Die Gefahr von Rechts im Ruderboot

Olympia Die Debatte um das Umfeld der Ruderin Drygalla konzentriert sich vor allem auf ihre Person. Das eigentliche Problem ist aber struktureller Natur
Bald nur noch zu acht? Nadja Drygalla steht wegen ihres Umfelds unter Druck
Bald nur noch zu acht? Nadja Drygalla steht wegen ihres Umfelds unter Druck

Foto: Harry How/Getty Images

Im Fall der Olympia-Ruderin Nadja Drygalla läuft eine Erregungsspirale an, deren Verlauf sich leicht erahnen lässt. Noch einige Zeit werden die Verantwortlichen in Sportverbänden und Ministerien jegliche Verantwortung abwehren. Man sei über das rechtsextreme Umfeld der Sportlerin nicht informiert gewesen, Schuld daran hätten andere. Wächst genügend Empörung in der Öffentlichkeit heran, werden Köpfe rollen müssen. Drygalla könnte aus dem deutschen Ruder-Team ausscheiden. Doch das erstickt die Debatte, die eigentlich geführt werden müsste. Dabei ist diese Fixierung auf den Einzelfall Teil des Problems.

Schon wieder muss die deutsche Öffentlichkeit nach dem NSU-Skandal eine Rechtsextremismus-Debatte führen. Und dabei verfestigt sich eine äußerst unangenehme Gewissheit: Rechtsextremismus ist kein Problem des politischen Rands, sondern der Mitte der Bundesrepublik. Im Fall des Nationalsozialistischen Untergrunds mochte man noch hoffen, dass es sich um eine kleine Gruppe von Irrsinnigen handelte, die zwar ein Netz an Unterstützern aus der Szene hatten, aber ansonsten von der Gesellschaft isoliert agierten. Das geht im Fall Drygalla nicht.

Weg des geringsten Widerstands

Seit Jahren warnen Experten davor, dass Rechtsextreme verstärkt über Sportvereine Anschluss an die breite Bevölkerung finden. Sportklubs eignen sich dafür hervorragend, weil sie Menschen aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten zusammenbringen. Nun zeigt sich, wie schwach Vereine und Behörden dieser Herausforderung begegnen.

Der Sportfunktionär Hans Sennewald dürfte über seine Tochter Ulrike, die seit ihrer Jugend zusammen mit Nadja rudert, schon lange von deren rechtsextremen Freund gewusst haben. Auch das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommerns hatte spätestens seit Drygallas Ausscheiden aus dem Polizeidienst im Herbst 2011 Kenntnis von deren problematischem Umfeld. Mit dieser Information hätte die eine wie andere Seite offensiv umgehen müssen, um klarzumachen, dass sie rechtsextreme Einflüsse auf den Sportbetrieb nicht dulden. Das ist nicht passiert.

Es bleibt der Verdacht, dass Behörde und Verband den Weg des geringsten Widerstandes wählten, um die erfolgreiche Sportlerin im Boot zu halten. Erstickten hier die Aussicht auf Prestige und Fördergelder demokratische Bedenken? Das dürften die nächsten Wochen zeigen. Die Medienmaschinerie darf aber nicht an dem Punkt erliegen, an dem Drygallas tatsächliche Gesinnung und die Verantwortung geklärt sind. Vielmehr muss die Öffentlichkeit die problematischen Strukturen des Sportbetriebs in den Blick nehmen, die der Gefahr von Rechts offenbar nicht gewachsen sind.

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