„Wir sagen nicht: Wir schaffen das, wir sagen: Wir machen das!“ Dieser eine zentrale Satz aus der Abschlussveranstaltung des 34C3, des 34. Chaos Communication Congress des Chaos Computer Club (CCC) Ende des Jahres in Leipzig, beschreibt das Selbstverständnis der deutschen Hacker-Community: Einfach losmachen.
Dieses Vergnügen wurde getrübt durch eine Diskussion über sexuelle Übergriffe in der Hackerszene. Schon vor der Konferenz erschien ein Blogpost, der CCC sei eine Veranstaltung frauenhassender Männer: „The CCC: Men Who Hate Women“. Im begleitenden Tweet warnt die Hackerin isis agora lovecruft, der CCC habe Vergewaltigern seit Jahren eine Plattform geboten, sie sogar protegiert und willkommen geheißen. Nur einige Stunden zuvor twitterte die teilnehmende Person Thomas Covenant: „Dem Typen, der mich gewalttätig angegriffen hat, wird erlaubt, zum 34C3 zu kommen. Ich erfuhr davon Heiligabend während des Aufbaus.“
Das Thema sexuelle Gewalt war also schon gesetzt, bevor der Kongress überhaupt losgegangen war. Was heißt das? Was folgt daraus für die Hackerszene?
Eine Speakerin, deren Thema eigentlich Zensur im Iran war, beendete am ersten Kongresstag ihren Vortrag mit einer Folie, auf der lovecrufts Blogpost und Covenants Tweet zu sehen waren. Und der CCC? Schweigt zu den Vorwürfen mit Verweis auf die Privatsphäre der Beteiligten.
Die turbulente Debatte, die vor Ort wie im Netz folgte, verästelte sich leider in zahllose Unterstränge mit teils bizarren Gerüchten. So war zu hören, der CCC habe alle Vorträge verhindert, die von Organisationen eingereicht würden, die mit vermeintlichen Opfern von Jacob Appelbaum zu tun hätten. Der prominente amerikanische Hacker wurde vor eineinhalb Jahren der Vergewaltigung beschuldigt. Diese Frauen hätten das Ziel, den CCC zu zerstören. Alle Vorträge, die sexuelle Übergriffe thematisierten, seien bewusst verhindert worden. Gerüchte hin oder her, solche Vorträge gab es tatsächlich nicht.
Unabhängig davon hatte der CCC erklärt, keinerlei Übergriffe zu dulden. Zu Recht: Es kommen mittlerweile mehr Frauen zum Kongress. Ein Viertel der Vortragenden war diesmal weiblich – nicht großartig, aber für eine IT-Konferenz nicht so schlecht.
Früher scheint es keine sexuellen Übergriffe unter den traditionell freundlichen Hackern gegeben zu haben. Oder wurde darüber schlicht nicht geredet, weil es früher kaum Frauen in der Szene und bei Hackerkongressen gab?
Was lernen wir aus den diesjährigen Debatten? Beim CCC muss stärker darüber gesprochen werden, wie Betroffenen sexualisierter Gewalt besser geholfen werden kann. Damit der Congress eine der liebenswertesten Veranstaltungen des Jahres bleiben – oder wieder werden – kann. Es muss intensiver und öffentlich kommuniziert werden, warum offenbar nichts unternommen wurde. Obwohl möglicherweise ein Gewalttäter unter den Besuchern war. Je größer ein Event ist, umso wichtiger ist es, zu verstehen, dass die meisten der Besuchenden nicht wissen, was intern immer schon klar war: dass es sexuelle Übergriffe überall und jederzeit geben kann.
Die Frauenbewegung wusste schon in den 70er Jahren, dass (männliche) informelle Strukturen dazu beitragen, Frauen auszuschließen. Wenn der CCC das anders machen will, sollte für ihn gelten: Wir machen das.
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