http://img820.imageshack.us/img820/5273/54568304.jpgLiquid Friesland
Der niedersächsische Landkreis Friesland kündigte im Juni an, ab November als erste deutsche Kommune Liquid Feedback einzusetzen. Bei Liquid Friesland wäre die Software zum ersten Mal direkt in einen kommunalpolitischen Prozess eingebunden. Deutsche Städte und Gemeinden nutzen bisher vor allem Adhocracy und haben zum Beispiel auf offenekommune.de einen Ideenpool eingerichtet.
In Friesland sollen Interessierte hingegen dem Kreistag vorliegende Beschlussentwürfe diskutieren. Das abschließende Votum will der Kreistag bei seiner Entscheidung berücksichtigen. Ebenso sollen Vorschläge aus dem Netz den zuständigen Ausschüssen vorgelegt werden, sofern sie ein bestimmtes Quorum erreichen.
Landrat Sven Ambrosy, SPD, hofft, vor allem jüngere Friesländer für kommunalpolitische Themen zu begeistern. Das Experiment ist auf ein Jahr befristet. Jeder Friese kann sich über ein Formular registrieren, die Plattform arbeitet mit Klarnamen. Für Bürger ohne Netzerfahrung will der Landkreis Kurse anbieten.
http://img703.imageshack.us/img703/3633/89987151.jpgExperimente in Parteien
cdu-nrw.de, spd.de, fdpbayern.de
Nicht nur die Piratenpartei experimentiert mit Online-Werkzeugen. So soll Liquid Feedback dem CDU-Landesverband Nordrhein-Westfalen bald dabei helfen, ein neues Grundsatzprogramm zu verfassen. Wie genau die Christdemokraten das Beteiligungsprojekt ausgestalten möchten, ist allerdings noch nicht bekannt.
Die Bundestagsfraktion der SPD veranstaltet im September einen „Zukunftskongress“, für den Interessierte auf der Adhocracy-Plattform zukunftsdialog.spdfraktion.de Vorschläge gesammelt und diskutiert haben. Im Herbst will die SPD-Fraktion die Ergebnisse vorstellen. Unklar ist bisher noch, wie die eingebrachten Vorschläge die Arbeit der Partei beeinflussen werden.
Ende Juli stellte die FDP Bayern ihre New-Democracy-Plattform vor. Anders als andere Software-Initiativen soll fdpbayern.newdemocracy.de die Strukturen der Partei online abbilden – und allen Untergliederungen ein vorgefertigtes Werkzeug für die Online-Beteiligung von Mitgliedern in die Hand geben.
http://img23.imageshack.us/img23/4892/25400398.jpgBürgerhaushalte
Bürgerhaushalte sind eine Form direkter Beteiligung, die erstmals 1989 im brasilianischen Porto Alegre eingesetzt wurde. Dafür diskutieren interessierte Bürger während regelmäßiger Versammlungen, für welche Zwecke Mittel ausgegeben werden sollen. Entscheidet sich die Lokalpolitik, den Empfehlungen nicht zu folgen, muss sie ihre Gründe dafür offenlegen.
Bürgerhaushalte wurden bislang vornehmlich auf Stadt- oder Bezirksebene eingeführt. In Deutschland existieren bisher etwa 90 solcher Projekte, etwa in Köln, Berlin-Lichtenberg und Trier. In ihrer Gestaltung unterscheiden sich die Haushaltsberatungen allerdings erheblich. Der Budgetprozess beginnt meist mit einigen lokalen Versammlungen, auf denen Vertreter gewählt und Vorschläge gesammelt werden. Auch Online-Beteiligug ist vielerorts erwünscht. Am Ende stellt ein Bürgergremium einen Katalog mit Vorschlägen zusammen und legt sie der Verwaltung vor. Die Umsetzung dieser Ideen überwachen Vertrauensleute des Bürgergremiums.
http://img207.imageshack.us/img207/1737/22061972.jpgBürgergutachten
Die Erstellung eines Bürgergutachtens ist ein Verfahren, das die Empfehlungen einer Gruppe von Bürgern zu einer Sachfrage sammelt. Ziel ist es, Betroffene in einer Art „Offline-Crowdsourcing“ zu beteiligen, um die Qualität politischer Entscheidungen zu verbessern.
Dafür beschäftigen sich 25 repräsentativ vom Auftraggeber ausgewählte Bürgergutachter vier Tage lang mit verschiedenen Lösungen einer Sachfrage. Das Gutachten erarbeitet die „Planungszelle“ selbstständig, Experten beraten sie nur auf Anforderung. Wie das Gutachten berücksichtigt wird, entscheiden die Auftraggeber selbst. Befürworter erhoffen sich, dass die Gutachten die Akzeptanz von Entscheidungen bei Betroffenen erhöhen.
In Deutschland werden Bürgergutachten zum Beispiel in Stuttgart, Bayern und Berlin genutzt. 2008 entwickelten bayerische Bürger Empfehlungen für die Landespolitik der nächsten zehn Jahre. Sie forderten zum Beispiel einen Marshall-Plan für strukturschwache Regionen des Landes und kostenlose Bildung für alle.
http://img40.imageshack.us/img40/4254/10onh.jpgGroße Infofreiheit
Zehn Bundesländer haben Informationsfreiheitsgesetze erlassen. Solche Gesetze erlauben normalerweise, dass Bürger auf Antrag amtliche Informationen erhalten.
Im Juni hat die Hamburger Bürgerschaft dagegen ein Gesetz verabschiedet, das dieses Prinzip umkehrt: Die Hamburger Verwaltung ist nach einer Übergangsfrist von zwei Jahren dazu verpflichtet, amtliche Dokumente von sich aus in einem zentralen Informationsregister zu veröffentlichen – in einem auch elektronisch analysierbaren Format. Dazu gehören unter anderem Senatsbeschlüsse, behördliche Haushaltspläne und Verträge zur Daseinsvorsorge, die Krankenhäuser, Bildungs- und Kultureinrichtungen betreffen.
Das Gesetz kam einem Volksentscheid zuvor, den der Verein „Mehr Demokratie e.V.“ eingeleitet hatte. Es macht Hamburg in Sachen Informationsfreiheit nun zum Vorreiter unter den deutschen Bundesländern. Vertreter mehrerer Parteien fordern nun ein entsprechendes Gesetz auch auf Bundesebene.
Dieser Text ist Teil des Freitag-Spezial "Liquid Democracy - eine Anleitung". Die weiteren Beiträge:
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.