"Wozu Rechte im Landtag?" fragt Karl Richter, langjähriger Redakteur der rechtsextremen Theoriezeitschrift Nation Europa (N), und antwortet sogleich kurz und knapp: "Strukturen nutzen, Signale setzen." In der aktuellen Ausgabe von N erläutert der Publizist lang und breit, welche Chancen er in der Fraktion der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) im Sächsischen Landtag sieht. Richter will begründen, warum er als "neu-rechter" Intellektueller nun als wissenschaftlicher Referent bei der "alt-rechten" Partei mitwirkt. Er ist nicht der einzige Intellektuelle der "Neuen Rechten", der sich wieder der ältesten neonazistischen Partei der Bundesrepublik zuwendet.
Annäherungen an die NPD sind in dem "neu-rechten" Spektrum, das Mitte der sechziger Jahre eben gerade entstand, weil man von der "alten, erstarrten Rechten" enttäuscht war, nicht unumstritten. Unter dem späteren Motto "Die alte Rechte ist tot. Sie hat es wohl verdient" von Alain de Benoist bemühten sich junge Rechtsintellektuelle aus der NPD als erste mit dem Label "Neue Rechte" die theoretischen Unzulänglichkeiten der "Alten Rechten", auf aktuelle gesellschaftliche Prozesse nicht mehr reagieren zu können, aufzuheben. Nachdem der NPD bei der Bundestagswahl 1969 mit 4,3 Prozent der Stimmen der Einzug in den Bundestag misslungen war, entstanden verschiedenste "neu-rechte" Strukturen und Projekte. Offen warf die "Neue Rechte" der Wahlpartei vor, sich nicht vom Nationalsozialismus zu lösen. Neben der Kritik, eint jene Intellektuellen der ideologische Rekurs auf die "Konservative Revolution", den "Italienischen Faschismus" und die strategische Option der "Kulturrevolution von rechts".
Die alte Kritik interessiert den neuen Mitarbeiter der Fraktion nicht mehr. Der einstige N-Redakteur, welcher auch andere rechte Periodika, wie die inzwischen eingestellten Opposition oder die Vierteljahreszeitschrift Deutschland in Geschichte und Gegenwart redaktionell betreute, meint nun: "Von allen bundesdeutschen Rechtsparteien ist die NPD diejenige, die den Kampf gegen das etablierte Machtkartell mit dem größten ideologischen Nachdruck geführt hat." In der ältesten rechtsextremen Zeitschrift der Bundesrepublik N legt er weiter dar: "Plötzlich verfügt (die nationale Opposition) über Mikrofone, Redezeit, Fraktionsgelder in sechsstelliger Höhe. Mit etwas Einübung in die parlamentarischen Gepflogenheiten lässt sich daraus ein wirksames politisches Instrument schmieden." Falls man alte Fehler vermeide und dem parlamentarischen "Zermürbungskrieg" widerstehe, dann könne die Parlamentsfraktion nicht nur ein "Aufklärungsinstrument", sondern auch ein "echter think tank" werden. Hoffnungsvoll berichtet er, dass die Fraktion "erstmals auf bewährtes Personal der ganzen Szene" zurückgreife. Ein Detail, meint der über 40-Jährige, das den Willen zur "vielbeschworenen Einheit der Rechten" manifestiere.
Als eine einmalige Chance sah dies wohl auch Andreas Molau. In den Herbstferien beantragte der "neu-rechte" Lehrer eine Beurlaubung von seiner Lehrtätigkeit an der Waldorfschule in Braunschweig, um neue berufliche Wege bei der NPD-Fraktion in Dresden einzuschlagen. Als wissenschaftlicher Referent will der "neu-rechte" Intellektuelle jetzt bei der NPD-Fraktion und dem Parteiorgan Deutsche Stimme (DS) mitwirken. Aus der Beurlaubung wurde die Entlassung. "Die programmatischen Ziele der NPD und die Waldorfpädagogik schließen sich gegenseitig aus", erklärte Michael Kropp, Geschäftsführer der Waldorfschule. Der Vorfall erschüttert die Schule im Geiste Rudolf Steiners. Denn bereits vor Jahren sollen Eltern Molau wegen seines politischen Engagements angesprochen haben. Im Internet waren sie auf den Namen des sehr beliebten Lehrers für Deutsch und Geschichte gestoßen. Dort konnten sie lesen, dass der 36-Jährige bei der "neu-rechten" Wochenzeitung Junge Freiheit (JF) mitarbeitete und in rechten Publikationen wie Criticón oder Deutsche Geschichte schrieb. "Ein Namensvetter erklärte er uns damals", sagt Kropp.
Dass diese vermeintliche Täuschung über acht Jahre gelang, verwundert. Kropp räumt ein: "Es macht uns Angst, dass wir das nicht bemerkt haben." Zwar sind einige rassistische Formulierungen im Werk Rudolf Steiners bekannt, die auch lange Zeit ein blinder Fleck für die Waldorfpädagogen waren. Doch ein Zusammenhang wird zurückgewiesen. Mittlerweile mussten Molaus Kinder die Schule ebenso verlassen. Das Verhältnis zwischen Lehrer- und Elternschaft und der Familie Molau sei völlig zerrüttelt, erläutert Kropp, so dass die intensive Elternarbeit der Waldorfpädagogik nicht mehr möglich sei.
"Sippenhaft" titelt die JF prompt auf der ersten Seite der aktuellen Ausgabe. 1994 hatte Molau die JF-Redaktion verlassen müssen, weil in dem von ihm verantworteten Kulturressort ein Beitrag erschienen war, in dem die Leugnung des Holocaust angedeutet worden war. Der Streit von vor zehn Jahren hindert den damaligen Chefredakteur Dieter Stein heute nicht, zu erklären, dass der "Ausschluss" der Kinder nur von totalitären Regimen, wie "der DDR und dem Dritten Reich", bekannt sei. In alter "neu-rechter" Logik greift er aber sogleich Molau an: "Seinen Einsatz für die NPD, die offen mit Neo-Nationalsozialisten kooperiert muss man scharf kritisieren, weil es ein Irrweg ist."
Gleich nach dem Wahlerfolg der NPD in Sachsen klagte die "neurechte" Wochenzeitung aus Berlin über diese "schwarz-weiß-rote Karikatur des Nationalen". Die NPD, wetterte Stein, sei in "ihrem harten Kern ein Transmissionsriemen einer bizarren neo-nationalsozialistischen Subkultur". "Ihre Nähe zum Dritten Reich muss man nicht entlarven, sie bekennen sich offen dazu", schreibt er. Die JF-Redaktion kritisiert des weiteren die Kooperation von NPD und "Deutscher Volksunion" (DVU). Die anvisierte "Volksfront von rechts" scheint ihren "neu-rechten" Visionen von einer vermeintlich "neuen demokratischen Rechten" zuwider zu laufen. Noch jedenfalls befürchten sie, dass eine "ultranationalistische Propaganda jeden rechten Politikansatz diskreditieren" würde. So bezeichnet die JF die DVU als "virtuelle Partei", die wegen ihrer fehlenden demokratischen Binnenstruktur gegen das Parteiengesetz verstoße. Die Replik des Parteichefs Gerhard Frey: Solche "Pseudo-Nationalisten" seien gefährlicher als die "Schweinejournalisten".
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