Der Klerus klammert sich an die Macht

Religion Das Verhältnis der katholischen Kirche zu den Frauen ist prekär, damals wie heute
Ausgabe 13/2021
Angesichts der jüngsten Krise der katholischen Kirche verlassen heute immer mehr Frauen den ihnen zugewiesenen Weg der stillen Demut und begehren auf: zum Beispiel in der Maria-2.0-Bewegung
Angesichts der jüngsten Krise der katholischen Kirche verlassen heute immer mehr Frauen den ihnen zugewiesenen Weg der stillen Demut und begehren auf: zum Beispiel in der Maria-2.0-Bewegung

Foto: Ulmer Pressebildagentur/IMAGO

Die katholische Kirche: Heute wie damals ein Boys-Club. Von ihren Frauen erwartet sie vor allem: Demut. Kritik vorbringen? Ja – aber bitte recht freundlich. Wird einer weiteren Frau der Zugang zu einem Amt verweigert, gerade weil sie eine Frau ist, dann möge sie das als gottgegeben hinnehmen und dankbar an ihren Platz zurückkehren – ganz unten, ganz hinten.

Angesichts der jüngsten Krise der katholischen Kirche verlassen heute immer mehr Frauen den ihnen zugewiesenen Weg der stillen Demut und begehren auf: in der Maria-2.0-Bewegung, in Frauen- und Jugendverbänden, im Rahmen des Synodalen Weges. Eine unbändige Wut und eine tiefe Trauer sind in der katholischen Kirche deutlich zu spüren: Wut über einen Vatikan, der sich stur stellt, und Bischöfe, die etwas von „Zeitgeist“ murmeln, wenn man sie mit der Forderung nach Gleichberechtigung und Frauenordination konfrontiert.

Uta Ranke-Heinemann, die kürzlich im Alter von 93 Jahren gestorben ist, fügte sich diesen ungeschriebenen Gesetzen nicht. Die Konvertitin bekleidete 1969 als erste Frau einen Lehrstuhl für katholische Theologie; 1987 zweifelte sie in einem TV-Interview die jungfräuliche Empfängnis an und verlor zwar ihren Lehrstuhl, war aber infolgedessen hör- und sichtbarer denn je. Männern in der katholischen Kirche galt sie fortan nur noch als schrille Person im ewig gleichen grünen Lederkostüm. Den Frauen aber diente sie als Vorbild in Unbequemlichkeit und kluger Wut, scharf in Tonfall und Argument und mit der Gabe zur Selbstironie. Stille Demut zählte zu Ranke-Heinemanns Wesenszügen nicht.

Und: Angesichts des Missbrauchsskandals im Erzbistum Köln und anderswo, der Vertuschung von Straftaten durch Bischöfe und Kardinäle oder schlichtweg der Arroganz der Kirchenfürsten in Bezug auf die Nöte der durch Priestermangel gebeutelten Gemeinden scheint Demut auch das Letzte, was die Kirche gerade von ihren Frauen fordern sollte. Gefordert ist weiblicher Unmut über die viel zu wenigen Frauen, die es in Führungspositionen schaffen, und geweihte Männer, die doch das letzte Wort haben. „Wissen Sie“, sagte Uta Ranke-Heinemann einmal, „ich kann das ganze Gerede nicht mehr hören. Das ist doch dummes Zeug.“ Das „dumme Zeug“ – für Uta Ranke-Heinemann nicht nur die alte Mär von der Jungfrauengeburt, sondern auch jedes andere Scheinargument, mit dem der Klerus sich an Macht und Deutungshoheit klammert.

Als die Glaubenskongregation kürzlich bekannt gab, dass sie daran festhalte, nicht-heterosexuellen Paaren den Segen zu verweigern, setzten die gewohnten Reflexe ein: Distanzierung liberaler Katholik:innen vom Segnungsverbot, pastorale Unterschriftensammlungen, Regenbogenflaggen an Kirchtürmen. Und doch musste man sich als Katholik:in auch fragen, ob die Kunde aus Rom so überraschend kam, hatte sich doch der Vatikan bislang weitestgehend unbeeindruckt von den Rufen nach Reformen der Kirche gezeigt.

Ranke-Heinemann ist übrigens nicht aus der Kirche ausgetreten, auch wenn sie viele Gründe dafür gehabt hätte. Sie wollte das Feld nicht jenen überlassen, die von diesem patriarchalen System profitieren. Heute stehen Frauen in der katholischen Kirche erneut am Scheideweg: Demütig schweigen, kluge Argumente und freundliche Worte wählen – oder dem Boys-Club den Rücken kehren, weil die Wut größer ist als die Hoffnung, mitgestalten zu dürfen.

Anna Grebe ist katholisch, feministisch und ehrenamtlich in der Kirche engagiert

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