wurde der Vorsitzende des deutschen Chapters, es sei die Aufgabe des Vereins, die "Erstellung, Sammlung und Verbreitung freier Inhalte zu fördern". Diese Aufgabe würde damit kollidieren, sich für die Rechte der Wikipedia-AutorInnen einzusetzen.

Als JournalistIn konnte man bislang darauf zählen - auch das ändert sich leider - dass die Zeitung, der Verlag, sich in Rechtsfragen für einen einsetzt. Bei Wikipedia ist man da einen Schritt weiter. JedeR Wikipedia-AutorIn ist auf sich selber angewiesen. Als die Junge Freiheit einen ganzseitigen diffamierenden Artikel zu meiner Wikipedia-Arbeit veröffentlichte, war es schwierig, diesen Link von der offiziellen Presseschau-Seite in Wikipedia wegzubekommen. Unterstützung gabs erst recht nicht. Wikipedia-AutorInnen haben kommerziell verwertbaren Inhalt einzustellen. Der Verein kümmert sich dann darum, dass bspw. SPIEGEL-Online den Livefeed erhält oder dass Bertelsmann ein Lexikon mit den Wikipedia-Inhalten verkaufen kann.

Wir leben im Informations-Zeitalter, mit Informationen wird ohne Ende Geld verdient, weil die Content-ProduzentInnen nichts für ihre Wissensarbeit erhalten. Und auch nichts erhalten wollen. Man könnte Metis und Flattr für Wikipedia-AutorInnen nutzen. Wikipedia bliebe werbefrei und frei zugänglich und die Wikipedia-AutorInnen könnten für ihre wichtige Arbeit zumindest etwas finanziell entschädigt werden. Dies ist nicht gewollt. Weder vom Verein noch von der Mehrzahl der AutorInnen. Das bleibt problematisch. Als Experte für Klassendiskriminierungs-Fragen habe ich etliche Artikel in Wikipedia geschrieben - diese Artikel tauchen nun in einem kommerziell vertriebenen Sammelband wieder auf, mit dem ich auf dem Markt mit meiner Buchpublikation zum selben Thema konkurrieren muss. Es ist halt erlaubt, mit Wikipedia-Artikeln Geld zu verdienen. Es ist nicht gerne gesehen, dass Wikipedia-AutorInnen für ihre Arbeit Geld erhalten.

Insofern ist WikiLove ein erster und guter Schritt in die richtige Richtung. WikiLove bleibt aber folgenlos, wenn es nicht weiterentwickelt wird. Wikipedia hat zwei große Fehler: es will neutrale Inhalte und es will gegenüber den AutorInnen neutral sein.

Es kann und darf keine Neutralität geben. Daher hoffe ich, dass die neutrale Einstellung einer sozialen Einstellung weicht. Solange sich der soziale Standpunkt bei Wikipedia nicht durchsetzt, verweise ich gerne auf das Soziale Wiki sozialeswiki.de Fühlt Euch eingeladen, dort mitzuschreiben. Die WikiLove-Extension wird dort selbstverständlich eingeführt, aber auch Flattr und Metis sind nutzbar.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andreas Kemper

Ich arbeite als Soziologe kritisch zu Klassismus, Organisiertem Antifeminismus und die AfD

Andreas Kemper

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