„Ein Hund ist kein Accessoire!“

Eventkritik Harald Glööckler lädt zur Hundemodenschau in einen Tierhandlungsdiscounter. So viel Glamour und Presse hat Buckow selten gesehen
Starke Kerle wachen über kleine Schätze
Starke Kerle wachen über kleine Schätze

Foto: Anna Fastabend

Man würde es nicht vermuten, aber an diesem Mittag findet im „Futterhaus“ im Berliner Außenbezirk Buckow tatsächlich eine Weltpremiere statt. Eingeladen hat der selbsternannte „Prince of Pompöös“, der Berliner Trash-Designer Harald Glööckler. Er will sich in einem neuen Marktsegment etablieren. Mit einem Hersteller für Heimtierzubehör hat er eine Dog-Couture-Kollektion entworfen. Inspiriert habe ihn sein Zwergspaniel Billy King, heißt es in der Broschüre.

Die Kollektion besteht aus Kunstlederhalsbändern und Hundeleinen in Schwarz-gold oder mit rosa Raubkatzenoptik. Und aus Spielzeug, Decken, Sitzkissen und Näpfen, auf denen die goldene Krone, das Markenzeichen Glööcklers, prangt. Die Kissen und Näpfe tragen Namen wie „Kampen“, „Las Vegas“ und „St. Tropez“. Es soll nach Luxus und großer weiter Welt klingen, und das ist ein bisschen schwer zusammenzubringen mit dem Futterhaus.

In Buckow gibt es Wohnsiedlungen, Gasthäuser, Kleingewerbe, Kioske, Tankstellen. Als Maskottchen hat das Futterhaus einen Comic-Hund, der breit grinst und einen Daumen in die Höhe reckt. Die Tierhandlungskette hat ihre Filialen in ganz Deutschland. Und wie die Filialen von Ikea oder Hornbach sind auch sie in überdimensionalen Containern mit großen Parkplätzen drumherum untergebracht.

Schon mit sieben nur ein Ziel

Glööckler selbst ist mit strassbesetzen Kreationen und durch Auftritte im Privatfernsehen bekannt geworden. Er verkauft seine Kollektionen über Teleshopping-Sender und erzählt gern, dass er schon als Siebenjähriger nur ein Ziel hatte: Er wollte die Welt glamouröser machen.

In Glööcklers Reich gibt es alles, was es in der realen Welt auch gibt, nur eben wesentlich bunter, schriller, glitzender. Ringe, Ketten, Tapeten, Teppiche, Kissen, Möbel, Pflegeprodukte und Kunst. Und wenn der Glamour nach dem Kauf der Produkte immer noch nicht im eigenen Leben angekommen ist, kann man das Glööckler-Designerteam zu sich nach Hause bestellen. Von seinen Fans wird Glööckler, ein Meister der Selbstinszenierung, wie ein Popstar verehrt. Und wer sich die Frage stellt, wer diese Leute sind, bekommt im Futterhaus eine überraschende Antwort. Es sind die Leute, deren Leben mit Glamour überhaupt nichts zu tun hat, deren Leben in Wahrheit von dem Leben einer Prinzessin oder eines Prinzen nicht weiter entfernt sein könnte. Die aber genau deswegen danach lechzen. Darauf gründet sich Glööcklers Erfolg, auf dieser Erkenntnis hat er sein Modeimperium erbaut.

An den Glööckler-Ankündigungsbannern am Futterhaus zerrt der Wind. Auf dem Parkplatz hat sich eine Schlange vor einem Glücksrad gebildet – vorwiegend Senioren mit kleinen Hunden, ein paar junge Frauen in Jogginghosen. Ein gelb-rot gekleideter Futterhaus-Mitarbeiter fragt die Wartenden nach den Namen ihrer Haustiere – Hund oder Katze? Er tanzt redend zu einer der Präsentkisten und holt Gratis-Probepackungen hervor.

Who let the dogs out

Im hinteren Teil des Ladens, hinter Futter und Spielzeug, ist eine schwarze Bühne aufgebaut. Darauf steht ein goldener Thron, eine mit goldenener Schleife verzierte Vitrine und Podeste, auf denen Hundenäpfe präsentiert werden. Die Fans stehen links und mittig zur Bühne oder blicken von der Galerie herab. Überall wuseln Hunde in allen Farben und Größen herum. Manche sind von ihren Frauchen oder Herrchen im Einkaufswagen verstaut worden.

Im Pressebereich drängeln sich Fotografen und Kameramänner. Eine Fotografin fängt an zu pöbeln. Sie wirft einem jungen Mädchen vor, von der Schülerzeitung zu sein und im Pressebereich nichts zu suchen zu haben. Hat sie dann aber doch. Man solle sich doch mal die Hände reichen und vertragen, versucht ein Sicherheitsmann zu schlichten. Schwierig. Glööckler kommt eine halbe Stunde zu spät, eine lange halbe Stunde. Es ist stickig, es riecht nach Katzenstreu und viel zu süßem Parfüm. Überall sind Ellenbogen. Immer wieder fangen Hunde an zu jaulen.

Dann ist es soweit. „Who let the dogs out“ schallt blechern aus einer kleinen Box. Glööckler schreitet eine Treppe herab. Begleitet wird er von einer Frau in beigefarbenem Trenchcoat. Er trägt einen engen schwarzen Anzug, Cowboystiefel und riesige Ringe an der Hand, auf dem Arm einen kleinen Hund. Die Fans rufen „Harald, Harald“. Eine Frau hält eine selbstgebastelte Samttasche hoch. „Schön“, sagt Glööckler.

Konservativer Hintergrund

Die Fotografen rufen. Glööckler lächelt jetzt für die Presse. Er posiert im Stehen, kuschelt mit dem kleinen Hund, setzt sich auf den goldenen Thron. Während des Fototermins ist die beige Frau immer dort, wo sie nicht sein soll, neben oder hinter Glööckler im Bild. Das führt zu allgemeiner Verstimmung, ihr konservatives Auftreten passt nicht in Glööcklers Welt. Sie ist die Vertreterin des Halsbandherstellers.

Zwei blondierte Models klettern in roten Kostümen auf die Bühne. Auch sie tragen Hündchen auf dem Arm. „Die eine kenn’ ich doch aus ’nem Porno“, ruft jemand. Dann bittet der Moderator nacheinander vier Hunde samt ihrer Normalo-Frauchen auf die Bühne. Sie stehen für das, worum es eigentlich gehen soll – eine Schau mit Hunden, die einzelne Stücke der Kollektion präsentieren.

Zum Schluss reißen sich Glööckler und die beige Frau immer wieder gegenseitig das Mikro aus der Hand. Noch einmal berichten sie euphorisch von der Restaurantliege „Monte Carlo“, einem laptoptaschengroßen Sitzkissen mit Henkel. Statt auf eiskalten Fliesen soll der Vierbeiner auf ihr Platz nehmen, wenn Herrchen sich mal wieder zu lang im Restaurant aufhält. Schließlich würden wir den Tieren unseren Lebenswandel aufzwingen, sagt die beige Frau. Aber indem man dieses Kissen anschaffe, übernähme man im positiven Sinne dafür die Verantwortung.

Zum Schluss möchte Glööckler noch etwas klarstellen: „Ein Hund ist und bleibt ein Hund und kein Accessoire.“ Dass das bloß keiner verwechselt.

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