Was ist nicht alles geschrieben worden, über Armin Laschets Herumlavieren angesichts der großen Flut, über seine dreiste Behauptung, er sei eigentlich sogar ein Klimaschutzvorreiter. Die Moderatorin des WDR hatte mehrmals nachgehakt: Er habe sich doch bis jetzt schützend vor die Braunkohle gestellt, die Windkraft in Nordrhein-Westfalen (NRW) eher behindert denn gefördert. Sei das Hochwasser denn kein Wendepunkt für ihn, möglicherweise sogar ein Grund, den Kohleausstieg vorzuziehen?
Da verriet sich Laschet. Das heißt, er sagt wahrscheinlich seinen ehrlichsten Satz in dem Interview: „Weil jetzt ein solcher Tag ist, ändert man nicht die Politik.“ Ansonsten übte er sich in Schönfärberei: NRW habe so viel CO2 eingespart wie kein anderes Bundesland in Deutschland, beim Zubau der Windkraft sei es im Ländervergleich 2020 auf Platz 1 gelandet und weil er, Laschet, den Kohleausstieg „mitverhandelt“ habe, blieben nun eine Milliarde Tonnen Braunkohle im Boden. Fazit: „Also mehr als Treiber sein in Deutschland kann NRW leider nicht.“
Das Gegenteil ist der Fall. Es gibt nur wenige Bundesländer, die gemessen an ihrem Klimaschutzpotential so untätig oder sogar kontraproduktiv waren wie Nordrhein-Westfalen. Dies ist Laschets bisherige Klimabilanz.
Als Kontext mag der neuste Berichtsentwurf des Weltklimarats herhalten, nachdem eine Begrenzung des globalen Temperaturanstieg seit Beginn des Industriezeitalters auf durchschnittlich 1,5 Grad eine harte Grenze bildet. Denn wenn dieses Ziel verfehlt wird, werden viele klimatische Kipppunkte überschritten. Das daraus sich ergebende noch verbleibende CO2-Budget, heruntergebrochen auf Nationen und Sektoren, hat seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sogar rechtsverbindlichen Charakter.
Jährlich 12 Tonnen CO2 pro Kopf
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) errechnete, dass Deutschland im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel nur noch ein restliches CO2-Budget von 3,6 Gigatonnen bleibt, welches bei einer linearen Reduktion im Jahr 2032 aufgebraucht wäre. Daran gemessen wurde 2020 bundesweit trotz sinkender Emissionen immer noch zu viel CO2 ausgestoßen. Nordrhein-Westfalen ist zu einem großen Teil, nämlich zu 27,5 Prozent, dafür verantwortlich. Pro Kopf produziert es etwa zwölf Tonnen CO2 pro Jahr. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 8,9 Tonnen.
Wer viel ausstößt, kann auch viel einsparen. So kommt es, dass NRW prozentual gesehen 2020 mehr Emissionen reduzierte als andere Bundesländer. Dies geschah jedoch nicht wegen, sondern trotz Laschets Klimapolitik. Der europaweit zunehmende Anteil Erneuerbarer Energien sowie ein reduzierter Verbrauch aufgrund der Coronakrise sorgte für sinkende Strompreise, während gleichzeitig der CO2-Preis stieg. Somit lohnte es sich zeitweise kaum noch, Kohlestrom zu verkaufen. Doch dieser Trend war nur vorübergehend: Er scheint sich gerade wieder umzukehren, da Nachfrage und Strompreis schneller ansteigen als der CO2-Preis.
Wirksamer Klimaschutz ist deshalb nur mit einem politisch festgelegten beschleunigten Kohleausstieg möglich. Das DIW fordert in einer aktuellen Studie, die Kohleverstromung bereits 2028 zu beenden, denn allein durch eine überdurchschnittliche Reduktion in der Energiewirtschaft bliebe den anderen Sektoren wie Landwirtschaft und Verkehr die notwendige Zeit für die strukturellen Veränderung hin zur Klimaneutralität. Auf das Rheinische Revier bezogen dürften insgesamt nur noch maximal 235 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert werden.
Laschets Regierung unterstützte RWE
Nichts könnte Armin Laschet ferner sein als ein solches Szenario. Dem (zu langsamen) Kohleausstieg und der Verkleinerung der Tagebaue, die er sich nun auf die Fahnen schreibt, stemmte er sich lange entgegen. 2016 etwa stimmte er, damals noch in der Opposition, gegen die von Rot-Grün beschlossene Verkleinerung des Garzweiler-Tagebaus. Hinter den Kulissen der sogenannten Kohlekommission bewirkte er eine längere Laufzeit für einige alte, besonders klimaschädliche Braunkohlemeiler. Während die Kommission noch tagte, schob er dem Energiekonzern RWE keinen Riegel vor, als dieser Vorbereitungen traf, den Hambacher Wald weiter abzuholzen. Im Gegenteil. Laschets Regierung unterstützte RWE von Beginn an mit massiven Polizeieinsätzen gegen Klimaproteste und verlor dabei jedes Maß. Beim größten Polizeieinsatz in der Geschichte NRWs kam ein Mensch zu Tode.
