Fit to lead?

Alltagskommentar Der Weg zur Macht führt für Politiker der Gegenwart über den Trainingsplan und den Waschbrettbauch: Kann Peter Altmaier Kotelett und Karriere vereinbaren?
Geht's mit Bauch auch?
Geht's mit Bauch auch?

Foto: Wolfgang Kumm/AFP/Getty Images

Der Macht des Zeitgeists kann sich kein Politiker entziehen. Auch Bundesumweltminister Peter Altmaier nicht. Über den berichtete Bild kürzlich, dass er „mindestens 141 Kilo schwer“ wäre, wie eine Seehundwaage verraten hätte, auf der er während einer Sommerreise öffentlichkeitswirksam posierte. Seine Figur bricht mit einem Trend im Politikbetrieb, körperliche Fitness als Ausweis von Disziplin und Durchsetzungsvermögen zu instrumentalisieren. Daher stellen viele ihre Fitness gerne zur Schau. So ließ sich zum Beispiel Gesundheitsminister Daniel Bahr von Bild beim Marathon-Training begleiten. Barack Obama machte seinen ehrgeizigen Trainingsplan 2008 gar zum Wahlkampf-Thema. Das lässt sich nicht nur mit der Vorbildfunktion erklären, die die Öffentlichkeit ihren Vertretern zuschreibt. Fitte Politiker möchten ihren Wählern suggerieren, zu außerordentlichen Anstrengungen fähig zu sein.

Diese Entwicklung ist Ausdruck eines Zeitgeists, der den menschlichen Körper mit individueller Leistung und Erfolg gleichsetzt. Dieses Optimierungsdiktat setzt Bürger, besonders aber Führungskräfte mächtig unter Druck. In den USA hat sich dafür die Wendung „fit to lead“ etabliert. Körperliche und geistige Leistung zusammen zu denken, ist allerdings nicht neu: Schon der römische Dichter Juvenal vermutete einen gesunden Geist in einem gesunden Körper. In der Politik hat dies aber noch eine andere Bedeutungsebene. Der Wille zur Macht über den eigenen Körper symbolisiert das Ausmaß der Gestaltungskraft. Wer seinen inneren Schweinehund in die Knie zwingt und Kohlrabi dem Kotelett vorzieht, müsste die Republik hervorragend führen können.

Wie passt Altmaiers offensiver Umgang mit seinem Übergewicht nun dazu? Steht er für einen neuen Politikertypus dionysischer Prägung, der den Weg des geringsten Widerstands wählt? Wohl kaum. Er versucht sich als Außenseiter mit Schwächen zu präsentieren, mit dem sich Wähler identifizieren können. Inhaltlich kann er kaum aus der Merkel-CDU ausscheren, denn die Königin bestraft Abweichler mit dem Tod. Da bleibt nur ästhetischer Widerstand. Unwahrscheinlich ist allerdings, dass sich Altmaier damit für höhere Ämter empfiehlt. Denn der Wille zur Macht führt über den Waschbrettbauch. Der ähnlich imposante Sigmar Gabriel hat das eingesehen. Über den potenziellen SPD-Kanzlerkandidaten wurde Anfang der Woche bekannt, dass er während seiner Elternzeit an seiner Figur arbeitet. Altmaier wird sich also zwischen Kotelett und Karriere entscheiden müssen.

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