Im Fall der Olympia-Ruderin Nadja Drygalla läuft eine Erregungsspirale an, deren Verlauf sich leicht erahnen lässt. Noch einige Zeit werden die Verantwortlichen in Sportverbänden und Ministerien jegliche Verantwortung abwehren. Man sei über das rechtsextreme Umfeld der Sportlerin nicht informiert gewesen, Schuld daran hätten andere. Wächst genügend Empörung in der Öffentlichkeit heran, werden Köpfe rollen müssen. Drygalla könnte aus dem deutschen Ruder-Team ausscheiden. Doch das erstickt die Debatte, die eigentlich geführt werden müsste. Dabei ist diese Fixierung auf den Einzelfall Teil des Problems.
Schon wieder muss die deutsche Öffentlichkeit nach dem NSU-Skandal eine Rechtsextremismus-Debatte führen. Und dabei verfestigt sich eine äußerst unangenehme Gewissheit: Rechtsextremismus ist kein Problem des politischen Rands, sondern der Mitte der Bundesrepublik. Im Fall des Nationalsozialistischen Untergrunds mochte man noch hoffen, dass es sich um eine kleine Gruppe von Irrsinnigen handelte, die zwar ein Netz an Unterstützern aus der Szene hatten, aber ansonsten von der Gesellschaft isoliert agierten. Das geht im Fall Drygalla nicht.
Weg des geringsten Widerstands
Seit Jahren warnen Experten davor, dass Rechtsextreme verstärkt über Sportvereine Anschluss an die breite Bevölkerung finden. Sportklubs eignen sich dafür hervorragend, weil sie Menschen aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten zusammenbringen. Nun zeigt sich, wie schwach Vereine und Behörden dieser Herausforderung begegnen.
Der Sportfunktionär Hans Sennewald dürfte über seine Tochter Ulrike, die seit ihrer Jugend zusammen mit Nadja rudert, schon lange von deren rechtsextremen Freund gewusst haben. Auch das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommerns hatte spätestens seit Drygallas Ausscheiden aus dem Polizeidienst im Herbst 2011 Kenntnis von deren problematischem Umfeld. Mit dieser Information hätte die eine wie andere Seite offensiv umgehen müssen, um klarzumachen, dass sie rechtsextreme Einflüsse auf den Sportbetrieb nicht dulden. Das ist nicht passiert.
Es bleibt der Verdacht, dass Behörde und Verband den Weg des geringsten Widerstandes wählten, um die erfolgreiche Sportlerin im Boot zu halten. Erstickten hier die Aussicht auf Prestige und Fördergelder demokratische Bedenken? Das dürften die nächsten Wochen zeigen. Die Medienmaschinerie darf aber nicht an dem Punkt erliegen, an dem Drygallas tatsächliche Gesinnung und die Verantwortung geklärt sind. Vielmehr muss die Öffentlichkeit die problematischen Strukturen des Sportbetriebs in den Blick nehmen, die der Gefahr von Rechts offenbar nicht gewachsen sind.
Kommentare 7
Nazis werden in einigen Kreisen offebahr leider wieder einmal als "das kleinere Übel" angesehen: sie stellen nämlich das aktuelle Wirtschaftssystem sowie das Privateigentum nicht grundsätzlich in Frage.
Im Spitzensport geht es bei Olympia zudem auch für die beteiligten Funktionäre und die Trainerstäbe um sehr viel: um Geld, Jobs und - was nicht zu vernachlässigen ist - um persönliche Lebenswerke. Die Angst, dies alles könne von anderen mit einem Federstrich zunichte gemacht werden, führt dann zum Wegschauen. Nicht umsonst sind die Sportverbände extrem autoritär bis diktatorisch geführte Institutionen.
Stimme ebefalls zu. Sehr dezent formuliert, aber das Problem ist auf den Punkt gebracht worden.
Stimme ebefalls zu. Sehr dezent formuliert, aber das Problem ist auf den Punkt gebracht worden.
Schade! Der Titel verspricht mehr als der Text hält. Ich erwartete eher eine Darstellung der Kontinuität des deutsch-autoritären Geistes, der als nicht blinder Passagier in den deutschen Ruderbooten mitreist(e).
Schließlich sorgte noch in den sechziger Jahren ein Karl Adam (SA-Mitglied, NSDAP-Mitglied, Lehrer an dern NAPOLA) als "Ruderprofessor" dafür, dass die blonden Recken den "inneren Schweinehund" überwinden konnten. Obwohl: Adam selber stand dem NS "innerlich völlig ablehnend" gegenüber. Aber sicher doch.
"Tut mit leid, das ist einfach zu kurz gedacht. Perspektivlosigkeit ist noch lange kein Grund sich der NPD zuzuwenden."
Gerade für die Bekämpfung von Rechtsextremismus bilden doch soziale Mißstände, Vernachlässigung und Perspektivlosigkeit einen wichtigen Ansatzpunkt bilden (s. besonders Gebiete wie Meck-Pomm, wo es heißt, "die NPD kümmert sich"). Ein Grund sich der NPD zuzuwenden, ist das o.g. sicher nicht. Gleichwohl korrelieren soziale Mißstände und NPD-Erfolge nicht selten miteinander. Einer Fr. Drygalla hingegen ging es ja vergleichsweise gut: Erfolgreich im Sport, Aussichten auf eine Beamtinnen-Karrierre ...
wir haben rechte am ruder und extremrechte im boot - seit gründung der brd.
Genau!