Auch wenn Laschet heute ein anderes Bild abzugeben versucht – ihm ist es am wenigsten zu verdanken, dass das Reststück des Hambacher Waldes erhalten und die Kohle darunter im Boden bleibt. Letztendlich war es der BUND, der einen Rodungsstopp vor Gericht erzwang.
Die Abbaggerung einiger Dörfer im Tagebaugebiet geht ebenfalls auf Laschets Konto. Denn als der Kohlekompromiss in ein Gesetz gegossen werden sollte, setzte er wesentliche Änderungen durch, womit das umstrittene Steinkohlekraftwerk Datteln 4 doch noch ans Netz ging und RWE eine größere Fördermenge als verhandelt – 900 Millionen Tonnen – zugestanden wurde. Besonders pikant dabei: CDU-Wirtschaftsminister Altmaier hielt bis zur Abstimmung des Gesetzes im Parlament ein zentrales Gutachten zurück. Es belegt, dass die Braunkohle unter den Dörfern am Tagebau Garzweiler auch in energiepolitischer Hinsicht nicht gebraucht wird.
Wie glaubhaft kann Laschets Anteilnahme gegenüber den Flutopfern überhaupt sein, wenn er RWE beim Zerstören von Dörfern Schützenhilfe leistet?
Auch im Hinblick auf die Erneuerbaren Energien ist seine Bilanz verheerend. Kein anderes Bundesland produziert anteilig so wenig grünen Strom wie NRW. Viele entscheidende Weichenstellungen der Vorgängerregierung, mit der sie die Windkraft voranbringen wollte, nahm die Regierung Laschet wieder zurück und führte erhebliche Hürden wie eine restriktive Abstandsregelung ein. Eine geplante Regelung, wonach neue und erneuerte Windräder nur in einem Abstand von 1.500 Metern zu Kleinstsiedlungen hätten errichtet werden dürfen, wurde nach harscher Kritik aus der Windbranche und Zivilgesellschaft zwar in eine 1.000-Meter-Abstandsregel abgeändert. Ein Abwürgen des Windkraft-Zubaus wird damit allerdings kaum verhindert. Darüber hinaus ist der Bau von Freiflächensolaranlagen seit kurzem nur noch in Ausnahmefällen möglich.
Das NRW-Klimaschutzgesetz ist verfassungswidrig
Das NRW-Klimaschutzgesetz wollte die Landesregierung gleich ganz abschaffen. Erst nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts passte sie das Klimaziel an, ohne das Gesetz jedoch mit Zwischen- und sektorspezifischen Zielen oder Maßgaben für die Zeit nach 2031 auszustatten, womit es offensichtlich verfassungswidrig ist. Es fördert darüber hinaus eine weitere Deregulierung und lässt Kommunen mit der Umsetzung der Energiewende allein, zumal auch die EnergieAgentur.NRW, die über drei Jahrzehnte Kommunen beriet, Ende des Jahres aufgelöst wird.
In ähnlicher Weise erschwert die Regierung Laschet notwendige Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel. Wie Laschet im Interview betonte, wurde vor Kurzem zwar ein Klimaanpassungsgesetz im Landesparlament verabschiedet. Es ist jedoch weder mit einem Finanzbudget hinterlegt, noch enthält es verbindliche Vorgaben zur Umsetzung seiner Ziele. Es ist also ebenfalls ein zahnloser Papiertiger. Schlimmer noch: Viele konkrete Vorschläge zur Anpassung, die in einem mühsamen Beteiligungsprozess zwischen Bürger*innen, Umweltverbänden, Vertreter*innen von Industrie und Kommunen ausgehandelt wurden, finden keine Beachtung mehr, da der bisher geltende Klimaschutzplan nun wegfällt.
Das Gesetz wird außerdem durch die Änderung anderer Landesgesetze konterkariert. So gibt es neuerdings Vorgaben zum Ausbau von Industrie, Gewerbe, Immobilien und Flughäfen auf Kosten des Naturschutzes. Das neue Wassergesetz halten Experten gar für einen Angriff auf den Gewässerschutz.
Für jeden verantwortungsvollen Politiker wäre die Flutkatastrophe Anlass genug, seine Politik tatsächlich und nicht nur dem Anschein nach völlig neu auszurichten. Nicht so für Laschet. Echter Klimaschutz ist mit der CDU nicht möglich.
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