Danah Boyds Facebook-Rant: "Das Beste für die Privilegierten"

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Es gibt gerade wieder viel Gerede über Facebook (FB) und die Privatsphäre. Während manche die These pushen, wir sollten die Idee, etwas für uns behalten zu wollen, am besten gleich zu den Akten legen, weil das im Grunde reaktionär sei - in anderen Worten auch der FB-Chef Zuckerberg -, regt sich Protest. In den USA auch unter den Leuten, denen im Bereich Neue Medien Autorität zugesprochen wird, 'den Techies'. So spürbar, dass darüber geredet geschrieben wird.

Der ACLU, eine bekannte US-Bürgerrechtsorganisation, sieht eine Revolte am Horizont. Gulli berichtet von einem Facebook-Krisentreffen. Die New York Times berichtet gern und ausführlich und hat kürzlich eine Grafik veröffentlicht, die die komplizierten Einstellungen zu Privatsphäre/Datenschutz bei Facebook veranschaulicht.

Danah Boyd ist gestern der Kragen geplatzt und sie hat sehr schön Klartext geredet in einer Debatte, die langsam Züge eines Glaubenskriegs entwickelt: "Wir hätten wir nie Homophobie thematisiert, wenn nicht massenhaft Leute zwangs-geoutet worden wären!" "Wir werden viel freier sein, wenn wir zu unseren Fehlern stehen!" "Im Netz kommt früher oder später sowieso alles raus." vs. "Wer sich beobachtet fühlt, ändert das Verhalten - Big Brother lässt grüßen."

'Facebook und "radikale Transparenz"':

Danah Boyd beschreibt zunächst die Entwicklung und die zunehmenden Probleme rund um Facebook und die ständigen Veränderungen der Einstellungen im Bereich persönliche Informationen und Datenschutz.

Facebook denkt, dass bloss ein paar spinnige Tech-Eliten wie ich die Nase voll haben. Sie bleiben bei ihrer Haltung und versuchen zu erklären, dass das, was sie machen, gut für alle sei.

Neben den sich ständig ändernden Einstellungen tauchen immer neue Sicherheitsprobleme auf: dies betrifft Mailadressen, IP-Adressen (und damit der Ort, an dem sich Menschen befinden) und vollständige Chat-Protokolle.

Sie zitiert Mark Zuckerberg:

Du hast eine Identität.. Die Tage, als Du ein Image für Deine KollegInnen und ein anderes für die anderen Menschen hattest, werden vermutlich ziemlich bald vorbei sein.. Zwei Identitäten zu haben steht für einen Mangel an Integrität.

David Kirkpatrick, beschreibt sie, nennt das in seinem demnächst erscheinenden Buch "The Facebook Effect" den Kern von Facebook: "Radikale Transparenz". Zuckerberg sei der Meinung, dass es allen Menschen besser gehe, wenn sie sich transparent machen. (Zuckerbergs Konto dann auch).

Silicon Valley ist voll mit Leuten, die mit Selbst-Vermarktung beschäftigt sind, die sich mit Exhibitionismus einen Namen machen. Es überrascht mich nicht, dass Scoble sich entblößen will; er ist immer der erste in den Massenansammlungen der Sozialen Netzwerke, immer noch öffentlicher als Du. Manchmal auch zu öffentlich. Aber das ist seine Entscheidung. Das Problem ist, dass nicht alle mitmachen wollen.

Dann gibt es ein bisschen Hintergrund zu Öffentlichkeit und Gegenöffentlichkeit, und schließlich wundert sich Danah Boys darüber, dass die Macher von Facebook die Einstellungen, die sie den NutzerInnen als Standard-Einstellung vorgehen, selber nicht benutzen. Schlimmer aber findet sie den Mangel an Transparenz im Design des Interfaces. Das führt dazu, dass vielen Menschen gar nicht klar ist, wem sie was öffentlich machen.

Wenn Facebook radikale Transparenz wollte, könnten sie den UserInnen mitteilen, wer sich was ansehen kann. Sie könnten sie benachrichtigen, wenn ein Partner Inhalte aufruft. Sie könnten ihnen zeigen, wer alles zu den 'Freunden der Freunde' gehört - oder wenigstens wieviele.

Sie beschreibt den Unterschied zwischen der freiwilligen Entscheidung, bestimmte Dinge öffentlich zu machen und dem Gefühl, gar nicht anders zu können.

Zuckerberg und seine Gang denken wahrscheinlich, dass sie wissen, was am besten für die Gesellschaft, für die Individuen ist, aber dem widerspreche ich vehement. Ich glaube, dass sie wissen, was für die Privilegierten am besten ist.

Ich bin wütend. Sehr wütend. Wütend, dass ein paar Leute nicht die Wahl haben, wütend, dass sie nicht wissen, was los ist, wütend, dass es in meiner Branche inzwischen OK ist, Leute bloß zu stellen. Es ist höchste Zeit, dass wir diejenigen berücksichtigen, die nicht annähernd so privilegiert sind wie wir, die sich nicht aussuchen, dasselbe Risiko einzugehen wie wir, die sich das nicht leisten können. Es geht nicht um Liberale vs. Libertäre; es geht um Affen vs. Roboter.

Soweit die von mir ausgewählten Zitate - es empfiehlt sich auf jeden Fall, den ganzen Text zu lesen samt der zahlreichen Kommentare.

Heute hat sie als Reaktion darauf einen zweiten geschrieben: Facebook is a utility; utilities get regulated (Facebook ist öffentliche Versorgung; Versorger werden reguliert).

Parallel hat heute Shireen Mitchell (@digitalsista) Sieben Sachen, die bei Facebook nicht mehr gemacht werden sollten geschrieben.

Bild: Flickr/ Trisha Shears, CC-Lizenz

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Anne Roth

Anne Roth schreibt ins Netz seit 1999 / beruflich Referentin für Netzpolitik der Linksfraktion im Bundestag / parteilos / Fokus: DigitaleGewalt

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