Als ich in der Ausgabe Nr. 20 des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" über die "psychologische" US Folter-Firma >Mitchell Jessen & Associates< las
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-65330429.html
fiel mir spontan ein Satz von Dürrenmatt ein, der eigentlich nichts an Aktualität eingebüßt hat -heute genau so wenig wie gestern:
"Unsere Wissenschaft ist schrecklich geworden, unsere Forschung gefährlich, unsere Erkenntnis tödlich..."
Das Thema scheint derzeit schon wieder überholt zu sein (zumindest schweigen die Medien mittlerweile darüber); trotzdem muss meiner Ansicht nach über dieses Phänomen weiter geredet werden!
Zum speziellen Fall: Nicht genug damit,dass Pentagon bzw. CIA unter Bush die Ausarbeitung und Überwachung der Folter-Verhöre einer privaten FIRMA übertrugen und so "Auslagerung" betrieben;-
man besorgte sich darüber hinaus an derselben Stelle wohl auch gleich noch die (pseudo-)wissenschaftliche Legitimation für die Untaten!
www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30158/1.html
www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30239/1.html
Frage: Wie steht es denn eigentlich um die Unabhängigkeit und Redlichkeit unserer Wissenschaften? Kann man darauf mittlerweile ebenso wenig mehr zählen wie etwa auf das unbedingte Funktionieren demokratischer Prinzipien (wie der klassischen Gewaltenteilung)?
Ältere Wissenschaften wie die Medizin haben sich in der Vergangenheit ja bekanntlich ebenfalls bereits in den Dienst von mehr als unguten Sachen gestellt oder stellen lassen.
Gerade die Psychologie sollte aber doch eigentlich in ganz besonderem Maße aufklärend wirken, sowie dem Menschen und der Menschlichkeit dienen!
Andererseits gab es auch Warnungen! So sprach z.B. bereits Erich Fromm in seinem berühmten Buch "Die Kunst des Liebens" warnend von den Grenzen unseres intellektuellen Wissens. Wissen ist ja letztlich eine Art Macht und daher anfällig für Missbrauch! Das jedoch heißt, dass sie - auch meiner Ansicht nach - unbedingt wenigstens annähernd "in den Dienst der Liebe" gestellt werden müsste! Bei Fromm liest es sich wörtlich so: "Die Psychologie als Wissenschaft hat ihre Grenzen, und wie die logische Konsequenz der Theologie der Mystizismus ist , so ist die letzte Konsequenz der Psychologie die Liebe" (a.a.O.)
Wie aber passt all das mit dem (angeblich) notwendigen "Kampf gegen den Terror" zusammen,einem Begriff,den Obama zwar mittlerweile offenbar zu vermeiden sucht, ohne jedoch (wie mir scheint) seinen Inhalt völlig über Bord werfen zu wollen?
Das Problem ist (war?) allerdings weder neu, noch ist es selbstverständlich ein rein amerikanisches; vielmehr berührt es - wie R. Mausfeld sagt - "über den konkreten Fall hinausweisende" Fragen, wie zum Beispiel diese:Was motiviert eigentlich Wissenschaftler, etwas, das in klarem Widerspruch zur Rechtsstaatlichkeit steht (wie z.B. Folter ) zu rechtfertigen anstatt ihrer "moralischen und politischen Verantwortlichkeit" gerecht zu werden ?!
www.psychologie.uni-kiel.de/psychophysik/mausfeld/Mausfeld_Psychologie%20und%20Folter.pdf
Es geht mir hier also nicht in erster Linie um irgendwelche Schuldzuweisungen im Nachhinein, sondern sehr viel mehr um die Frage, wie wir in Zukunft mit diesen (sicherlich fortdauernden) Schwierigkeiten umgehen wollen,
Diese Frage stellt sich ja um so dringlicher, als auch das Vorgehen des neuen amerikanischen Präsidenten im beschriebenen Falle nun wirklich etwas halbherzig gewesen sein dürfte - gelinde gesagt. Denn in der Anti-Folter-Konvention der UN, der auch die USA sich angeschlossen haben, ist ausdrücklich von rechtlichen Konsequenzen die Rede! Folterknechte sollen demnach juristisch zur Verantwortung gezogen werden und nicht so ohne Weiteres rehabilitiert und entschuldigt! Oder werden, wenn schon nicht die CIA -Mitarbeiter,so doch wenigstens die "Verantwortlichen für die Formulierung der zulässigen Folterpraktiken" nun doch noch belangt werden?
Das letzte,was ich dazu finden konnte, war Mitte/Ende April eine kurze Mitteilung in der "Welt". Demnach habe Obama am Rande eines Treffens mit dem jordanischen König Abdullah geäußert, die Entscheidung darüber läge "im Rahmen verschiedener Gesetze beim Justizminister" und er wolle das "nicht vorwegnehmen" ...
www.welt.de/politik/article3598573/Obama-laesst-Tuer-fuer-Verfahren-wegen-Folter-offen.html
Die große Frage ist am Ende die: Wird das Ganze einen wenigstens halbwegs rechtsstaatlichen Gang gehen oder womöglich etwa klammheimlich im Sande verlaufen, - umsomehr als private US- (wie z.B. auch Söldner-und Sicherheits-)Firmen schon länger innerhalb einer rechtlichen Grauzone operieren und daher generell schwer belangt werden können ?
Ich denke, je mehr die Öffentlichkeit dieses Thema mitsamt all seinen unguten Facetten im Auge behält, weiter diskutiert und eventuell auch bei Wahlentscheidungen zu berücksichtigen bereit ist, um so eher werden die Politiker (auch hierzulande) gezwungen sein, sich ernsthafter damit zu beschäftigen , - sowie die nötigen Konsequenzen zu ziehen...(!)
Kommentare 1
Erfreulich immerhin, dass dieses Problem der ausstehenden juristischen Aufarbeitung heute noch (oder auch: wieder) diskutiert wird - wenn auch zum Teil wenig optimistisch ... Einige Beispiele: http://www.arcor.de/content/aktuell/kolumne/2995423,1,Der-Sturz-der-Racheg%C3%B6tter,content.html http://www.spiegel.de/politik/ausland/cia-folter-warum-die-verantwortlichen-nicht-bestraft-werden-a-1007908.html http://orig.www.ndr.de/kultur/Augstein-Das-Mass-aus-Augen-verloren,augstein156.html http://www.sueddeutsche.de/politik/reaktionen-auf-cia-bericht-un-und-menschenrechtler-fordern-strafrechtliche-konsequenzen-1.2260426 http://www.taz.de/!150994/ http://www.deutschlandradiokultur.de/cia-folter-taeter-vor-gericht-stellen.1008.de.html?dram:article_id=305755 http://www.deutschlandfunk.de/cia-folterbericht-das-thema-ist-nicht-abgehakt.694.de.html?dram%3Aarticle_id=305776
Lesenswert auch der Bericht im neusten "Spiegel" über "Die dunkle Seite der Macht"....... https://magazin.spiegel.de/digital/#SP/2014/51/130878633 Tja, die Meinungen sind unterschiedlich; - Fakten lassen sich jedoch schwer vom Tisch wischen ...