Wikipedia kann Facebooks Monopol knacken

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Facebook wird zunehmend als problematisch gesehen. Während des Parteitags der PiratInnen wird es einen Antrag geben, aus Facebook auszusteigen. Aber selbst die PiratInnen werden sich das nicht leisten, aus Facebook auszusteigen. Als jüngste Alternative greift die "social media"-Plattform "Unthink" an, mit einem aggressiven und gutgemachten Video, einer Anschubfinanzierung von 2,5 Millionen Dollar und einem neuen Konzept. Aber was Google nicht schafft, wird auch kein anderes kommerzielles Unternehmen schaffen, und "Unthink" ist auch nur ein cleveres auf drei Kontinenten verteiltes kommerzielles Projekt, wie ich hier erläutert habe: Facebook, Unthink, ... Tupperwarenparties

Go Wiki, go!

Wikipedia kann die Monopolstellung von Facebook knacken. Nötig wären hierzu lediglich drei Dinge:

  • Die Wissensplattform-Software Mediawiki und die SocialNetwork-Software Diaspora aufeinander abzustimmen
  • Die Bereitschaft der Wikipedia-Communities, die dezentralen, aber miteinander kompatiblen Diaspora-Pods auf Wikipedia-Servern zu installieren und zu nutzen
  • Eine Kampagne von Wikipedia, die Wikipedia-Diaspora-Pods zu nutzen

Wikipedia, allen voran die deutschsprachige Wikipedia-Community, leidet unter einem Schwund an Neuzugängen. Die Wikipedia-Mitarbeit ist unattraktiver geworden. Wikipedia ist nicht mehr sexy. Dies kann sich ändern, wenn Wikipedia sich ein Soziales Netzwerk zulegt. Die Software gibt es bereits: Diaspora funktioniert sehr gut. Die Idee hinter Diaspora ist überzeugend: eine Open Source-Software, die es erlaubt, dezentrale, aber miteinander kompatible Soziale Netzwerke zu installieren. Diaspora zu implementieren hätte für Diaspora und für Wikipedia eine positive Signalwirkung: Diaspora würde an Attraktivität und Bekanntheit gewinnen und Wikipedia könnte wieder jugendlicher werden.

Freies Wissen braucht freie Kommunikation

Als ich vor sechs Jahren bei Wikipedia einstieg, hatte Wikipedia noch einen rebellischen und erfrischenden Charakter. Es machte Spaß, Artikel zu schreiben und zu verbessern, Teil eines neuen und sinnvollen Projektes zu sein. Heute aber droht Wikipedia langweilig und konservativ zu werden, überbürokratisiert. Wikipedia hat seine Schlachten geschlagen und scheint "erfolgreich gescheitert" in Rente zu gehen. Wikipedia steht noch immer für die Zugänglichmachung des freien Wissens. Aber was nützt freies Wissen, wenn die Internet-Kommunikation zunehmend über einen monopolistischen Anbieter läuft, zentralisiert und datengeil? Freies Wissen braucht freie Kommunikation.

Wikipedia hat noch immer einen enormen Vertrauensvorschuss. Nachdem Wikipedia alle renommierten Enzyklopädien "abgehängt" hat und trotzdem werbefrei ist, wird ihm auch zugetraut werden, für Facebook ein ernsthafter Rivale zu werden. Wenn man die Kritische Masse erreichen will, eine Schwerkraft, die Facebook-NutzerInnen an- bzw. abzieht, weil sie zu ihren FreundInnen wollen, die nicht mehr bei Facebook sind, dann wäre Wikipedia eine gute Wahl.

Wikipedia ist der Wirklichkeitsanker im Internet, dies könnte für viele der Grund werden, dort im Sozialen Netzwerk zu sein. Der dezentrale Internetriese Wikipedia könnte die nötige Gravitation für eine Migration in Diaspora-Netzwerke herstellen. Die Server sind vorhanden, die beiden Open Source-Programme könnten schnell angepasst werden, 410 Millionen Wikipedia-LeserInnen monatlich wären eine ernsthafte Basis.

Also Wikipedia, leg los. Go Wiki, go!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andreas Kemper

Ich arbeite als Soziologe kritisch zu Klassismus, Organisiertem Antifeminismus und die AfD

Andreas Kemper

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