Lösungen müssen her

Venezuela Der Oppositionelle Juan Guaidó erklärt sich zum Übergangsstaatschef, Präsident Nicolás Maduro gerät zunehmend unter Druck. Die Lage im Land ist chaotisch
Ein unbeschriebenes Blatt: Juan Guaidó
Ein unbeschriebenes Blatt: Juan Guaidó

Foto: Federico Parra/AFP/Getty Images

Der 23. Januar ist ein symbolträchtiges Datum in Venezuela. Am 23. Januar 1958 wurde Diktator Marcos Pérez Jiménez von Aufständigen gestürzt. Nun, 61 Jahre später, folgten landesweit Hunderttausende Venezolaner dem Aufruf der Opposition und gingen auf die Straße. Auf einer Veranstaltung in der Hauptstadt Caracas proklamierte sich Parlamentspräsident Juan Guaidó, ein junger, bis vor wenigen Wochen weitgehend unbekannter Oppositionspolitiker, zum Übergangsstaatschef. Guaidó beruft sich dabei auf drei Verfassungsartikel. Die Regierung wiederum betrachtet alle Entscheidungen der Nationalversammlung als nichtig und beruft sich dabei auf das Verfassungsgericht.

Es handelt sich also um eine kalkulierte Eskalation von Seiten der Opposition. Sie setzt Präsident Nicolás Maduro gehörig unter Druck. Dass US-Präsident Donald Trump nur wenige Minuten nach Guaidós Ausrufung diesen als Präsidenten anerkannte, deutet auf eine enge Absprache mit Washington hin. Weitere Staaten wie Brasilien, Kolumbien, Peru oder Ecuador folgten dem Schritt der USA. Kuba, Bolivien und Mexiko dagegen stellten sich hinter Maduro; ebenso mächtige Staaten wie China, Russland oder Türkei. Sie haben wirtschaftliche und geostrategische Interessen. Die EU regierte zurückhaltender. Sie drängt auf Dialog und faire Wahlen.

Der Rückhalt für Maduro in der Bevölkerung ist angesichts von Hyperinflation, Versorgungskrise und Massenexodus geschwunden. Das hat die geringe Wahlbeteiligung beim umstrittenen Urnengang im Mai gezeigt. Dieser war nicht demokratisch nach westlichen Standards – den wichtigsten Oppositionspolitikern war die Teilnahme untersagt –, aber auch keineswegs manipuliert, wie es in manchen Medien heißt. Und immerhin sechs Millionen Venezolaner gaben damals Maduro ihre Stimme.

Viele mögen das Wort nicht gerne hören, aber was gerade in Venezuela passiert ist ein klassischer Staatsstreich: Nach Wochen des Aufbaus durch US-Beamte erklärt ein ungewählter Oppositionspolitiker sich selbst zum Präsidenten und die US-Regierung ruft das Militär zum Aufstand auf. Das Muster ist leider allzu bekannt.

Gibt es Bürgerkrieg?

Maduro reagierte und brach die diplomatischen und politischen Beziehunhen zu den USA ab. Doch die US-Regierung konterte, Maduro habe als „Ex-Präsident“ dazu gar keine Kompetenz. Damit ist eine gefährliche Situation entstanden. Selbst ein blutiger Bürgerkrieg scheint im Moment im Bereich des Möglichen. Bei den gewalttätigen Protesten am Mittwoch gab es mindestens 17 Tote.

Viel wird davon abhängen, wie das venezolanische Militär reagiert. Vor allem in den unteren Rängen gärt es. Die Generäle dagegen stützen bislang Maduro. Hohe Offiziere sollen in Korruption, Drogenhandel und andere dunkle Geschäfte verwickelt sein. Gegen mehrere Generäle wird in den USA ermittelt. Verteidigungsminister Vladimir Padrino erklärte: „Die Soldaten des Vaterlandes akzeptieren keinen Präsidenten, der von dunklen Mächten eingesetzt wird, oder sich abseits des Rechts selbst einsetzt.“ Die Streitkräfte würden Verfassung und nationale Souveränität verteidigen.

Um es klar zu sagen: Die Lage in Venezuela ist katatrophal. Lösungen müssen her. Aber ein aus dem Weißen Haus per Fingerzeig bestimmter Präsident bedeutet nicht „mehr Demokratie“ und führt eher zu Chaos und Blutvergießen. Es gibt nicht die Formel, um die Krise in Venezuela zu lösen, aber die Einmischung der USA bringen nichts Gutes. Soviel steht fest.

Andreas Knobloch ist Politikwissenschaftler und Journalist. Er lebt in Havanna und schreibt für deutsche Medien über Lateinamerika

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