Politikverständnis von Friedrich Merz: Schuld sind immer die anderen

Meinung Die Reaktion auf die Wahlschlappe im Saarland sagt viel über das Politikverständnis des neuen CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz
Ausgabe 13/2022
Bei der Pressekonferenz zur Saarlandwahl ging es für einige Minuten auch mal nicht um Friedrich Merz, was ihn sichtlich störte
Bei der Pressekonferenz zur Saarlandwahl ging es für einige Minuten auch mal nicht um Friedrich Merz, was ihn sichtlich störte

Foto: Michael Kappeler/Picture Alliance/dpa

„Wir gewinnen zusammen und wir verlieren auch zusammen.“ Diese beliebte Politfloskel war nach der CDU-Wahlklatsche im Saarland vom Ministerpräsidenten Tobias Hans zu hören. Tags darauf war die Bro-Formel gleich noch einmal zu vernehmen, als CDU-Parteichef Friedrich Merz in Berlin zur Wahlnachlese geladen hatte. Selten ward eine größere Kluft zwischen Gesagtem und Gemeintem zu beobachten. Merz, seit zwei Monaten neu gewählter CDU-Vorsitzender, war spürbar bemüht, den Absturz auf 28,5 Prozent der Stimmen als Nebensächlichkeit zu verkaufen. Ein regionales Ereignis, das mit ihm natürlich keinesfalls in Verbindung steht. Der Verlust von gut zwölf Prozentpunkten sei auch „kein Präjudiz“ für die noch anstehenden drei Landtagswahlen. Und: „Was mich persönlich einigermaßen beruhigt: Wir liegen in den Umfragen vor der SPD.“

Dass beides unzutreffend ist, wirft kein gutes Licht auf den Vorsitzenden, der für sich selbst eigentlich den Anspruch formuliert hatte, auch unangenehmen Wahrheiten nicht auszuweichen. Denn auch wenn das Saarland überschaubar ist – selbstverständlich sind alle Landtagswahlen ein Fingerzeig auf die Wahrnehmung der jeweiligen Bundesparteien. Und nein, CDU und CSU liegen in den Umfragen keineswegs vor den Sozialdemokraten. Selbst bei wohlwollendster Betrachtung kann allenfalls von Gleichstand die Rede sein.

Dass Merz erst Minuten nach Beginn der Pressekonferenz einfiel, sich anstandshalber bei Tobias Hans für den Wahlkampf zu bedanken, sagt viel über dessen Wahrnehmung des landespolitischen Geschäfts sowie sein Selbstverständnis aus. Aber: Nur Chef zu sein, ist selbst in der CDU zu wenig. Auch dort gilt inzwischen die Binse, dass Führung bedeutet, für das Team insgesamt Verantwortung zu übernehmen. Auch und gerade für Verluste.

Merz wollte unbedingt CDU-Vorsitzender werden. Sein Wunsch, die Partei ganz anders als Angela Merkel, Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet zu führen, war so mächtig, dass er sich drei Mal hintereinander um den Posten beworben hat, bis er endlich am Ziel war. Jetzt hat er den Salat. Mit der absoluten Mehrheit der Saar-SPD stellt die CDU nur noch fünf Ministerpräsidenten. Alles Männer, die jetzt in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, wo im Mai und im Oktober neue Landtage gewählt werden, auch als Spitzenkandidaten antreten. Und um das Bild abzurunden: Auch sämtliche Landesvorsitzenden der CDU sind Männer. Dass Merz sich bemüßigt fühlte, bei der Wahlnachlese auf die landauf, landab einzige weibliche CDU-Fraktionsvorsitzende Ines Claus in Hessen zu verweisen, sagt alles.

Auf das Thema angesprochen, reagierte Merz wie ... Merz. Er sei „fest entschlossen, das zu ändern“. Wie, das sagt er nicht. Satzungsänderungen, etwa für eine Frauenquote, müsste ein Bundesparteitag beschließen; der letzte wurde dafür genutzt, Merz mit 95 Prozent der Stimmen zum Vorsitzenden zu küren. Der Umstand, dass gerade im politischen Betrieb Männer andere Männer als Normalität ansehen, ist ja nicht neu. Auch wenn Friedrich Merz sich in seiner Fraktion umschaut, deren Vorsitzender er ebenfalls unbedingt werden wollte, sieht er ganz überwiegend männliche Abgeordnete. Von 246 CDU- und CSU-Abgeordneten sind gerade einmal 51 Frauen. Dabei wird es bis zur nächsten Bundestagswahl im Jahr 2025 ja auch bleiben. Der Partei- und Fraktionschef kann es also getrost bei Absichtserklärungen belassen.

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