Es dauerte kaum zwei Stunden, bis Claudia Roths Büro bekanntgab, dass @CRothKultur ein Fake-Account ist. „Willkommen! Dies ist mein offizieller Twitter-Account“, hatte es am Montag auf Twitter geheißen – binnen allerkürzester Zeit hatte die Kulturstaatsministerin in spe Tausende Follwer. Wenig später war der Account auch schon wieder gesperrt.
Der Vorgang illustriert recht gut, woran das Land in den kommenden Jahren mit Claudia Roth sein wird. Da ist zum einen die Böswilligkeit bis hin zum Hass, die die Grünen-Politikerin seit Jahrzehnten begleiten. Da ist aber auch die für realistisch gehaltene Option, dass Roth nachmittags um drei ihren Laptop aufklappen könnte, um sich bei Twitter anzumelden. Jetzt, wo sie doch Kulturstaatsministerin werden soll.
Das beim Kanzleramt angesiedelte Staatsministerium für Kultur und Medien ist eine weitere scharfe Kurve, die die 66-Jährige Politikerin nimmt. Nach EU-Parlament, Parteispitze und Bundestag rückt sie nun also ins Kanzleramt auf. Dorthin, wo es um heikle Themen wie Restitution und Kolonialkunst geht, um Stipendien und Subventionen. Hinzu kommen die Erwartungen der freien Kunst- und Kulturszene an die neue Kanzleramtsministerin. Das alles natürlich – Quadratur des Kreises – in Zusammenarbeit mit den Ländern. Es wird also komplex.
Als Angehörige der Grünen-Gründungsgeneration steht Roth seit langem für lautstark eingeforderte Geschlechtergerechtigkeit, für Multikulturalismus und Minderheitenschutz. Das sichert ihr die Verbundenheit selbst altgedienter Anhänger. Zugleich ist sie eine harte Arbeiterin, die sich vor Auseinandersetzungen nicht scheut. Und ach ja, auf eine mitunter anstrengende Art ist sie auch noch dominant lustig. All dies macht sie zu einer der meistgehassten Personen aus dem linksgrünen Spektrum. Insofern – man kann das nicht anders sagen – ist die Nominierung Claudia Roths für das Amt der Kulturstaatsministerin ein selbstbewusst gezeigter Mittelfinger der Grünen gegen Konservative und Rechte.
Entsprechend empört fällt die Reaktion der AfD im Bundestag aus. Deren Obmann Marc Jongen dünkelt herum, mit Roth werde eine Frau Kulturstaatsministerin, „deren Qualifikation für dieses Amt vor allem aus einem abgebrochenen Studium der Theaterwissenschaften und der kurzzeitigen Tätigkeit als Managerin der Linksrock-Band ,Ton Steine Scherben‘ besteht. (,Macht kaputt, was euch kaputt macht.‘)“
Die Vorschusslorbeeren täuschen aber nicht darüber hinweg, dass Claudia Roths Arbeit strukturell schwierig werden dürfte. Zum einen ist sie mit Olaf Scholz einem SPD-Kanzler weisungsgebunden. Zum anderen hängt ihr Etat – bislang jährlich gut zwei Milliarden Euro – von FDP-Finanzminister Christian Lindner ab. Auch wenn nicht zu erwarten ist, dass der Etat gekürzt wird oder dass Scholz kulturpolitische Neigungen entwickelt, ist es möglich, dass die Grüne zum Spielball widerstreitender Interessen werden könnte
Gut für sie ist da, dass das Außenministerium von den Grünen, namentlich von Annalena Baerbock geführt werden soll. Und dass Claudia Roth nach Jahrzehnten in der Bundes- und Europapolitik nichts mehr werden wollen muss. In einem Interview nach Bekanntwerden der Personalie hat sie schon mal angedeutet, worauf es ihr ankommen werde: Vielfalt. Es dürfe keine Frage des Wohnortes mehr sein, ob kulturelle Angebote wahrgenommen würden, sagte Roth ihrer Heimatzeitung, der Augsburger Allgemeinen. Ihr liege die Kulturlandschaft „in all ihrer Vielfalt am Herzen“. Wie stets, wenn sie gefühlig wird, ist es ihr tatsächlich ernst.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.