Viele deutsche Familien, die mit ihren Kindern einen denkwürdigen Urlaub in den USA verbringen möchten, mieten sich statt eines Pkw gern ein Wohnmobil, um darin im makellosen Sonnenschein Floridas von Campingplatz zu Campingplatz zu fahren, in den eigenen vier Fahrzeugwänden zu dinieren, fern zu schauen wie im Hotelzimmer und des nachts auf zwei Etagen zu schlafen. In den USA werden diese Luxuscaravans auch RVs genannt. Das ist die Kurzform für "recreational vehicles": Urlaubsfahrzeug.
Neben Touristen finden sich auf den Highways aber auch unzählige einheimische Wohnwagenfahrer, die erstaunlicherweise zumeist jenseits des Rentenalters sind. Die kanadischen Eheleute Laura und Anthony Peck zum Beispiel ließen sich im Alter von 55 Jahren pensionieren und kauften sich ein großes doppelstöckiges Wohnmobil, in dem sie alljährlich für mehrere Monate dem winterlichen Ottawa entfliehen, um es sich im Sonnenstaat Florida gut gehen zu lassen. Für sie ist Erholung zum Lebensmotto geworden.
Aber dies ist nur die halbe Wahrheit der RVs. Die der Gut-Situierten. Wer die Highways verlässt und sich an die Stadtränder vorwagt oder durch den ländlichen Süden fährt, entdeckt dort Ansammlungen von Wohnmobilen, von denen sich keines in den letzten zehn Jahren von der Stelle gerührt zu haben scheint. Sie sind mit ihrer Umwelt geradezu verwachsen. Von den Außenwänden blättert die Fassadenfarbe, einige sind von Gerümpel umgeben und wirken verwahrlost, fast untergehend im unverschnittenen Gestrüpp und Geäst. Vor ihnen stehen rostige Pick-Up Trucks des Baujahrs 1980. Von Luxus keine Spur mehr. Hier haben sich diejenigen eingerichtet, die auf die günstigsten Mietkosten des Wohnmarkts angewiesen sind.
Insgesamt 8,9 Millionen amerikanische Familien leben permanent in diesen fest verankerten Mobile Homes. Die meisten davon - etwa 5,1 Millionen - in den ökonomisch schwächsten Gebieten der USA, den Südstaaten Alabama, Mississippi und Louisiana. Der wohlhabende Nordosten hingegen - Maine, New Hampshire, Vermont und New York - hat die wenigsten Wohneinheiten dieser Art vorzuweisen: lediglich 671.000 nach der letzten Zählung des U.S. Census Bureau.
Eigentümer von Trailern bezahlen eine monatliche Pacht von durchschnittlich 300 Dollar für das Fleckchen Erde, auf dem sie leben. Das ist etwa die Hälfte von dem, was ein reguläres Apartment kostet. Wer den Wohnwagen nicht selbst besitzt, hat zusätzlich die Hypothek zu tilgen. Bis zu 43 Prozent des Monatseinkommens können da schon einmal für ein Dach über dem Kopf draufgehen. Aber dennoch: In einem gebrauchten, kleinflächigen Wohnmobil zu leben, ist die derzeit kostengünstigste Unterkunft für einen US-Amerikaner.
Etwa die Hälfte aller in Mobile Homes untergekommenen Familien sind in so genannten Trailer Parks ansässig. Dies sind in der Regel von Landbesitzern kommerziell betriebene Wohnstätten, die durch strenge Regulationen der Stadtplanung (das so genannte "Zoning") am Rande der Metropolen lokalisiert sind. Im ländlichen Raum stößt man, aufgrund fehlender Zoning-Verordnungen, weniger auf derartige Parks. Hier sind auch vereinzelte Wohnmobile zu finden.
Ursprünglich waren die Caravans nicht als permanente Wohnung gedacht. Die ersten Wohnmobile gab es in den 1920er Jahren, es waren oft mit einem Zelttuch bedeckte Holztrailer Marke "Eigenbau". Der Leiter einer Arzneimittelfirma aus Detroit, Arthur G. Sherman, wird gemeinhin als der erste Unternehmer genannt, der die Wagen in großer Stückzahl fertigen ließ. Seine fahrenden Holzkästen waren genau das Richtige für den Tourismus der Nachkriegsgeneration. Bis 1933 entstanden im ganzen Land Campingplätze entlang der Autobahnen, um dem neuen Trend zu begegnen. Aber dieses idyllische Bild vom campenden Urlauber hielt nicht lange. Von Beginn an zogen die Trailer Parks reisende Händler und Saisonarbeiter an. Die Große Depression trieb dann die ärmsten Schichten der Gesellschaft in die gerade noch bezahlbaren Wohnwagen. Trailer Parks wurden zu Sammelbecken der sozial Ausgeschlossenen, vergleichbar den Ghettos in den Vorstädten.
