Adhocracy, Mumble und Co. einfach erklärt

Werkzeuge Die wichtigsten Tools, mit denen Aktivisten gerade den politischen Betrieb revolutionieren
Adhocracy, Mumble und Co. einfach erklärt

Collage: der Freitag

http://img191.imageshack.us/img191/1941/74362847.jpgLiquid Feedback

liquidfeedback.org

Was ist das? Eine Software, mit der politische Entscheidungen online getroffen werden.

Wie funktioniert’s? Teilnehmer reichen über ihren Internet-Browser Vorschläge ein. Sie werden zur Diskussion freigegeben, wenn genügend andere Nutzer die Initiative unterstützen. Dann können Anregungen formuliert und Gegeninitiativen entwickelt werden. Danach wird das Thema „eingefroren“, und die Teilnehmer entscheiden, ob sie den Ur-Vorschlag oder eine Gegeninitiative unterstützen möchten. Wenn sich mindestens zehn Prozent für eine Initiative aussprechen, wird endgültig abgestimmt. Wer sich nicht selbst beteiligen will, kann seine Stimme auf andere Nutzer übertragen.

Wer nutzt es? Bisher vor allem Verbände der Piratenpartei.

Gibt es Kritik? Um Missbrauch zu vermeiden, müssen sich Piratenmitglieder aufwändig registrieren. Da Manipulationen nie auszuschließen sind, wenden sich Kritiker gegen die Fortentwicklung des Programms zu einem Wahlcomputer, mit dem verbindliche Entscheidungen getroffen werden könnten.

http://img507.imageshack.us/img507/5356/12804655.jpgAdhocracy

adhocracy.de

Was ist das? Ein Werkzeug, mit dem Organisationen ihre Mitglieder über das Internet an Entscheidungen beteiligen.

Wie funktioniert’s? Der Name bezieht sich auf die Idee der Adhokratie: Eine Gemeinschaft kann Probleme auch über spontan gebildete Expertengruppen lösen statt mit einem bürokratischen Apparat. Alle Nutzer können über ihren Internet-Browser eigene Vorschläge einbringen und sich an der Diskussion beteiligen. Moderiert werden die Online-Debatten nicht. Da nicht jeder Teilnehmer mit jedem Sach-verhalt vertraut sein kann, besteht die Möglichkeit, das Stimmrecht bei einer bestimmten Entscheidung an das Abstimmungsverhalten anderer zu koppeln.

Wer nutzt es? Die Internet-Enquete-Kommission im Bundestag hat Adhocracy ebenso genutzt wie das Zeit-Magazin und die SPD-Bundestagsfraktion.

Gibt es Kritik? Bringen die Teilnehmer sehr viele Vorschläge ein, leidet die Übersicht. Das führt zu Doppelungen, die die Erfolgschancen der einzelnen Vorschläge verringern.

http://img585.imageshack.us/img585/2062/46823881.jpgMumble

mumble.sourceforge.net

Was ist das? Ein Computerprogramm, mit dem man Telefonkonferenzen über das Internet abhält. So können sich verstreut lebende Aktivisten austauschen, ohne sich zu treffen.

Wie funktioniert’s? Jeder Nutzer lädt sich das Programm auf den eigenen Rechner. Im Unterschied zur Software Skype verbinden sich die Nutzer mit einem zentralen Server, der ihnen virtuelle Konferenzräume zur Verfügung stellt. Ein Vorzug der Software ist die Möglichkeit, dass die verschiedenen Räume miteinander verknüpft wer-den können. So lassen sich bei Bedarf kleinere Gesprächs-kreise zu größeren Runden zusammenschalten. Die Kommunikation wird aufwendig verschlüsselt.

Wer nutzt es? Viele Organisa-tionen bevorzugen Mumble wegen seiner Benutzerfreundlichkeit. In Deutschland nutzen das Programm vor allem Mitglieder der Piratenpartei und Online-Spieler.

Gibt es Kritik? Der Verwalter des Zentralcomputers kann den Nutzern vielfältige Rechte einräumen – oder Nutzer einfacher stumm schalten.

http://img607.imageshack.us/img607/1836/51017920.jpgEtherpad

etherpad.org

Was ist das? Ein Text-programm, mit dem mehrere Personen Dokumente wie etwa Sitzungsprotokolle gemeinsam verfassen.

Wie funktioniert’s? Der Online-Dienst erlaubt es beliebig vielen Autoren, über ihren Internet-Browser zusammen an einem Text zu arbeiten. Verschiedene Farbmarkierungen zeigen die Urheber der jeweiligen Änderungen, die jeder Teilnehmer in Echtzeit einsehen kann. Über einen integrierten Chat können sich die Nutzer über den Text austauschen. Grundsätzlich eignen sich Etherpads für viele Textformen, auch für gemeinsam verfasste Positionspapiere. Zugang zu einem digitalen Notizblock hat jeder, der die dafür generierte Internet-Adresse kennt – und gegebenenfalls das Passwort.

Wer nutzt es? Die Urfrage aller ernsthaften Politikaktivisten lautet: Wer schreibt das Protokoll? Die Piraten beantworten sie ganz einfach mit: wir alle.

Gibt es Kritik? Nur von den-jenigen, die es seltsam finden, wenn in einer Besprechung vor jedem Teilnehmer ein Laptop steht.

http://img521.imageshack.us/img521/3568/69745884.jpgVisualisierungstools

informationisbeautiful.net

Was ist das? Bürgerbeteiligung übers Netz erfordert den einfachen Zugang zu Informationen, die das öffentliche Leben betreffen. Verschiedene Programme helfen dabei, große Datenmengen so aufzubereiten, dass sie leicht verständlich sind.

Wie funktioniert’s? Das bekannteste Visualisierungswerkzeug ist Google Maps. Damit lassen sich etwa Geodaten einfach auf Karten eintragen und im Internet veröffentlichten. So werden auch seit 2010 viele Indikatoren aus Studien der Weltbank in das Kartenmaterial eingebunden. Auf der Seite many-eyes.com wiederum kann jeder Daten hochladen, sich zwischen verschiedenen grafischen Umsetzungen entscheiden und die Ergebnisse mit anderen diskutieren. Datensätze lassen sich mit pipes.yahoo.com zusammenführen. Die Online-Anwendung erlaubt es, den Infostrom verschiedener Webseiten nach frei bestimmbaren Kriterien zu filtern.

Wer nutzt es? Aktivisten und Datenjournalisten.

Gibt es Kritik? Ja, wenn eine Infografik hässlich, langweilig oder irreführend ist.

Dieser Text ist Teil des Freitag-Spezial "Liquid Democracy - eine Anleitung". Die weiteren Beiträge:

Was ist Liquid Democracy?

Wie sieht die Praxis aus?

Hilft Liquid Democracy wirklich?

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