Schluss mit Aliens und Hollywood-Stars

Re:publica Science-Fiction ist weit mehr als nur ein Thema für Computerspiele und Blockbusterkino. Sie ist längst auch in den Museen angekommen

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Das Podium: Marc Atallah, Eden Kupermintz, Uri Aviv und Martina Lüdecke (v. l. n. r.)
Das Podium: Marc Atallah, Eden Kupermintz, Uri Aviv und Martina Lüdecke (v. l. n. r.)

Foto: re:publica/Gregor Fischer (CC)

Schaut man durch den spärlich beleuchteten Raum im untersten Geschoss des Kühlhauses, fällt auf, dass kaum ein Zuhörer älter als Anfang 30 ist. In dem mystischen Gewölbe geht es am Dienstag auf der Re:publica um ein ebenso mystisches Thema: Science-Fiction. Mit Blick auf Computerspiele oder das Kinoprogramm verwundert es kaum, dass vor allem junge Leute das Thema fasziniert. Dabei ist Science-Fiction kein junges Phänomen, sondern spätestens seit dem 19. Jahrhundert fester Bestandteil der Literatur. Sie umfasst weit mehr als beeindruckend animierte Darstellungen von Menschen auf dem Mars, in fliegenden Autos oder im Kampf gegen Roboter. Die Zukunftsspekulationen einer Gesellschaft sagen viel über ihren gegenwärtigen Zustand aus.

Science-Fiction hat daher inzwischen auch ihre Daseinsberechtigung in Museen und Ausstellungen. In der Diskussionrunde soll es um die Frage gehen, wie man solche Ausstellungen am besten kuratiert. Auf dem Panel sitzen Uri Aviv, Gründer und Leiter des Utopia-Festivals, einem internationalen Science-Fiction und Fantasy Film Festival in Tel-Aviv, Eden Kupermintz, der das Festival berät, sowie Martina Lüdecke, Kuratorin am Jüdischen Museum in Berlin. Vergangenen Winter kreierte sie eine Ausstellung zum jüdischen Science-Fiction Wesen Golem, das der Erzählung nach aus Staub und Erde erschaffen wird und dem Schutz der Menschen dienen soll, am Ende aber ein Eigenleben entwickelt und zur Bedrohung wird.

Über die Frage des „Wie“ schiebt sich aber zunächst die Frage des „Was“, und zwar was gute Science-Fiction ausmacht. „Es gibt leider viel zu wenig gute Science-Fiction Filme“, sagt Uri Aviv und bemängelt den Content derzeitiger Produktionen. Es dürften nicht nur ein Hollywood-Star und ein paar Aliens in eine Geschichte gesteckt werden. Gute Science-Fiction sei vieldeutig und müsse Möglichkeiten aufzeigen, wie sich die Gesellschaft weiter entwickeln kann. In der Diskussion kristallisieren sich dabei drei Themengebiete heraus, in denen Potenzial für solche Veränderungen steckt.

Mutationen und seltsame Geschäftsideen

Da wäre zum einen das Thema Mutation. Gibt es neue Wege unsere Organe anders zu benutzen? Inwiefern eröffnen uns Körperveränderungen neue Möglichkeiten miteinander zu kommunizieren? Auch das Weltall und Geografie sind wichtige Bestandteile der Zukunftsüberlegungen. Wird es künftig noch einzelne Staaten geben und wie weit werden wir unseren Lebensraum von der Erde lösen können? Am kuriosesten ist der dritte Aspekt. Dank des Internets können selbst Einzelpersonen weltweit Firmen mit noch so seltsamen Anliegen beauftragen und so fragwürdige Geschäftsideen in die Tat umsetzen.

Aber wie kuratiert man nun gute Science-Fiction? „Ich betrachte Kuration als Aktivismus und Science-Fiction als Radikalismus“, sagt Eden Kupermintz. Einig sind sich alle drei, dass ein Kurator selbst entscheiden kann, was er zeigen möchte und welche Botschaft die Werke ausstrahlen sollen. Science-Fiction kann zum einen konservativ und traditionell sein, sie kann aber auch schockieren und Untergänge prophezeien. Wenn man es geschickt anstellt, kann sie dazu führen, dass sie unser Denken beeinflusst und verändert. „Beim Kuratieren geht es darum, den Besuchern Fragen in den Kopf zu pflanzen. Man muss den Menschen ein Statement geben, das sie diskutieren können“, sagt Martina Lüdecke. Eine gute Frage wäre zum Beispiel: Sind wir immer verantwortlich, für das, was wir kreieren und denken wir über mögliche Konsequenzen nach? „Gute Science-Fiction erschafft eine Welt, die über die Utopie hinausgeht“, bekräftigt Uri Aviv.

Dieser Beitrag enstand im Seminar "Onlinejournalismus" der Akademie Mode & Design

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Ann-Kathrin Lietz

Freie Autorin, Writing About Fashion

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