In 200 Tagen von Berlin nach Paris

Klima Mit dem Petersburger Klimadialog wurden die Verhandlungen für einen Klimavertrag in Paris endgültig eingeleitet. Was Merkel und die G7 noch leisten müssen - ein Kommentar

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Hier findet Anfang Juni der G7-Gipfel statt: Schloss Elmau bei Garmisch-Partenkirchen
Hier findet Anfang Juni der G7-Gipfel statt: Schloss Elmau bei Garmisch-Partenkirchen

Bild: Philipp Guelland/Getty Images

„Erwarten Sie das Unerwartete!“ ist das Motto des exklusiven Axica Kongresszentrum am Pariser Platz zu Berlin. Dort fiel diesen Montag der Startschuss für einen Verhandlungsmarathon. Es ist ein Marathon, der Ende des Jahres mit einem Klima-Abkommen in Paris enden soll. Seit der spektakulär gescheiterten Klimakonferenz in Kopenhagen 2009, bestehen erstmals wieder ernsthafte Chancen auf einen weltweiten Klimavertrag. Es bleiben noch 200 Tage Zeit. Angela Merkel könnte eine Schlüsselrolle spielen.

Repräsentanten aus 37 Ländern trafen sich in Berlin zum sechsten Petersberger Klimadialog. Am Ende gab es aber nicht viel Unerwartetes. Um einen Erfolg für den Klimaschutz zu erreichen, muss darüber hinausgegangen werden.

Deutschlands außenpolitische Verantwortung

Als viertgrößte Industrienation der Welt müsse Deutschland endlich seiner faktischen Verantwotung gerecht werden durch eine aggressivere aktivere Außenpolitik, forderte Bundespräsident Gauck vor einem Jahr. Die folgende öffentliche Debatte war leider verengt auf das Thema Sicherheitspolitik. In diesem Jahr bietet sich jedoch die Gelegenheit für die Bundesregierung, wirklich außenpolitische Verantwortung zu übernehmen: Beim Klimaschutz.

Besonders als Gastgeber des G7-Gipfels Anfang Juni hat Deutschland Gestaltungsmacht. Immerhin hat die Kanzlerin diese Woche eine Verdopplung der finanziellen Klimahilfen bis 2020 auf 4 Milliarden zugesagt, ein erster Schritt. Insgesamt wurden aber 100 Milliarden zur jährlichen Klimafinanzierung versprochen. Andere Länder müssen folgen, um Vertrauen zu schaffen unter den Schwellen- und entwicklungsländern.

Entscheidend ist am Ende aber das Reduzieren der Treibhausgas-Emissionen. Erstmals geben alle Länder schon im Vorfeld der Konferenz an, wie viel sie an Treibhausgasen bereit sind einzusparen: Intended Nationally Determined Contributions (INDCs) werden diese Absichtserklärungen genannt. Beschlossen werden müssen in Paris aber verbindliche Reduktionsziele, um den Klimavertrag wirksam zu machen. Es ist wichtig, dass die großen Industriestaaten ambitionierte Reduktionsziele vorlegen, um Dynamik in die Verhandlungen zu bringen. Nicht alle werden das bereitwillig tun. Kanada beispielsweise hat zwar ebenfalls INDCs eingereicht, dabei aber die Teersande (tar sands) schlicht nicht einbezogen. Die Ölgewinnung aus Teersanden in Kanada ist die wohl umweltschädlichste Form der Energiegewinnung weltweit und eine Katastrophe für das Klima. Wenn ein G7-Staat wie Kanada Teersande aus den Verhandlungen ausklammert, birgt das große Gefahren für die Verhandlungen. Solche Extrawürste werden von anderen Ländern zum Anlass genommen, ebenfalls weniger für Klimaschutz beizutragen.

Klimakanzlerin 2.0

Die Bundesregierung muss deshalb auf dem G7-Gipfel im Juni beim Thema Klimaschutz über eine „Vorreiterrolle“ hinausgehen und aktiv die anderen großen Industriestaaten zu mehr Klimaschutz bewegen. Um das umsetzen zu können, muss die Bundesregierung aber erst ihre eigenen Hausaufgaben machen: Vor fünf Jahren verpflichtete sich Deutschland, seine Emissionen gegenüber 1990 bis 2020 um 40% zu senken. Bisherige Maßnahmen würden aber maximal 33% einsparen und erst diese Woche knickte Wirtschaftsminister Gabriel ein und gestattete deutschen Kohlekraftwerken einen zusätzlichen Ausstoß von 6 Millionen Tonnen CO₂. Das gefährdet das deutsche Klimaziel und damit die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung in Sachen Klimaschutz. Glaubwürdigkeit ist aber eine Voraussetzung, um andere Länder zum Klimaschutz zu bewegen. Die kohlefreundliche Politik schränkt die Verhandlungsmacht der Bundesregierung ein.

Was die G7 liefern müssen

Der G7 Gipfel muss ein starkes Signal für den Klimaschutz aussenden. Die G7 Staaten sollten konkrete finanzielle Zusagen zur Klimafinanzierung machen und sich verpflichten ihren Stromsektor bis 2050 auf erneuerbare Energien umzustellen. Damit das gelingt, müssen vor allem die Subventionen für fossile Energieträger zurückgeschraubt werden. Mit 5,3 Billionen Dollar werden fossile Energieträger weltweit subventioniert laut Internationalem Währungsfond. Das sind nicht weniger als 6,5% des globalen Bruttosozialprodukts und 10 Millionen Dollar an Subventionen pro Minute. Diese Subventionen zu reduzieren wäre wirklich unerwartet, aber wir sollten nicht fragen, was erwartbar, sondern, was nötig ist. Es ist Zeit, dass Angela Merkel eine wirkliche Klimakanzlerin wird und mehr liefert als das Erwartete. Es bleiben noch etwa 20 Tage bis zum G7 Gipfel in Bayern und 200 Tage bis Paris. Die Kanzlerin sollte sie nutzen.

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