Ein Denkmal für die Sinti und Roma!

Erinnerungsstätte 1992 beschlossen, 2012 eingeweiht. Das Denkmal für die Sinti und Roma in Berlin Tiergarten

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1992 von der deutschen Regierung beschlossen und heute, nach bald 20 Jahren Diskussion und Planung, ist es Wirklichkeit geworden: das Denkmal für die im Dritten Reich ermordeten Sinti und Roma. Eine längst überfällige Geste der Bundesrepublik Deutschland! Entworfen hat das Mahnmal der israelischen Künstler Dani Karavan. Ein paar Tage vor der feierlichen Übergabe durch die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, Angela Merkel, gab der Bildhauer dem DeutschalndradioKultur ein Interview: Es sei, so Karavan, „vielleicht auch einer der wichtigsten Aufträge, die ich jemals im Leben als Künstler erhalten habe“:

Ein Brunnen in Berlin Tiergarten: Die Wahl für den Standort seines Kunstwerks im Zentrum der deutschen Hauptstadt, habe nicht er getroffen, meint der Künstler, sondern der Ort ihn. Das liege daran, dass er stets vom Platz aus versuche, dessen Seele zu ergründen. Schließlich galt es zu überlegen, wie all die Tausende aus Richtung Reichstag und den umliegenden Botschaften an solch einen kleinen Ort kommenden Menschen, diesen überhaupt bemerken könnten? „Wie kann ich sie aufhalten, was kann ich tun, um diese Menschen zu stoppen?“, habe er sich gefragt. Ein Zaun allerdings, das stand für Dani Karavan fest, den sollte es um das Denkmal nicht geben. Am Ende inspirierte ihn etwas so Sanftes wie Wasser, und er entschied, in diesem Wasser etwas so anzuordnen wie in einem Dreieck: ein Dreieck, das für jenes schändliche Abzeichen steht, das die Sinti und Roma während des Nazi-Terrors tragen mussten, mit dem sie stigmatisiert wurden, weil sie nicht mehr als Menschen und menschlich angesehen und behandelt werden sollten.


Ein Brunnen in Berlin Tiergarten: ein Brunnen mit schwarzem, unendlich tief scheinendem Grund, in der Mitte ein Stein mit einer Blume. Immer dann, wenn die Blume verwelkt, soll der Stein sich emporheben - jeden Tag aufs Neue. Die Blume ist das Herz dieses Denkmals. Denn die Feldblume stehe, nach Ansicht des Künstlers, für eine Art Grabstein für all jene Sinti und Roma, die man ermordet habe und die keinen Grabstein hätten, denen man kein Zeichen mehr setzte. Dafür stehen nun die Blumen innerhalb des Dreiecks aus Wasser und Stein. Der Stein hingegen symbolisiere eine Schwere, die sich auf das Herz, die Blume drücke. Täglich eine neue Blume, immer in einer anderen Farbe, als Symbol für die Sinti und Roma, die Tag um Tag in den Vernichtungslagern des Nationalsozialismus umgebracht wurden.

Wenn nun regelmäßig um 1:00 Uhr eine neue frische Blume auf dem Stein zu sehen ist, dann geschieht das, weil auf das Verwelken nicht gewartet werden soll. So will es das Gedenken, so wünschte es sich der Bildhauer und seine Auftraggeber.

Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, ist auf den Israeli Karavan zugegangen mit der Bitte, etwa für die Sinti und Roma zu entwerfen.

Mit dem Denkmal in Berlin Tiergarten ist der international renommierte Bildhauer erneut dem Diktum des deutschen Philosophen Walter Benjamin gefolgt: Der hatte in der tiefsten Not seiner Emigration in den Notizen zu seinem letzten, 1939 entstandenen Aufsatz Über den Begriff Geschichte vermerkt: "Schwerer ist es, das Gedächtnis der Namenlosen zu ehren als das der Berühmten.“ Es steht eingraviert auf seinem von Karavan entworfenen Denkmal in Portbou an der Costa Brava. Längst ist der Sterbeort Walter Benjamins, der 1994 eröffnete „Gedenkort Passagen“, nicht nur bleibende Erinnerungsstätte, vielmehr ein lebendiger Ort der Begegnung.

Möge das tägliche Ritual der Erneuerung der Blume, möge die Vision des Künstlers dazu führen, dass Menschen immer wieder an die Stätte der Erinnerung des Schicksals der Sinti der Roma während des Nazi-Terrors zurückkehren. Möge der Wunsch Dani Karavans aufgehen, dass es ein Ort „wie eine Kirche“ werde, „wie eine Synagoge oder wie eine Moschee. Und dass es nicht etwas ist, was Besucher einmal gesehen haben und was sie danach nicht mehr interessiert.“

Hier zum Denkmal

Die Einweihung

Planet Wissen: Sinti und Roma WDR

Sinti in Deutschland „1406 zum ersten Mal urkundlich erwähnt in Hildesheim! Gäste: Petra und Marianne Rosenberger: "Wir lehnen die Bezeichnung "Zigeuner" ab."

KAMINGESPRÄCH:Elmar Theveßen mit Romani Rose am 02.06.2013 PHOENIX

„Der Völkermord an 500.000 Sinti und Roma während des Nationalsozialismus war kein Anhängsel des Holocaust.“

Sinti und Roma - Die grösste Minderheitengruppe Europas WeTV

"Ich bin Zigeuner und bin auch stolz darauf" Der Jazz Violinist Martin Weiss

Ausgegrenzt - das Leben der Sinti und Roma (YouTube)
Sternstunde Philisophie (SF)
Der österreichische Schriftsteller und Essayist Karl-Markus Gauss, der seit über 10 Jahren die «Ränder» Europas bereist, spricht mit Katja Gentinetta über Europas Osten und wirft auch einen Blick auf die von der Krise dominierte Mitte des Kontinents.

Zeitungsartikel

"Die Einzelfälle anschauen" (FR)

Müssen wir eure Armut sehen? (der Freitag)


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Geschrieben von

anne mohnen

Der Verstand ist Brod, das sättigt; der Witz ist Gewürz, das eßlustig macht." Ludwig Börne.

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