Was für ein Affentheater

Literatur-Betrieb Edward St Aubyns Satire über den Booker Prize, die man auch auf deutsche Verhältnisse übertragen kann
Ausgabe 39/2014

Der Dichter wurde also nicht bedacht. Sein Monumentalroman erschien, aber was nicht erschien, waren Rezensionen in den großen Zeitungen. Na, denkt sich der Dichter mit der ihm angemessenen Sonnengotthaftigkeit. Dann kann es ja wohl nur so sein, dass alle Zeitungen die hymnischen Besprechungen seines Buches kollektiv zurückhalten – bis zu dem Tag, an dem die Longlist des Elysia-Preises erscheint. Um dem Roman durch die orchestrierte Fanfare zu dem Erfolg zu verhelfen, der ihm gebührt!

Doch es graut besagter Tag, und die Zeitungen bringen immer noch nichts. Und auf der Longlist steht der Dichter schließlich auch nicht. Seine Augen weiten sich ungläubig – und dann sieht man, wie die Klinge der Nichtbeachtung sein parfümiertes Ich bis ins Innerste durchfährt. „Ich sterbe!“, denkt der Dichter (dann würden wenigstens die Zeitungen schreiben), doch als seine flatternden Lider sich wieder heben, merkt er: Er ist nicht tot. Er lebt. Doch seine Rache wird furchtbar sein! An diesem Punkt übernimmt in Edward St Aubyns amüsantem Roman Der beste Roman des Jahres die Kolportage die Regie. Sonny, ein indischer Prinz, der mit seinem Roman Der Maulbeerbaum sicher war, die britische Literaturwelt zu erschüttern, beschließt in seiner unermesslichen Gekränktheit, ein paar der Jurymitglieder töten zu lassen. Na, was auch sonst? Irgendeine Übertreibung, irgendeine Differenz zum Affentheater in der Wirklichkeit muss so eine Literaturbetriebssatire natürlich aufweisen. Abgesehen davon hält sich St Aubyn, der mit seiner Melrose-Saga über seine schrecklich adlige Familie (jahrelang wurde er vom Vater missbraucht) berühmt wurde, nämlich ziemlich knechtisch an die Realität. Es gibt reichlich egomanische Autoren, selbstgerechte und verzweifelte Kritiker, Mauscheleien, ein bisschen Sex, viel Alkohol und noch mehr schlaues Gerede über Literatur.

Der beste Roman des Jahres Edward St Aubyn, Nikolaus Hansen (Übers.) Piper 2014, 256 S., 16,99 €

Es ist dabei naheliegend und geschickt, dass St Aubyn seine Ironisierungen rund um die Vergabe des sogenannten Elysia-Preises drapiert, hinter dem unschwer der Man Booker Prize zu erkennen ist. Denn das Prozedere solch einer Buchpreis-Gewinnerermittlung mit Long- und Shortlist und feierlicher öffentlicher Bekanntgabe ist natürlich selbst durch und durch theatralisch. Und, wie sich rund um den Deutschen Buchpreis gerade beobachten ließ, eine tolle Hysterie-Maschine, die bei allen Involvierten zu Schnappatmung führt und das eher Unangenehme aus ihnen hervorspült: Neid, Missgunst, Größenwahn. Aus Autoren macht sie zähnefletschende Konkurrenten, aber auch Kritikern fügt sie offenbar tiefe narzisstische Verletzungen zu, die zu Pawlow’schen Reflexen (Frauenquote!) und empörtem Meine-Autoren-sind-viel-besser-Aufstampfen führen.

Aber ach, selbst in der Literatur lässt sich aus dem Geschacher – außer kurzzeitiger Erregung – nicht viel gewinnen. All die zuspitzende Porträtkunst, die St Aubyn hier vorführt – vom virilen Essayisten mit Derrida-Logorrhö bis zur nymphomanen Autorin mit Vaterproblem –, bleibt verlorene Liebesmüh. St Aubyn inszeniert keinen Jahrmarkt, sondern nur eine schaukelige Karussellfahrt der Eitelkeiten. Denn nie schreitet das Erzählen aus ins Offene oder hinab ins Dämonische, nie verlässt es das putzige Feld augenzwinkernder Selbstreferenz. Doch, einmal schon. Die einzig wirklich ernst gemeinten Sätze legt St Aubyn einem Industriellen in den Mund. „Ich persönlich finde, dass sich Wettkämpfe auf die Bereiche Krieg und Sport sowie aufs Geschäft beschränken sollten, in der Kunst hingegen nichts zu suchen haben. Wenn ein Künstler gut ist, kann niemand sonst das tun, was er tut, weshalb alle Arten von Vergleich sinnlos sind.“ Wir sollten sie uns hinter die Ohren schreiben.

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