Im Wedding bahnt sich Großes an. Ein 32-jähriger Zivilfahnder des Polizeiabschnitts 36 ist gerade dabei, die Rapszene Berlins, ach was, der ganzen Welt zu erschüttern. Cop Thirty-Six, so der Künstlername des anonymen Hobby-HipHoppers, hat auf Youtube seinen selbstgedrehten Clip „Wild Wedding“ eingestellt. Der Text rumpelt und ächzt; man hat etwas Mühe, das Video zu Ende zu schauen. Trotzdem geht es hier um mehr als nur eine Internetkuriosität. Der Berliner Polizist führt mit seinem Song nämlich eine neue Figur in die Rap-Arena ein – und bricht damit eine Grundregel des Street-Credibility-gesättigten Sprechgesangs.
Bisher funktionierte dessen Erzählung so: Bewohner von sozialen Brennpunkten möchten diese hinter sich lassen und zu Wohlstand kommen, um ihren Lieben und sich selbst ein schönes Leben zu ermöglichen. In dieser Welt führt der schnellste Weg dazu über die Kriminalität. Die allerdings muss die Polizei verhindern. Und zwingt den Gangster in ein folgenreiches Spannungsfeld zwischen Recht und Reichtum. Viele Rapsongs verarbeiten diesen Stoff mit eindeutigem Urteil: Die Polizei ist der Todfeind des Gangsters.
Eine Frage des Berufsethos
Dabei haben Ganoven und Gendarmen einiges gemeinsam. Literatur und Film inszenieren die Welten von Recht und Unterwelt oft ähnlich, Polizist und Verbrecher als ungleiche Brüder im endlosen Kampf. Beide fristen ein Dasein am Rande der Gesellschaft. Und ordnen ihr Leben samt aller sozialer Kontakte dem „Berufsethos“ unter.
Deswegen ist es nur konsequent, dass der Weddinger Cop-Rapper sich nun denselben Darstellungen und Denkfiguren bedient, die auch seine Gegenspieler nutzen, um das Gangsterleben symbolisch aufzuwerten. So zeigt das Video Gewohntes: Waffen, Drogen, Sozialwohnungsbauten. Auch Cop Thirty-Six beruft sich in kodierter Sprache auf einen eigenen Kodex und erinnert an die höhere Mission („alles nur für die Gerechtigkeit“). Sein Territorium vermisst er minutiös, zählt Straßenzug für Straßenzug auf, was ihm Autorität verleihen soll, weil es signalisiert: Da weiß jemand, wovon er spricht. Dazu noch ein wenig Sozialkritik plus Egopolitur, und siehe da: It’s a rap!
„Wild Wedding“ erinnert so an das Potenzial der Rapmusik, wie durch ein Schlüsselloch den empathischen Blick in andere Lebenswelten zu ermöglichen. Angesichts der musikalischen Schwächen des Tracks mag das paradox klingen. Aber gerade dieses Paradoxe passt auch gut zum Wedding. Denn von dem heißt es ja seit Ewigkeiten, er komme – und irgendwie dann aber auch wieder nicht.
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