"Wir brauchen radikalen Wandel"

Klima Der ehemalige Vorsitzende des Weltklimarats erklärt im Interview warum personelle Wechsel in der Politik nicht genug sind, um das Klima wirklich zu schützen.

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Ismail Eligizouli war Vorsitzender des Weltklimarates der Vereinten Nationen (IPCC). Dass er seit einer Woche den Vorsitz abgegeben hat, hindert den Sudaner nicht daran, sich bei den Vorverhandlungen für die Pariser Klimakonferenz COP 21 weiter zum Thema Klimaschutz zu arbeiten.

Es sind nur noch wenige Wochen bis zur Klimakonferenz in Paris. Deshalb waren viele Delegierte hier waren sehr froh, dass der kanadische Präsident Harper abgewählt wurde und hoffen, dass das den Klimaschutz voranbringt. Teilen Sie diese Hoffnung?

Eligizouli: Ja, ich hoffe, dass Kanada zumindest eine weniger schlimme Position einnimmt was Klimaschutz angeht. Für jemanden wie mich, der aus einem Entwicklungsland kommt, hat der Klimawandel schon heute sehr harte Folgen. Ich glaube das ist Kanadas letzte Chance – aber gleichzeitig die letzte Chance der anderen großen Verschmutzter – USA, Australien und Russland – darauf zu hören, was die Mehrheit auf der Welt möchte. Wir brauchen eine gemeinsame Lösung für den Klimawandel.

Denken Sie, dass die personelle Änderung des kanadischen Premierministers die Änderungen bringt, die Sie sich erhoffen.

Eligizouli: Nein. Eine personelle Änderung wird die politischen Positionen nicht allzu sehr beeinflussen. Dazu ist die Lobby der fossilen Energieträger einfach zu stark. Ich fürchte wir werden nicht den radikalen Wandel sehen, den wir brauchen. Die politischen Parteien ähneln sich stark in den meisten Punkten. Es gibt unterschiedliche Auffassungen je nach Wählerklientel, bei Fragen, die die Menschen im eigenen Land betreffen, aber selbst da ist der Unterschied nicht besonders groß. Bei Fragen, die Menschen am anderen Ende der Welt betreffen sind die meisten leider nicht besonders interessiert.

Wie sollte so ein radikaler Wandel denn aussehen?

Eligizouli: Das System und seine Institutionen sind sehr stark etabliert. Es ist so schwierig das System zu verändern – dazu brauchen wir die neue Generation. Ich denke wir sehen auch eine Veränderung. Vor etwa 20 Jahren wurde ich Teil von diesem ganzen Prozess rund um den Klimawandel und ich denke die Einstellung junger Menschen hat sich seit dem stark verändert. Und das gute ist, dass es diese vor allem junge Bewegung nicht nur Entwicklungsländern, sondern auch in Industrieländern gibt. Alleine hier in Bonn, gibt es mindestens 20 junge Menschen in meinem Hostel, die sich hier für Klimaschutz einsetzen. Ich denke, das sind die Leute, die wir für den Wandel brauchen.

Wie wird sich das in einem Abkommen von Paris zeigen?

Eligizouli: Ich fürchte, dass in dieses Jahr in Paris nicht viel passieren wird. Ich hoffe, dass es die nächste Generation besser macht. Auf der anderen Seite haben wir keine Zeit darauf zu warten. Wir müssen heute handeln, alle Studien zeigen, dass wir jetzt handeln müssen.

Was wäre ihr Wunschergebnis für ein Abkommen in Paris?

Eligizouli: Bis 2020 werden die globalen Treibhausgasemissionen vermutlich noch ansteigen. Danach müssen sie sehr schnell sinken. Wir brauchen 2030 eine Reduktion um 40%.

Was ich noch sehen möchte sind konkrete Zusagen der Industrieländer an die armen Länder, Ihnen zu helfen bei einer nachhaltigen Entwicklung. Es gibt dort so viele Probleme wegen dem Klimawandel – Dürren, Überschwemmungen und Unterernährung. Wenn es um Menschenleben geht, gibt es kein System der Entschädigung. Ein Menschenleben ist zu wertvoll. Deshalb müssen die reichen Länder den Entwicklungsländern helfen, mit diesen Problemen umzugehen. Wir brauchen Geld von den reichsten Staaten aber auch anderen Ländern, um uns an die Schäden durch den Klimawandel anzupassen.

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