Während des Zweiten Weltkrieges erholte sich der Ruf der Wohnwagen ein wenig, als die National Housing Agency etwa 35.000 Trailer als temporäre Unterkunft für Kriegsarbeiter zur Verfügung stellte. Aber die öffentliche Anerkennung dieser Wohnstätten als permanente Quartiere schlug nie wirklich Wurzeln. Daran konnten auch behördliche Umbenennungsversuche nichts ändern. 1980 wurde auf Drängen der Wohnwagenindustrie ein Gesetz verabschiedet, das den schmutzbehafteten Begriff "mobile home" in allen amtlichen Veröffentlichungen nunmehr durch "manufactured housing" ersetzen sollte. Dieser Intervention zum Trotz werden nach wie vor beide Termini in der alljährlichen Statistik der Wohnverhältnisse Amerikas, dem American Housing Survey, in derselben Kategorie zusammengefasst. Ausdifferenziert hat sich lediglich die Bezeichnung RV, die eher einen Urlaubswohnwagen meint - das Luxusgut der amerikanischen Mittelklasse.
Mobilbewohner haben mit etlichen Nachteilen ihrer Wohnsituation umzugehen. Im Gegensatz zu regulärem Immobilienbesitz sinkt der Wert eines Caravans nach dem Kauf stetig, er ist eben den Automobilen ähnlicher als den Immobilien. Auch die Zinsraten für eine Hypothek sind in der Regel höher als bei Eigenheimen aus Stein.
So schlecht der Ruf der Wohnmobilviertel, so schlecht ist auch der ihrer Anlieger, die in der Umgangssprache oft als "trailer trash" denunziert werden. In einer Untersuchung zur sozialen Stigmatisierung von Trailer-Park-Anwohnern durch das Rural Poverty Research Center wird dies besonders deutlich, wenn die Untersuchten offenbaren, wie peinlich ihnen ihre Wohnverhältnisse sind: "Ich erzähle nie jemandem, wo ich wohne", erklärt eine Anwohnerin. "Wenn ich gefragt werde, sage ich nur Prairieview. Ich versuche alles, um zu vermeiden, dass es rauskommt. Nicht einmal mein Chef wusste es bis neulich, und er war schockiert. Auch in der Schule sind Trailerkinder gebrandmarkt. Einer der besten Schüler seiner Klasse sagt: "Es wurde einfach davon ausgegangen, dass ich dumm bin. Es sind nicht die Lehrer - eher die anderen Kinder. Die lernen das zu Hause. Wenn ich im Schulflur rumlaufe, rufen sie nur Hey, Trailer Trash. Ich habe gelernt, es zu ignorieren. Ich höre es kaum noch."
Die Trailer sind besonders empfindlich gegenüber Feuer, Stürmen und extremen Wettersituationen. Selbst einen Tornado der schwächsten Ausprägung überstehen sie nicht unbeschadet ohne zusätzliche Verankerung.
Hinzu kommt, dass gerade diejenigen, die auf einem der unzähligen Mobile Home Parks zusammen mit 20 bis 600 weiteren Familien leben, zwar oft das Dach über ihrem Kopf besitzen, aber nicht das Land auf dem sie residieren. Dieses kann vom Parkbesitzer, der den Pachtpreis und die Regeln bestimmt, jederzeit gewinnbringend verkauft werden. Ein Umzug ist für die durchweg einkommensschwachen Anwohner aber nicht bezahlbar, da die übergroßen Wohnmobile mittlerweile nur unter kostspieligen Bedingungen bewegt werden können.
In Minnesota kam es deshalb im April nach Dutzenden von Parkschließungen zu massiven Demonstrationen. Eine Neuregelung, auf die immer häufiger zurückgegriffen wird, ist deshalb die Gründung von Parkgenossenschaften. Im Zuge dieser Transformation werden die Bewohner zu Eigentümern an dem Grund und Boden, den sie nutzen. Eine wünschenswerte Entwicklung, die den Ansässigen mehr Rechte an die Hand gibt, als sie traditionell hatten. Wohnen im Trailer Park war, und ist vielerorts immer noch, eine der gesetzlich am wenigsten geschützten Residenzformen.
Das Hausen in den Mobile Homes bleibt nicht die einzige Art der Unterbringung der Armen und "working poor". Die Journalistin und Buchautorin Barbara Ehrenreich arbeitete im Zuge ihrer verdeckten Recherchen zwischen 1998-2000 im Niedriglohn-Sektor von vier amerikanischen Bundesstaaten. In dem Buch Arbeit poor - Unterwegs in der Dienstleistungsgesellschaft schildert sie die Wohnverhältnisse ihrer Kolleginnen und Kollegen aus einem Fast Food Restaurant folgendermaßen: "Gail teilt sich ein Zimmer für 250 Doller/Woche mit einem Bekannten, Marianne lebt für 170 Dollar/Woche mit ihrem Freund in einem Ein-Mann-Wohnwagen, Andy in einem trocken-gelegten Boot, Tina bezahlt 60 Doller/Nacht für ein Motelzimmer in einem Days Inn, das sie sich mit ihrem Mann teilt, und Joan übernachtet in einem Van, den sie auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums abstellt. Zum Duschen geht sie zu Tina ins Motel."
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