Putin-Plakate und Russland-Flaggen

1. Mai in Russland. Der Feiertag hat in Russland eine lange Tradition. Heute feiern die meisten Russen an diesem Tag Präsident Putin. Die Forderungen der Opposition gehen dabei unter.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Eingebetteter Medieninhalt

Tatjanas erste Erinnerungen an den 1. Mai stammen aus ihrer Schulzeit zu Sowjetzeiten. „Damals war ich 8 Jahre alt und ich bin zusammen mit meinem Vater bis zum Lenin-Denkmal marschiert“, erinnert sich die 70-Jährige aus Moskau. "Wir Pioniere trugen natürlich alle ein weißes Hemd mit einem Pioniertuch und einen Rock und hatten Blumen dabei“, erzählt sie. Auf dem Platz vor dem Denkmal war eine Tribüne aufgebaut, von der die örtliche Parteiprominenz den Menschenmassen zuwinkte. „Unsere Stimmung war festlich – auch weil wir wussten, dass wir nach der Demo nicht wieder in die Schule mussten, sondern nach Hause durften“, so Tatjana. Die Demonstration war selbstverständlich eine Pflichtveranstaltung für die Pioniere. Pionierleiter in den Schulen und später Komsomolfunktionäre und Parteisekretäre kontrollierten, dass sich keiner davor drückte. Am 1. Mai „durften“ die Menschen in der Sowjetunion „ihre Solidarität mit dem revolutionären Kampf der Werktätigen in den kapitalistischen Ländern und dem nationalen Befreiungskampf ausdrücken sowie ihre Entschlossenheit bekunden, alle Kraft dem Kampf für den Frieden und den Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft zu opfern“.

Mit dem Zerfall der Sowjetunion endete auch erst einmal die Tradition der offiziellen Maidemonstrationen. Zuletzt stand als Präsident Michail Gorbatschow 1991 in Moskau auf einer Tribüne vor dem Lenin-Mausoleum. Zwei Jahre später kam es sogar zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und "OMON", eine Einheit der russischen Polizei, die im Unterschied zu normalen Polizeieinheiten direkt dem russischen Innenministerium untersteht. Dennoch ist der 1. Mai heute weiterhin ein wichtiger Feiertag für viele Russen, denn er bietet heute für Parteien, politische und soziale Bewegungen die Gelegenheit, öffentlich aufzutreten und für oder gegen etwas zu demonstrieren. Wurde er zu Sowjetzeiten als „Tag der Internationale“ und später als „Tag der internationalen Solidarität der Werktätigen“ begangen, heißt er nun „Feiertag des Frühlings und der Arbeit“ und ist weiterhin frei. Damit ist der 1. Mai in der von Brüchen geprägten russischen Geschichte der älteste durchgängig begangene Feiertag – zwar wurde das Neujahr auch schon zur Zarenzeit gefeiert, allerdings wegen des julianischen Kalenders zwei Wochen später als heute.

Kremlchef Wladimir Putin nimmt zwar die Demonstration nicht mehr winkend am Leninmausoleum ab, war aber auf den Plakaten der Demonstranten allgegenwärtig: „Putins Plan ist der Plan für den Sieg“, „Putin ist für das Volk und führt Russland beherzt zum Sieg“, oder „Ein starker Präsident, ein großes Land“ tauchten neben offiziös-politischen Losungen wie „Drei Kinder in der Familie sind die Norm“ oder „Unsere Kinder sind frei, klug, patriotisch“ auf.

Hundertausende versammelten sich in ganz Russland. Viele, um ihren Präsidenten zu feiern. Weiß-Blau-Rote Luftballons waren bei den Aufzügen durch Moskau noch das sanfteste Zeichen des aufkeimenden russischen Nationalismus. Die kremlnahe Jugendorganisation Junge Garde etwa schwärmte von der "Größe, Schönheit und Unbesiegbarkeit" des Landes. "Wir vertrauen Putin" heißt es auf dem Schilde eines jungen Demonstranten. In der Ukraine-Krise hat Russlands Präsident an Popularität im eigenen Volk gewonnen. "Putin hat recht", proklamieren Demonstranten auf diesem Schild. Und Russlands aktueller Staatsführer ist nicht der einzige, den Russen an diesem Tag feiern. Mancher Nationalist kam mit der ganzen Familie - gekleidet in traditioneller Tracht. Staatspräsident Wladimir Putin nutzte den Tag, um "Helden der Arbeit" auszuzeichnen.

In Moskau und St. Petersburg haben auch hunderte oppositionelle Aktivisten, etwa von der Stiftung "Offenes Russland", an der 1-Mai-Demo teilgenommen. Doch ihre Foderungen gingen weitestgehend in der Menschenmasse von Putin-Unterstützern unter. Einige kremlkritische Aktivisten wurden von der Polizei verhaftet. Laut russischen Medienbreichten wurden allein in St. Petersburg 12 friedliche Demonstranten verhaftet. "Ich habe ein kritisches Kunstwerk, auf dem Putin abgebildet ist mitgenommen und dafür wurde ich von der Polizei festgenommen" erzählt die junge Aktivistin Varya Zloy aus St. Petersburg.

Eingebetteter Medieninhalt

Bis zur nächsten Parade auf dem Roten Platz wird es nicht lange dauern. Vergangene Woche probte die russische Armee bereits für den 9. Mai. Dann feiert Russland den 73. Jahrestag des Sieges über das Dritte Reich.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andreas Rossbach

Als freier Journalist schreibe ich aus Russland für russische und deutsche Medien über Politik, Kultur & andere Dinge, die mich interessieren.

Andreas Rossbach

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden