Der Bundespräsident, die Polizei und meine Tochter

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Gestern auf Berlins Straßen:

Ich war mit meiner Tochter unterwegs zum Schwimmen. Bis gestern hatte sie ein relativ unverkrampftes Verhältnis zur Polizei - was ja auch anders hätte sein können nach der frühkindlichen Traumatisierung durch bewaffnete Monstren, die schreiend vor ihrem Bett aufgetaucht waren damals an einem Morgen im Juli 2007.

Wir wollten von Berlin-Moabit Richtung Osten. Dazu mussten wir von Alt-Moabit auf die Invalidenstraße links abbiegen, was nachmittags bei Berufsverkehr, großer Hitze, gesperrtem Tiergartentunnel wegen eines Brandmelderfehlalarms an sich schon keine Freude ist. Wir bewegten uns im Schritttempo. Im Rückspiegel sah zwei Polizeimotorräder, die sich an den Autos vorbeischlängelten. Just in dem Moment, als wir links abbiegen wollten, blieb eins dieser Motorräder rechts neben uns stehen, der voluminöse, ältere, komplett in Leder gehüllte Beamte darauf fing an, hektische Armbewegungen zu machen, alle sollten geradeaus weiterfahren.

Da wollte ich nicht hin und verstand nicht, wozu das gut sein sollte. Und deutete also weiter an, links abbiegen zu wollen. Ergebnis: Wir wurden direkt ins offene Fenster irre laut angebrüllt "WEITERFAHREN!!!!". Hinter uns eine Schlange, neben uns eine Schlange, vor uns eine Straße, die ins Regierungsviertel führt und von wo es nicht einfach ist, in halbwegs fließendem Verkehr Richtung Schwimmhalle zurückzukommen. Ich fragte also "Wieso denn?".

"WEITERFAHREN HA'ICK JESAGT!! LOS JETZT!!!"

Das wirkte ziemlich ernst gemeint und mir ist bis jetzt nicht klar, was die Konsequenzen bei Verweigerung von Befehlen von Verkehrspolizisten sind. Also, rein rechtsstaatlich betrachtet, theoretisch, sozusagen. Praktisch kann ich mir das in etwa vorstellen.

Ich fuhr also geradeaus weiter und sah ein paar hundert Meter noch eine Seitenstraße mit noch so einer weiß-grün gelederten Figur. Die wedelte genauso mit den Armen. Ich hielt an und fing an zu erklären, dass ich wirklich eher woanders hin wollte und warum überhaupt.. Da hätte ich nämlich noch wenden können. "LOS FAHREN SE ENDLICH!!!!"

Ein Blick in den Rückspiegel und bevor ich irgendwas hätte entscheiden können, brüllte es wieder als vollem Hals "JETZT BLEIBENSE STEHEN". Das fühlte sich überhaupt nicht gut an, denn das klang nach Kontrolle der Papiere, polizeilichen Maßnahmen wegen Nicht-Befolgens von Befehlen, Widerstand gegen die Staatsgewalt, was weiß ich.

Stattdessen aber rauschte der Brüllaffe an mir vorbei und ihm folgte.. eine Kolonne schwarzer Limousinen. Offensichtlich unterwegs in Richtung Regierungsviertel und wahrscheinlich voller BundespräsidentenwählerInnen.

Tja. Schöne Demokratie soweit. Wenn die wichtigen Leute kommen - in dem Fall, um sich anzumaßen, das Volk zu vertreten -, wird die Straße freigeputzt, denn denen ist das Im-Stau-Stehen ja echt nicht zuzumuten. Bgründung? Brauchen'wa nich.

Mein Adrenalinspiegel war noch nicht annähernd wieder im Normalzustand, als ich von hinten das Stimmchen meiner fünfjährigen Tochter hörte: "Der war aber nicht nett, der Polizist. Den möchte ich nicht wieder sehen." Fand ich auch. "Warum musste der so schreien?". Weiß ich nicht.

Sollte irgendwer unterstellen, wir würden unseren Kindern eventuell eine latent polizeikritische Haltung anerziehen - ich kann nur sagen: an mir liegt das nicht.

Naja, oder jedenfalls nicht primär.

Das Original des Textes findet sich hier. Dort kann auch geflattr't werden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Anne Roth

Anne Roth schreibt ins Netz seit 1999 / beruflich Referentin für Netzpolitik der Linksfraktion im Bundestag / parteilos / Fokus: DigitaleGewalt

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